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34. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2016)

13. - 16.01.2016, Berchtesgaden

Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen im Arzt-Patienten-Verhältnis unter Berücksichtigung des Problemfalls Suizid

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Matthias Rapp - Marienhospital Stuttgart, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Stuttgart, Deutschland
  • Katharina Junghardt - Marienhospital Stuttgart, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Stuttgart, Deutschland
  • Ulrich C. Liener - Marienhospital Stuttgart, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Stuttgart, Deutschland

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 34. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2016). Berchtesgaden, Deutschland, 13.-16.01.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dav84

doi: 10.3205/16dav84, urn:nbn:de:0183-16dav844

Published: January 12, 2016

© 2016 Rapp et al.
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Einleitung: Jeder Heileingriff erfüllt zunächst nach Auffassung der ständigen Rechtsprechung den Tatbestand der Körperverletzung, ganz unabhängig vom Erfolg/Misserfolg oder der Kunstfertigkeit/Fehlerhaftigkeit der Maßnahme.

Die Rechtswidrigkeit des Heileingriffs als Körperverletzung entfällt nur dann, wenn sie durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt ist.

Material und Methode: Als Rechtfertigungsgründe für einen Heileingriff gelten die ausdrückliche Einwilligung des Patienten, die mutmaßliche Einwilligung des Patienten und der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB. Darüber hinaus muss die besondere Garantenstellung des behandelnden Arztes beachtet werden.

Ergebnisse: Die Rechtfertigung einer medizinischen Behandlung stellen im Arzt-Patienten-Verhältnis vor allem in einer Notfallsituation und bei einem Suizidversuch eines Patienten besondere Problemfälle dar. Auch in der Notfallmedizin gilt dabei der Grundsatz, dass erst nach Aufklärung und Einwilligung des Patienten behandelt werden darf. Dabei obliegt die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit dem Notarzt. Für die Durchführung einer Therapie ist auch hier zunächst der tatsächliche Wille des Notfallpatienten, nachrangig der mutmaßliche Wille bei bewusstlosen Patienten maßgeblich. Der Notfallmediziner ist verpflichtet, Erkundigungen über die Existenz einer Patientenverfügung anzustellen.

Ein Suizid stellt den behandelnden Arzt vor ein besonderes Dilemma. In Deutschland ist die freiverantwortliche und eigenhändige Selbsttötung straffrei. Mangels rechtswidriger Haupttat ist damit auch die Beihilfe zur Selbsttötung straffrei („limitierte Akzessorietät“). Dies gilt sowohl für den Arzt als auch für jeden anderen potentiell Hilfeleistenden. Der behandelnde Arzt muss jedoch die „Freiverantwortlichkeit“ des Suizidenten klären, ob es sich um einen „nüchternen Bilanzsuizid“ oder um eine Reaktion auf eine psychische Ausnahmesituation handelt.

Trotz der straffreien Beihilfe zur Selbsttötung können den Arzt jedoch andere Rechtspflichtsverletzungen treffen: Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB), Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Berufspflichtverletzungen (in § 16 MBO [Medizinische Berufsordnung] wurde 2011 ausdrücklich das Verbot der ärztlichen Beihilfe zum Suizid aufgenommen).

Schlussfolgerung: Die bisherige Rechtsprechung des BGH auf der Grundlage der Tatherrschaftslehre, d.h. dem Übergang des Tatgeschehens bei Bewusstlosigkeit des Suizidenten auf den anwesenden Arzt und damit die Herbeiführung einer Eingriffs- und Rettungspflicht aus Garantenstellung, kollidiert mit den neuesten Regelungen zur Patientenverfügung und des damit verbundenen Stellenwertes des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten.