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38. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2020)

15.01. - 18.01.2020, Zell am See, Österreich

Explosive Therapie – wenn Sauerstoffinsufflation zur Gefahr wird

Meeting Abstract

  • C. Freystätter - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie/Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Austria
  • A. Fochtmann-Frana - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie/Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Austria
  • G. Ihra - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie/Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Austria
  • T. Rath - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie/Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Austria
  • C. Radtke - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie/Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Austria

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 38. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2020). Zell am See, Österreich, 15.-18.01.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc7.05

doi: 10.3205/20dav046, urn:nbn:de:0183-20dav0463

Published: January 13, 2020

© 2020 Freystätter et al.
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Hintergrund: In Europa sind täglich geschätzt 32-48/100.000 EinwohnerInnen auf eine kontinuierliche Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) aufgrund pulmonaler Erkrankung oder chronischer Hypoxie angewiesen. Jene Therapie, die betroffenen PatientInnen eine Linderung der Beschwerden und somit eine Steigerung der Lebensqualität bieten soll, birgt aber auch Gefahren in sich. Sauerstoff (O2) alleine ist nicht brennbar, aber eine erhöhte O2-Konzentration in der Luft führt zu einer schnelleren Verbrennung und früheren Entzündung von brennbaren Substanzen. Unter laufender LTOT können somit alltägliche Situationen, in denen sich die/der PatientIn beispielsweise in der Nähe eines offenen Feuers oder einem Funken befindet, rasch zu Verbrennung durch Verpuffung oder spontaner Entzündung führen, im schlimmsten Fall mit letalem Ausgang.

Methodik: Es wurde eine retrospektive Datenanalyse mit Fallsammlung, der über die Abteilung für Plastische und Rekonstuktive Chirurgie mit Zentrum für Schwerbrandverletzte am AKH-Wien behandelten PatientInnen mit Verbrennungen aufgrund von Zwischenfällen unter laufender LTOT durchgeführt. Hierfür wurden die PatientInnenakten der Zeitspanne 01/2011 bis 12/2018 ausgewertet. Ziel war es die Prävalenz, Unfallhergang, demographische Merkmale und Nebendiagnosen aber auch therapeutische Maßnahmen und Mortalität dieses PatientInnenkollektives genau zu beleuchten und zu beschreiben.

Resultate: Im untersuchten Zeitraum standen 16 PatientInnen (37% weiblich) an der Klinik in Behandlung, ein Patient erlitt im Abstand von 10 Monaten eine erneute Verbrennung unter LTOT. Das mediane Alter lag bei 63 Jahren (Bereich (b): 34-83). 9 von 17 Fällen standen stationär in Behandlung, mit einer medianen Behandlungsdauer von 4 Tagen (b:2-37). 56% (5/9) der stationären PatientInnen benötigten eine intensivmedizinische Therapie für median 11 Tage (b: 4-37). Der mediane TBSA lag bei 2% (b: 0,5-30) und der ABSI bei 9 (b:6-12). 24% (4/17) der Fälle wiesen 3°ige Verbrennungen auf und wurden zwischen 1x und 3x operiert, nur ein Patient hatte ein Inhalationstrauma erlitten. In 100% der Fälle lag eine Verbrennung des Gesichtes, bei 3 Fällen lag zusätzlich eine Beteiligung des Thorax vor. Eine Beteiligung von Abdomen oder Beinen wurde jeweils 1x beobachtet. 30% (5/17) der Unfälle geschahen während eines stationären Aufenthalts der PatientenInnen in einem Spital. 13 der 17 (76%) Unfälle wurden durch Rauchen einer Zigarette, 2 Verbrennungen durch handwerkliches Arbeiten und eine Verbrennung durch offenes Feuer (Kerze) unter laufender O2-Innsufflation verursacht. Die Mortalität lag bei 19% (3/16).

Diskussion: Der hohe Anteil an Verbrennungen unter laufender LTOT in Kombination mit dem Rauchen als Unfallursache kann einerseits durch den Umstand erklärt werden, dass PatientInnen dem Verlangen nach Nikotin trotz ausgeprägter Lungenerkrankung (COPD IV) nicht widerstehen können. Andererseits zeigte eine Untersuchung, dass Gesichtspflegeprodukte mit brennbaren Substanzen oder das Tragen eines Bartes das Verbrennungsrisiko unter LTOT wesentlich erhöhen. Der Arzt, der PatientInnen eine LTOT verordnet, soll somit angehalten werden, neben einer hinreichenden Aufklärung bezüglich der potentiellen Verbrennungsgefahr, auch die Vermeidung von übermäßiger Gesichtsbehaarung und brennbaren Pflegeprodukten zu empfehlen. Diese Maßnahmen könnten zu einer deutlichen Reduktion derartiger Verbrennungsunfälle beitragen.