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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Digitale Kommunikationshilfen für nicht deutschsprechende Patienten (DICTUM Friedland) – ein neuer Ansatz der Sprachmittlung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Stefan Kruse - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Evelyn Kleinert - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Ghefar Furaijat - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Frank Müller - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Anne Simmenroth - Uniklinik Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV62-01

doi: 10.3205/19degam099, urn:nbn:de:0183-19degam0991

Published: September 11, 2019

© 2019 Kruse et al.
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Text

Hintergrund: Sich über seine gesundheitlichen Belange verständlich machen zu können, ist Voraussetzung für nahezu jede medizinische Behandlung. In der Praxis sind geeignete Dolmetscher jedoch häufig nicht verfügbar. Kommunikationsversuche mit Laiendolmetscher, „mit Händen und Füßen“, einer dritten Sprache, Zeigebücher oder Sprachübersetzungsapps sind unbefriedigend, da dies gleichermaßen unsicher, anstrengend und zeitraubend ist.

In einer Pilotstudie haben wir eine digitale Kommunikationshilfe für nicht-deutschsprechende Patienten in einer allgemeinmedizinischen Sprechstunde einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete evaluiert. Mit dieser tabletbasierten Hilfe kann eine symptomorientierte Anamnese in 12 unterschiedlichen Sprachen erhoben werden können.

Fragestellung: Ist das entwickelte Tool durch Patienten nutzbar, hilfreich, wird es sinnhaft verwendet? Welchen Beitrag kann es zu einer Behandlung liefern?

Methoden: Offene nicht-randomisierte Pilotstudie mit Kontrollgruppe. Erhebung von demografischen Informationen zu Nutzer, Wiedervorstellungsraten, Benutzbarkeit, Übereinstimmung der Angaben mit Diagnosen erhoben. Deskriptive und multivariate Analysen, Vergleich mit gematchter Kontrollgruppe.

Ergebnisse: 281 Patienten (Ø25 Jahre, 64% Schulbesucher) haben die Kommunikationshilfe bei 302 allgemeinmedizinischen Behandlungen innerhalb eines ¾ Jahres erfolgreich genutzt. Die Anzahl der Nutzungsabbrüche (N = 70) war moderat. Inhaltliches nicht-Verstehen (9%) war als Abbruchgrund selten. Die am häufigsten verwendeten Sprachen waren Arabisch (inkl. Dialekte), Farsi und Türkisch. 77% der Patienten konnten das Tool gut bedienen, 81% haben ihre wesentlichen Beschwerden eingeben können. Bei 53% stimmten eingegebene Beschwerden vollständig mit den Diagnosen der Ärzte überein. 37% der Patienten haben zusätzliche Symptome angegeben, die keinen Eingang in die ärztlichen Diagnosen fanden.

Diskussion: Unsere Pilotstudie zeigt, dass der Ansatz der digital assistierten Sprachmittlung funktioniert und von der überwiegenden Anzahl der Patienten angenommen und sinnvoll eingesetzt wird. Weiter erforscht werden sollte, wie die auf diesem Wege erhobenen Patienteninformationen von Ärzten eingeschätzt und genutzt werden. Gegenwärtig ergänzen wir unsere Anamnesehilfe um ein Modul, mit denen auch komplexe Medikamenteneinnahmen verständlich erklärt werden können.

Take Home Message für die Praxis: Mit der digitalen Kommunikationshilfe lassen sich von nicht-Deutschsprechenden Patienten Informationen zur aktuellen Krankheitsgeschichte erheben, gerade wenn kein adäquater Sprachmittler verfügbar ist.