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51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

21.09. - 23.09.2017, Düsseldorf

Interaktionelle Gestaltung von Gesundheitszielen in der hausärztlichen Praxis – Prozessanalysen zur Konzeptumsetzung des Bilanzierungsdialogs (BD) in der Interventionsstudie BILANZ

Meeting Abstract

  • O. Bahrs - Georg-August-Universität Göttingen, Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Göttingen, Deutschland; Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • S. Heim - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Göttingen, Deutschland; Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • F. Löwenstein - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Göttingen, Deutschland
  • K.-H. Henze - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Göttingen, Deutschland

51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam261

doi: 10.3205/17degam261, urn:nbn:de:0183-17degam2612

Published: September 5, 2017

© 2017 Bahrs et al.
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Text

Hintergrund: Das BILANZ-Projekt nahm an, dass eine gezielte Ausweitung des ärztlichen Gesprächs Interaktions-, Behandlungs- und Krankheitsverläufe positiv beeinflusst und dies durch die im Projektrahmen erfolgte Intensiv-Fortbildung unterstützt wird. Damit interessierte, wie Zielerreichung als quantitativ gemessener Effekt der Intervention interaktionell zustande kam.

Fragestellung: Wie setzten die Ärzte die Fortbildungsinhalte in die Alltagspraxis um? Gibt es systematische Unterschiede in der Gesprächsgestaltung? Ermöglichen Bilanzierungsdialoge, Behandlungsverläufe zu reflektieren, Ressourcen aufzugreifen und gemeinsame Ziele zu entwickeln? Wie korrespondieren Interaktionsgestaltung und Zielerreichung?

Methoden: Im Rahmen der Gesamtstudie wurden in 14 Praxen auf freiwilliger Basis insgesamt 125 Gespräche videografiert und (teil-)standardisiert (RLI) bzw. textanalytisch ausgewertet. Die Verlaufsanalyse stützt sich auf 20 dokumentierte Serien von t1-t4 Gesprächen aus 9 Praxen.

Ergebnisse: BD werden fallspezifisch umgesetzt. Der Einfluss der Ärzte ist ausgeprägter, gender und Qualifikation resp. Erfahrung spielen eine Rolle. Komplexe resp. weniger komplexe Gesprächsmuster sind unterscheidbar, die mit weiter/enger gefassten Gesundheits-/Krankheitskonzepten korrespondieren. Komplexere Gespräche sind Ausdruck größerer Rollenflexibilität und führen häufiger zur Zielerreichung. Gesundheitsziele verweisen auf Entwicklungsaufgaben.

Diskussion: Komplexe Versorgungsprobleme erfordern komplexe, kontext- und individuenbezogene Interventionen. BD begünstigen vertiefte Arzt-Patienten-Beziehungen, höheres kontextbezogenes Verstehen und erlauben personbezogene Gesamtdiagnosen. BD können bei der gemeinsamen Entwicklung von Gesundheits- und Behandlungszielen im Rahmen von DMPs ihren Platz in der Regelversorgung finden und eignen sich bei Patienten mit vielfältigen Problemen und stagnierenden Behandlungssituationen. Das veränderte Setting ist für Patient und Arzt begründungsbedürftig und geht mit Ängsten vor der Veränderung von Alltagsroutinen und Rollenunsicherheit einher. Der Neuaushandlung des Interaktionsrahmens (framing) zu Beginn und am Ende der sozialen Situation „Bilanzierungsdialog“ kommt eine zentrale Bedeutung zu.