Article
Niedrigenergietrauma und multiple Frakturen: Traumatologische Komplexität bei einem lungentransplantierten Patienten mit osteoporotischer Knochentextur
Search Medline for
Authors
Published: | June 17, 2024 |
---|
Outline
Text
Fragestellung: Patienten mit einem Zustand nach Lungentransplantation entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer immunsuppressiven Dauermedikation eine Osteopathie mit deutlich erniedrigtem Knochenmineralgehalt und Rarefizierung der Knochenstruktur sowie einem konsekutiv erhöhten Frakturrisiko, ähnlich dem von geriatrischen Patienten. Wir berichten über einen immunsupprimierten Patienten mit multiplen Frakturen nach einem Sturz aus 1 m Höhe.
Methodik: Bei dem 48-jähriger Mann fanden sich nach der Erstversorgung im Schockraum in der konventionellen Bildgebung und CT-Untersuchung jeweils links eine supra-intrakondyläre Mehrfragmentfraktur des Os femoris, eine subcapitale dislozierte Humerusfraktur, eine Radiusfraktur in Höhe des Colum radii und eine Maisonneuve-Fraktur.
Anamnestisch war aufgrund einer mehrjährigen Cortisoneinnahme eine manifeste Osteoporose mit abgelaufen Rippen- und Wirbelkörperfrakturen bei einem T-Score von –5 in der DEXA-Messung der LWS bekannt. Daraufhin erfolgte eine leitliniengerechte spezifische Therapie mit Vitamin D, Calcium und Denosumab (Prolia 60®). Im weiteren Verlauf, 18 Monate vor dem Unfall, erfolgte eine Lungentransplantation wegen chronischer thrombembolischer pulmonaler Hypertonie im Endstadium. Nach weiteren sechs Monaten entwickelte sich eine Femurkopfnekrose beidseits sowie aktive Aortitis.
Ergebnisse: Bei der osteosynthetischen Versorgung über einen offenen Zugang des Kniegelenkes imponierte eine ins Gelenk ausstrahlende multifragmentäre Femurfraktur mit einer knöchernen Avulsion des lateralen Kollateralbandes und der posterolateralen Insertion des vorderen Kreuzbandes. Nach Reposition der Frakturfragmente und Fixierung mittels K-Drähten wurden medial eine LCP-6-Loch-Platte sowie lateral eine 7-Loch-LISS-Platte positioniert und mit multiplen Schrauben verankert. Der knöcherne Ausriss des vorderen Kreuzbandes wurde mit einer 3,5 mm SharkScrew®, die des lateralen Seitenbandes mit zwei FibreWire-Loops® fixiert. Bei der Maisonneuve-Fraktur wurde die Fibula in die Incisura fibularis tibiae geschlossen reponiert sowie mit einer temporären Stellschraube fixiert. Ein knöchernes Fragment des Malleolus medialis mit Volkmann’schem Dreieck wurde mit zwei Zuschrauben stufenlos adaptiert. Mit einer 3-Loch-LCP-Platte für den Oberarmknochen und einer 8-Loch-T-Platte für den Radialkopf konnte eine ausreichende Reposition und weitgehend achsengerechte Stellung erreicht werden.
Die antiresorptive Medikation wurde auf die osteoanabole Substanz Teriparatid (Forsteo®) umgestellt.
Schlussfolgerung: In der Akutsituation mit Frakturen der oberen und unteren Extremität hat zunächst die osteosynthetische Versorgung mit guter Rekonstruktion der Frakturfragmente und Schaffung einer Primärstabilität erste Priorität, welches bei ausgeprägter osteopener Knochentextur sehr anspruchsvoll ist. Aufgrund der zusätzlich vorhandenen manifesten Osteoporose und zur beschleunigten Frakturheilung sollte eine osteoanabole Medikation gewählt werden.