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51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

21.09. - 23.09.2017, Düsseldorf

Spannungsfelder ärztlichen Handelns bei der Attestierung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Beschwerden – eine qualitative Studie

Meeting Abstract

  • S. Matt-Windel - Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • M. Herrmann - Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland; Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • B. Gaertner - Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • M. Wöpking - Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • B.-P. Robra - Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin/ Gesundheitsökonomie, Magdeburg, Deutschland
  • A. Spura - Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin/ Gesundheitsökonomie, Magdeburg, Deutschland
  • L. Junk - Otto-von-Guericke Unversität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland

51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam210

doi: 10.3205/17degam210, urn:nbn:de:0183-17degam2101

Published: September 5, 2017

© 2017 Matt-Windel et al.
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Text

Hintergrund: Psychische Beschwerden zählen zu den häufigsten Anlässen für eine Attestierung von Arbeitsunfähigkeit. Die Betreuung dieser PatientInnen in der hausärztlichen Praxis erfordert viel Zeit, Verläufe sind oft langwierig und frustrierend.

Fragestellung: Wie entscheiden und handeln Hausärzte, die einerseits dem Einzelfall, andererseits diversen Systembezügen gegenüber verpflichtet sind, wenn sie bei Patienten mit psychischen Beschwerden Arbeitsunfähigkeit attestieren?

Methoden: Qualitatives, exploratives Forschungsdesign. Sample: 28 FachärztInnen (ländlich/städtisch) und 10 Ärztinnen in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Sachsen-Anhalt. Erhebung: Halbstrukturierte fokussierte Interviews. Auswertung: Grounded Theory, inhaltlich strukturierende/explikative qualitative Inhaltsanalyse.

Ergebnisse: Die Hausärzte beschrieben die Komplexität des Phänomens Arbeitsunfähigkeit bei psychischen Beschwerden in vier Dimensionen auf drei Ebenen:

  • Mikroebene:
    I Hausarzt: subjektives Professionsverständnis, Entscheiden und Handeln.
    II Patient: Anliegen, sozialer, ökonomischer Kontext, Arbeitstätigkeit
  • Mesoebene: III Systembezug: KK/MDK, Arbeitsplatzbedingungen, Bedarf, Professionalität
  • Makroebene: IV Systembezug: Soziale Sicherung / Medizinsystem, Arbeitsmarkt, Gesellschaft

Spannungsfelder ärztlichen Handelns ergeben sich auf allen drei Ebenen in Hinsicht auf die Selbstreflexion im Umgang mit professionellen Paradoxien, die Arzt-Patient-Beziehung, den Bedarf an Versorgung und das ärztliche Professionsverständnis.

Diskussion: Für professionelles Handeln in der Allgemeinmedizin in Aus-, Weiter- und Fortbildung bedarf es der Auseinandersetzung mit dem professionellen Selbstbild. Dazu gehört die professionelle Selbstreflexion ebenso wie ein Bewusstsein dafür, Mitspieler im System sozialer Sicherung und ärztlicher Selbstverwaltung zu sein. Das Projekt betont die besonderen Rollen und Funktionen des Hausarztes als Generalisten, die es in der Ausgestaltung von Professionsentwicklung und Versorgung zukünftig stärker zu berücksichtigen gilt. Es besteht die Notwendigkeit, die Attestierung von AU in Leitlinien zu psychischen Beschwerden einzubeziehen.