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Begrenzung des Lebens- und Bewegungsradius in der stationären Versorgung von Menschen mit Demenz – eine empirisch informierte ethische Exploration von institutionellen Praktiken und moralischen Perspektiven
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Published: | June 17, 2024 |
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Fragestellung: Viele Demenzerkrankungen gehen mit Verwirrung, verstärktem Bewegungsdrang und räumlicher Desorientierung einher. Um damit verbundene Risiken zu vermeiden, wird der Lebens- und Bewegungsradius von Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen häufig eingeschränkt. Solche bewegungsregulierenden Maßnahmen sind jedoch umstritten, da sie die Grundrechte Betroffener einschränken und die Lebensqualität beeinträchtigen können. Aus diesem Grund wird verstärkt nach alternativen Strategien gesucht. Allerdings gibt es bisher wenig Forschung zur aktuellen Praxis und der moralischen Bewertung durch Stakeholder. Vor diesem Hintergrund gehen wir der Frage nach, inwieweit bewegungsregulierende Maßnahmen in stationären Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Demenz zum Einsatz kommen und in welchem Maß sie durch professionelle Stakeholder moralisch problematisiert werden.
Methodik: Zur Erfassung der Praxis wurden teilnehmende Beobachtungen in Altenpflegeeinrichtungen mit einem Demenzschwerpunkt durchgeführt. Der Fokus lag auf bewegungsregulierenden Maßnahmen und Interventionen. Ergänzend wurden semi-strukturierte Interviews und Fokusgruppen mit Mitarbeitenden durchgeführt. Abschließend fand ein Vergleich der Einrichtungen im Hinblick auf implementierte Maßnahmen und moralische Perspektiven statt.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen ein breites Spektrum an implementierten bewegungsregulierenden Maßnahmen und moralischen Perspektiven, die sich zwischen Sicherheit und Wohlergehen der Betroffenen einerseits und ihrem Recht auf Selbstbestimmung und Bewegungsfreiheit andererseits bewegen. Die ethische Typologisierung der unterschiedlichen Herangehensweisen verdeutlicht, dass Alternativen zur Begrenzung des Lebens- und Bewegungsradius verbreitet sind, aber Uneinigkeit über die Notwendigkeit und Angemessenheit der fraglichen Maßnahmen herrscht. Der freiheitsentziehende Charakter der Maßnahmen wird zudem meist nur partiell erkannt. Die Kategorisierung der Maßnahmen zeigt erste ethische Bewertungskriterien auf.