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51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

21.09. - 23.09.2017, Düsseldorf

Strategien der ärztlichen Entscheidungsfindung – Hausarztpraxis vs. Notaufnahme

Meeting Abstract

  • J. Abushi - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Marburg, Deutschland
  • S. Bösner - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Marburg, Deutschland
  • M.A. Feufel - Technische Universität Berlin, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft, Marchstraße 23, 10587 Berlin, Deutschland
  • N. Donner-Banzhoff - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Marburg, Deutschland

51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam212

doi: 10.3205/17degam212, urn:nbn:de:0183-17degam2125

Published: September 5, 2017

© 2017 Abushi et al.
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Text

Hintergrund: Medizinische Forschung beurteilt den diagnostischen Prozess oft mit quantitativen Methoden. Obwohl ärztliche Entscheidungsfindung und deren zugrundeliegende Mechanismen bereits Gegenstand von Studien der psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung waren, finden sich wenige Untersuchungen welche statt artifiziellen Bedingungen die der echten Arbeitswelt voraussetzen. Allgemeinmediziner und klinische Notfallmediziner sind am Eingang des Gesundheitssystems platziert, zu Generalisten ausgebildet, jedoch mit unterschiedlichen Ressourcen ausgestattet.

Fragestellung: Die Herangehensweise beider Gruppen an medizinische Probleme soll verglichen werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede betreffend Anamnese, genutzter Tests und Bindung zu Patienten sollen in den Kontext des jeweiligen Selbstbildes und Settings gestellt werden.

Methoden: 12 deutsche Allgemeinmediziner wurden während 282 Konsultationen gefilmt, welche 134 diagnostische Episoden enthielten. Konsultationen, sowie nachfolgende halb-standardisierte Interviews mit den Ärzten wurden mithilfe der Software MAXQDA für qualitative Datenanalyse nach Methoden der qualitativen Sozialforschung analysiert. Zum Vergleich wurden 16 Notfallmediziner herangezogen, welche während 171 Konsultationen in zwei US-amerikanischen Notaufnahmen observiert wurden.

Ergebnisse: Notfallmediziner erwogen häufiger schwere Erkrankungen, und ordneten diagnostische Tests auch bei niedrig empfundener Prätestwahrscheinlichkeit an. Sie nutzten seltener aktives Zuhören, ihr Anamnesestil war direktiver mit Anhäufungen von geschlossenen Routinefragen. Im Setting Allgemeinarztpraxis versuchten Patienten den diagnostischen Prozess häufiger aktiv zu beeinflussen. Notfallmediziner betrachteten sich scheinbar mehr als Verteiler und Absicherer der Patienten, vergleichsweise weniger als Diagnostiker oder Heile per se.

Diskussion: Vergleiche sind durch kulturelle, soziale und methodische Faktoren beeinträchtigt. Beide Gruppen von Ärzten scheinen an die besonderen Anforderungen ihrer Arbeitsumgebung angepasst zu sein. Sie unterscheiden sich in Wahrnehmung ihrer Rolle, Anamnesestil und Nutzung von Ressourcen zur Informationsbeschaffung für den diagnostischen Prozess.