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57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

Assistierter Suizid – Erfahrungen und Erfordernisse aus hausärztlichen Perspektiven: eine qualitative Studie

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Luise Wagner - Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • Juliane Poeck - Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland; Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover, Deutschland
  • Jutta Bleidorn - Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV-21-02

doi: 10.3205/23degam120, urn:nbn:de:0183-23degam1201

Published: September 27, 2023

© 2023 Wagner et al.
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Text

Hintergrund: Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 und einer entsprechenden Änderung der Berufsordnung auf dem Bundesärztetag 2021 ist ärztliche Suizidassistenz in Deutschland straffrei möglich. Hausärzt:innen sind als oftmals langjährige Begleiter:innen ihrer Patient:innen und häufig erste Ansprechpartner:innen in gesundheitlichen und psychosozialen Fragen prädestiniert dafür, Anfragen zur Suizidassistenz zu erhalten. Ihre Perspektiven und Erfahrungen im Umgang mit Anfragen zum assistierten Suizid sind bislang jedoch kaum erforscht.

Fragestellung: Welche Erfahrungen haben Hausärzt:innen bereits mit Anfragen zum assistierten Suizid gemacht? Welche Erfordernisse sehen sie, um einen verantwortbaren und umsetzbaren Umgang mit Anfragen zur Suizidassistenz zu ermöglichen?

Methoden: Von März bis Dezember 2022 wurden 19 leitfadengestützte Interviews mit aktuell oder ehemals in Deutschland praktizierenden Hausärzt:innen geführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Häufigkeit von Anfragen zum assistierten Suizid als auch der Umgang damit sehr heterogen ist. Neben schweren Erkrankungen und belastenden körperlichen Symptomen wurde insbesondere Einsamkeit als häufiges Motiv für den Wunsch nach Suizidbeihilfe identifiziert. Beinahe alle Befragten empfanden es als obligatorisch, Ärzt:innen in die Entscheidungsfindung bei Anfragen zum assistierten Suizid zu involvieren. Hausärzt:innen könnten dabei eine zentrale Rolle spielen, vor allem als Berater:innen und Lots:innen. Im Hinblick auf die Umsetzung wird allerdings eine Vielfalt an Hürden wahrgenommen, allen voran das Fehlen fachlichen Know-Hows. Als mögliche Lösungsansätze werden z.B. entsprechende Fortbildungen, ein ärztliches Vier-Augen-Prinzip oder die Erarbeitung einer Leitlinie häufig genannt. Weitere Ergebnisse werden auf dem Kongress präsentiert.

Diskussion: Die Studie liefert erste Erkenntnisse zum Umgang mit Anfragen nach assistiertem Suizid in der Hausarztpraxis. Diese werden vor dem Hintergrund der bestehenden und angedachten gesetzlichen, institutionellen und logistischen Gegebenheiten diskutiert.

Take Home Message für die Praxis: Die Anfrage zur Suizidassistenz ist kein alltäglicher, jedoch individueller und komplexer Beratungsanlass, der mit zahlreichen Herausforderungen einhergehen kann. Die Ergebnisse der Studie können wertvolle realitätsnahe Bausteine für die öffentliche und legislative Diskussion um die Neuregelung der Suizidassistenz in Deutschland liefern.