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38. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2020)

15.01. - 18.01.2020, Zell am See, Österreich

Das Toxic Shock Syndrom am Fallbeispiel eines 2-jährigen Mädchens – eine interdisziplinäre Herausforderung

Meeting Abstract

  • M. Hüging - Klinik für Kinderchirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • G. Koulaxouzidis - Klinik für Kinderchirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • A. Wendt - Klinik für Kinderchirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • K. Rothe - Klinik für Kinderchirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 38. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2020). Zell am See, Österreich, 15.-18.01.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc10.04

doi: 10.3205/20dav073, urn:nbn:de:0183-20dav0733

Published: January 13, 2020

© 2020 Hüging et al.
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Text

Einleitung: Das TSS ist eine seltene, Exotoxin-vermittelte Erkrankung, die potentiell lebensbedrohlich verläuft. Häufigste Ursache ist eine Wundbesiedlung mit Exotoxin-1-bildenden Stämmen (TSS-1) von Staphylococcus aureus. Seltener ist das durch Exotoxin-bildende Stämme von Streptococcus pyogenes verursachte Toxic-Shock-Like-Syndrome oder Streptococcal-Toxic-Shock-Syndrome (STSS). Die Exotoxine sowohl der Staphylokokken als auch der Streptokokken wirken als Antigene und können binnen weniger Stunden einen lebensbedrohlichen Schockzustand auslösen. Die Behandlung betroffener Patienten stellt eine interdisziplinäre Herausforderung dar, was anhand dieses Fallbeispiels demonstriert wird.

Material und Methoden: Fallvorstellung einer 2-jährigen Patientin, welche am 5. Tag nach Latz-Verbrühung von 5% KOF mit dem Vollbild eines Toxic Shock Syndroms aufgenommen wurde. Die Akuttherapie des Herz-Kreislaufversagens erforderte u.a. Intubation und Beatmung, massive Volumensubstitution, hochdosiert Katecholamine, Antibiotika und die Gabe von Immunglobulinen. Initial und auch im Verlauf entwickelte sich eine Rhabdomyolyse sowie ausgedehnte Perfusionsstörungen an beiden Händen und Füßen. Trotz Therapie mit Protein C, ATIII/ Heparin und lokaler Wärme, forcierte Diurese mit Furosemid 10mg/kg/d und Spülung mit 3l/qm KOF Entwicklung ausgedehnter Nekrosen aller Finger sowie beider Füße. Nach Demarkation zunächst Abtragung und Deckung der nekrotischen Finger. Im Verlauf Amputation der Füße bds. unter Erhalt der Sprunggelenke sowie Teilen von Calcaneus und Talus. Nach konsekutiver Konditionierung der Wundverhältnisse erfolgte die Rekonstrution der Stümpfe mit ALT-Lappenplastiken (anterolateral-thigh flap).

Ergebnisse: Die Patientin ist zurzeit in der Rehabilitationsphase und neurologisch unauffällig. Mit ihren verbliebenen Fingerstümpfen ist sie sehr geschickt und komplett selbstständig. Die Fußstümpfe sind nach Deckung mit ALT-Lappenplastiken belastbar, Fußprothesen sind in der Anpassung. Aufgrund des geringen Alters der Patientin besteht eine exzellente Adaptationsfähigkeit an die jetzigen Gegebenheiten, so dass auch das Laufen relativ problemlos wieder erlernt wurde. Durch die beidseitigen ALT-Lappenplastiken an den Füßen konnte der Erhalt der Sprunggelenke gewährleistet werden und es besteht die Chance auf ein reguläres Längenwachstum der unteren Extremität.

Schlussfolgerung: Vor allem Kleinkinder mit kleinflächigen Verbrühungen und Verbrennungen sind gefährdet, in den ersten Tagen nach Unfall an einem TSS zu erkranken. Da gerade diese Patienten häufig ambulant betreut werden, ist neben der Aufklärung der Eltern die Sensibilisierung aller an der Behandlung brandverletzter Kinder beteiligten Therapeuten und Pflegenden essentiell. Die ersten Symptome sind unspezifisch und denen vieler „harmloser“ Kinderkrankheiten ähnlich: Fieber, Erbrechen, Durchfall, Exanthem und eine zunehmende Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Sobald es zu derartigen Symptomen kommt, sollte umgehend eine Vorstellung in der Klinik erfolgen, da es zu spät erkannt oder unbehandelt binnen weniger Stunden zu einem ausgeprägten Schockzustand bis hin zum Tod des Patienten kommen kann. Unser Fallbeispiel verdeutlicht die medizinischen und ethischen Herausforderungen in der Behandlung dieser Kinder, die nur im interdisziplinären Team aus Intensivmedizinern, Pflegenden, Kinderchirurgen, Plastischen Chirurgen, Psychologen, Physio-/Ergotherapeuten und Orthopädietechnikern so erfolgreich verlaufen kann.