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50. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

29.09. - 01.10.2016, Frankfurt am Main

Ganz sicher ist man sich nie – Unterschiede zwischen hausärztlichen Hoch- und Niedrigverordnern von Antibiotika bei Atemwegsinfektion. Eine Analyse von Routinedaten der KV-Bayern

Meeting Abstract

  • S. Schaffer - Universitätsklinikum Erlangen Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen
  • R. Gerlach - Kassenärztliche Vereinigung Bayern, München
  • M. Tauscher - Kassenärztliche Vereinigung Bayern, München
  • M. Roos - Universitätsklinikum Erlangen Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen
  • A. Schedlbauer - Universitätsklinikum Erlangen Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen
  • T. Kühlein - Universitätsklinikum Erlangen Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen

50. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Frankfurt am Main, 29.09.-01.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16degam136

doi: 10.3205/16degam136, urn:nbn:de:0183-16degam1367

Published: September 19, 2016

© 2016 Schaffer et al.
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Hintergrund: Bei Atemwegsinfekten werden zu oft Antibiotika verschrieben. Gleichzeitig sind Atemwegsinfekte ein Bereich diagnostischer Unsicherheit. Ob ein viraler oder bakterieller Infekt vorliegt, lässt sich nie ganz sicher sagen. Ärzte zeigen unterschiedliche Verordnungsraten von Antibiotika. Es gibt Hinweise, dass Hochverordner auch häufiger Atemwegserkrankungen diagnostizieren, die eine bakterielle Infektion vermuten lassen. Zudem zeigt sich, dass Ärzte, die generell viele Medikamente verschreiben, auch bei Antibiotika unter den Hochverordnern sind. Variablen wie Alter, Geschlecht und Scheinzahl werden als weitere Einflussgrößen diskutiert. Patientenseitig können individuelle Variablen wie Alter und Komorbidität einen durchaus rationalen Grund darstellen, trotz geringer Wahrscheinlichkeit für einen bakteriellen Infekt, Antibiotika zu verschreiben.

Fragestellung: Wählen Hochverordner häufiger diagnostische Kategorien, die diese Verordnungen, und sei es auch nur scheinbar, begründen? Verschreiben Hochverordner mehr Breitspektrum-Antibiotika? Unterscheiden sich Hoch- und Niedrigverordner anhand soziodemografischer oder geografischer Faktoren voneinander?

Methoden: Multivariate Analyse von Abrechnungsdaten der KV Bayern (2011/12, acht Abrechnungsquartale). Einschlusskriterien: Patienten älter als 18 Jahre mit Infektionen der Atemwege, die eine Hausarztpraxis aufsuchten.

Ergebnisse: Hochverordner verschreiben etwa 5-mal häufiger Antibiotika. Sie diagnostizieren häufiger Atemwegsinfekte, die eine bakterielle Genese vermuten lassen. Hochverordner betreuen zudem häufiger ältere Patienten und Patienten mit Begleiterkrankungen.

Diskussion: Die fälschliche Annahme bakterieller Beteiligung, sowie die unvermeidliche diagnostische Unsicherheit, verbunden mit variabler Unsicherheitstoleranz auf Seiten von Arzt und Patient dürften erhebliche Rollen bei der Verordnungsentscheidung spielen. Die Anerkennung einer hohen Komplexität der Verordnungssituation, das Wissen um Unterschiede im Diagnose-Therapie-Muster zwischen Hoch- und Niedrigverordnern und eine vertiefte Kenntnis individueller Faktoren könnten es ermöglichen, in einem zweiten Schritt mit neuen Interventionen der Überverordnung von Antibiotika zu begegnen.