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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Telemedizinische Versorgung in Justizvollzugsanstalten in Baden-Württemberg – gemischt-methodische Evaluation eines Modellprojekts zur Fernbehandlung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Roland Koch - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland
  • Miriam Giovanna Colombo - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland
  • Stefanie Joos - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV43-04

doi: 10.3205/19degam081, urn:nbn:de:0183-19degam0812

Published: September 11, 2019

© 2019 Koch et al.
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Hintergrund: Telemedizin gewinnt in vielen medizinischen Fachbereichen an Bedeutung und bietet besonders für vulnerable Gruppen, wie zum Beispiel Patienten/Patientinnen in Justizvollzugsanstalten (JVA), Chancen auf eine verbesserte medizinische Versorgung. Seit Aufhebung des Fernbehandlungsverbots in Baden-Württemberg wurden erstmals Videokonsultationen in fünf JVA in Baden-Württemberg im Rahmen eines Modellprojekts angeboten, welches vom Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung des Universitätsklinikums Tübingen evaluiert wurde.

Fragestellung: Wie beurteilen die beteiligten Akteure die Videokonsultationen?

Welche Probleme und Verbesserungsbedarfe werden identifiziert?

Methoden: Das telemedizinische Angebot wurde mittels eines gemischt-methodischen Ansatzes evaluiert. Quantitative und qualitative Primärdaten wurden mit Hilfe von Fragebögen sowie leitfadengestützten Interviews mit allen an den Videokonsultationen Beteiligten (Patienten/Patientinnen, Pflegekräften, Videoärzten/Videoärztinnen) erhoben. Zusätzlich wurden Sekundärdaten ausgewertet, die aus der Videokonsultationssoftware stammen.

Ergebnisse: Von Juni bis Dezember 2018 fanden 305 Videokonsultationen in den fünf teilnehmenden JVA statt. Zu den häufigsten Anlässen für die Videokonsultationen gehörten Angst und Unruhe, Schlafstörungen sowie Fragen zur Medikation. Die mittels Fragebögen (n=56) und Interviews (n=9) befragten Patienten/Patientinnen bewerteten die Videokonsultationen überwiegend positiv, 35% sahen in dem Angebot eine sinnvolle Ergänzung zur bisherigen medizinischen Versorgung. Eine persönliche Konsultation bei einem Arzt oder einer Ärztin in der JVA würden dennoch 42% der Befragten vorziehen. Seitens der mit Fragebögen (n=13) und Interviews (n=14) befragten Ärzten/Ärztinnen und Pflegekräften war insbesondere während der Implementierungsphase ein erheblicher Mehraufwand zu verzeichnen.

Diskussion: In den JVA stellen allgemeinmedizinische und psychiatrische Videokonsultationen eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden medizinischen Versorgung dar. Pflegekräfte finden sich in einer neuen Rolle als „Vermittler“ wieder. Eine breite Implementierung der neuen Versorgungsform erfordert daher die frühe Einbindung von Pflegekräften in den Prozess.

Take Home Message für die Praxis: Die Versorgungsform wird aus der Perspektive von Pflegekräften, Videoärzten/Videoärztinnen und Patienten/Patientinnen in den JVA überwiegend positiv bewertet. Videokonsultationen sind in JVA unter Berücksichtigung der spezifischen personellen und strukturellen Voraussetzungen der JVA implementierbar.