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Hausärztlicher Umgang mit Patientinnen und Patienten mit sexuellen Problemen
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Published: | September 11, 2019 |
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Hintergrund: Studien zu sexueller Gesundheit fokussierten bisher auf die Epidemiologie sexueller Probleme sowie generelle Fragen des Ansprechens: Wer spricht die Thematik an und wer sollte sie ansprechen? Untersuchungen zum hausärztlichen Umgang mit sexuellen Problemen lagen nicht vor.
Fragestellung: Welche sexuellen Probleme werden in der hausärztlichen Versorgung von wem thematisiert und wie ist das weitere Vorgehen?
Methoden: Leitfadengestützte, offene Interviews mit 8 Hausärztinnen und 8 Hausärzten aus Kiel und der Altmark; 16-64 Minuten Interviewdauer, wörtliche Transkription und Auswertung nach Mayring.
Ergebnisse: Sexuelle Probleme sind ein wichtiges, aber kein alltägliches Thema in der Hausarztpraxis. Männer sprechen häufiger als Frauen sexuelle Probleme an, am häufigsten die erektile Dysfunktion, nachrangig die Ejaculatio praecox. Themen von Frauen sind Appetenzmangel, Partnerschaftskonflikte, Scheidentrockenheit und Dyspareunien. Ein Ansprechen von ärztlicher Seite erfolgt nur bei passenden (Vor)erkrankungen und Medikamenten. Ansprechbarrieren sind Schamgefühl und Zeitmangel. Hausärzte nehmen häufig an, dass Patientinnen sich im Falle sexueller Probleme an Gynäkologen wenden. Bezüglich des diagnostischen Vorgehens herrschen diverse Meinungen, insbesondere bezüglich Hormonbestimmungen. Überweisungen erfolgen zumeist an die Gynäkologie, Urologie und ggf. Psychotherapie (mit langer Wartezeit). Die Therapie mit PDE-5-Hemmern erfolgt häufig, zunehmend auch mit Dapoxetin. Ihr Wissen hatten sich die Befragten im Selbststudium und in Fortbildungen angeeignet.
Diskussion: Der hausärztliche Umgang mit sexuellen Problemen der Patientinnen und Patienten ist stark individuell geprägt und lässt Standards vermissen. Es erscheint notwendig, Situationen, in denen Sexualität zum Thema gemacht werden sollte sowie die diagnostischen und therapeutischen Schritte zu definieren. Unklar ist auch, wann an sexualtherapeutische Angebote überwiesen werden sollte. Fortbildungen zu komplexeren Problemen wie Appetenzverlust oder Dyspareunie werden gewünscht. Eine Vermittlung sexualmedizinischer Inhalte sollte bereits in Studium und Weiterbildung erfolgen.
Take Home Message für die Praxis: Die Interviews führten bei den Befragten vielfach zum Vorsatz, Patientinnen und Patienten in Zukunft häufiger auf mögliche sexuelle Probleme anzusprechen. Bei Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund wird Sexualität selten(er) thematisiert, bei Männern scheinen seelische Ursachen aus dem Blick zu geraten.