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Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen gemeinsam versorgen – psychiatrische und hausärztliche Perspektiven
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Published: | September 27, 2023 |
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Hintergrund: Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (Severe Mental Illness, SMI) haben im Vergleich zu nicht Erkrankten ein erhöhtes Risiko für somatische Komorbiditäten, die zu einer reduzierten Lebenserwartung beitragen können. Eingeschränkte körperliche und psychische Gesundheit kann den Zugang zu medizinischen und anderen Versorgungsangeboten für SMI-Betroffene erschweren. Es gibt Hinweise, dass die Qualität der somatischen Versorgung geringer ist als bei Menschen ohne SMI.
Fragestellung: Wie kann die gemeinsame Versorgung psychischer und somatischer Gesundheitsrisiken von Menschen mit SMI verbessert werden? Wie sind Erfahrungen und Haltungen von Psychiater:innen und Hausärzt:innen zur interdisziplinären Zusammenarbeit in der Versorgung von Menschen mit SMI?
Methoden: In einer qualitativen Vorstudie im Rahmen des PSY-KOMO-Projektes wurden Expert:innen-Interviews mit Psychiater:innen und ergänzend Gruppendiskussionen mit Psychiater:innen und Hausärzt:innen durchgeführt. Insgesamt nahmen 4 Psychiater:innen an leitfadengestützten Interviews, 35 Psychiater:innen und 47 Hausärzt:innen an Gruppendiskussionen teil. Neben den digital aufgezeichneten Expert:innen-Interviews, wurden Dokumentationen und Protokolle der Gruppendiskussionen mittels Themenmatrix ausgewertet.
Ergebnisse: Sowohl Psychiater:innen als auch Hausärzt:innen erleben sich als zentral verantwortliche Ansprechpartner:innen für ihre Patient:innen mit SMI. Im Versorgungsalltag werden besonders komplexe Versorgungsbedarfe der Patient:innen mit SMI als Herausforderung beschrieben. So wird gemeinsame Versorgung eher in der eigenen Praxis oder Psychiatrischen Institutsambulanz erlebt, selten aber im jeweiligen regionalen Versorgungsnetzwerk. Dabei rückt die Versorgung somatischer Gesundheitsrisiken aufgrund von akuten Handlungsbedarfen in Bezug auf die psychische Erkrankung häufig in den Hintergrund.
Diskussion: Nach Einschätzung der psychiatrischen und allgemeinmedizinischen Expert:innen ist der Auf- und Ausbau interdisziplinärer Zusammenarbeit für eine leitliniengerechte Versorgung von Menschen mit SMI und somatischen Komorbiditäten unerlässlich. Wegen erschwerter Zugänge zu Versorgungsangeboten sind bedarfsorientierte Unterstützungsleistungen und Präventionsangebote für Menschen mit SMI im regionalen Bezug vonnöten.
Take Home Message für die Praxis: Interdisziplinäre, multiprofessionelle Netzwerke haben das Potential, auch komplexen Versorgungsbedarfen zu begegnen. Interdisziplinäre Vernetzung bildet die Grundlage für eine patient:innenzentrierte Versorgung somatischer Erkrankungen von Menschen mit SMI.