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49. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

17. - 19.09.2015, Bozen, Italien

Strategien niedergelassener Hausärztinnen und Hausärzte bei der Reduktion von Polypharmazie bei alten, multimorbiden Patienten

Meeting Abstract

  • S. Dresse - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • M. Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • H. Kaduszkiewicz - Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Allgemeinmedizin, Kiel, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 49. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Bozen, 17.-19.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15degam006

doi: 10.3205/15degam006, urn:nbn:de:0183-15degam0069

Published: August 26, 2015

© 2015 Dresse et al.
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Hintergrund: Leitlinien üben auf Ärzte Druck in Richtung Polypharmazie aus. Gleichzeitig gehören Revision und Reduktion der Medikation zum hausärztlichen Alltag. Wissenschaftlich wurden das genaue Vorgehen der Ärzte und die Schwerpunkte, die sie bei Revision und Reduktion setzen, noch nicht untersucht.

Studienfrage: Welche Strategien setzen Hausärztinnen und -ärzte bei der Revision und Reduktion von Polypharmazie bei alten, multimorbiden Patienten ein?

Methoden: Es wurden 13 qualitative Interviews mit praktizierenden Hausärztinnen und -ärzten geführt. Durchschnittsalter: 54 Jahre, ca. 900 Scheine/Quartal, ca. 43% Patienten über 65 Jahre. Die Interviews wurden aufgezeichnet, vollständig transkribiert und mit Hilfe von MaxQDA11 induktiv codiert.

Ergebnisse: Die Anlässe zur Revision von Medikamentenlisten sind vielfältig und unterschiedlich stark in Praxisroutinen verankert. Leitlinien und evidenzbasierte Entscheidungshilfen zur Reduktion wurden für die Gruppe der älteren, multimorbiden Patienten als wenig hilfreich kritisiert. Die Ärzte verlassen sich bei der Reduktion von Medikamenten stark auf ihr pharmakologisches Wissen und ihre Erfahrungen. Im Fokus der Ärzte sind neue Medikamente, Psychopharmaka, Medikamente mit potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen sowie präventive Medikamente. Die Präferenzen der Patienten beeinflussen die Medikation stark. Beim praktischen Vorgehen zeigen die Ärzte ein breites Repertoire: Absetzen, Ausschleichen, Ändern, Abwarten, in eine Bedarfsverordnung umwandeln etc. Der Medikamentenplan ist ein zentrales Arbeitsinstrument.

Diskussion: Im Hinblick auf eine Reduktion der Polypharmazie und Verbesserung der Medikationsqualität zeigen sich mehrere Entwicklungsansätze:

1.
Bessere strukturelle Verankerung von Medikamentenrevisionen im Praxisalltag,
2.
Verbesserung der wissenschaftlichen Evidenz für Medikationsentscheidungen bei älteren, multimorbiden Patienten sowie
3.
Unterstützung des Arzt-Patient-Gespräches über Medikation durch Gesprächstechniken und adäquate Honorierung.