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Nosokomiale Bakteriurie: ist eine Neubeurteilung des Risikos der Behandlung geriatrischer Patienten mit proximaler Femurfrakturen notwendig?
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Published: | June 24, 2022 |
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Fragestellung: Bakteriurien (BU), die bei Patienten (Pat.) mit proximalen Femurfrakturen (PFF) periop. auftreten, werden eine vielschichtige Bedeutung beigemessen. Die Inzidenz wird zwischen 1,9% und 61% angegeben, oftmals basierend auf einer einmaligen peri-/postop. Urinanalyse. Die wenigen Studien, welche die Inzidenz der nosokomialen BU anhand einer Verlaufskontrolle (‚diagnostisches Paar“: Urinanalyse direkt bei stationärer Aufnahme und vor Entlassung) bestimmen, haben eine geringe Fallzahl.
Ziele der vorliegenden Untersuchung waren:
- Verlaufsbeschreibung der präop. diagnostizierten BU nach angepasster periop. antibiotischer Infektionsprophylaxe
- Feststellung der Inzidenz der postop. BU bei den Pat., die präop. keine Urinkeimbesiedlung aufwiesen
Methodik: Zwischen 09/2017 und 12/2021 wurden monozentrisch alle operierten 985 Pat. mit einer PFF (ICD 10 Code: S72.0 - S72.3) und einem Mindestalter von 65 Jahren prospektiv erfasst. Einschlusskriterien für die Auswertung waren eine Urinanalyse unmittelbar nach Aufnahme und vor Entlassung der Pat. Alle Pat. erhielten, unabhängig von der Urinanalyse, unmittelbar präop. eine einmalige intravenöse antibiotische Infektionsprophylaxe (1,5 g Cefuroxim). Bei präop. Keimnachweis im Urinsediment wurde eine zusätzliche antibiotische Behandlung mit Ciprofloxacin (2x tgl.) über 5 Tage bereits bei stationärer Aufnahme begonnen, deren resistenzgerechte Anpassung nach Erhalt der Urinkultur erfolgte.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Da 79 Pat. ausgeschlossen wurden (Anurie präop.: N=3; Tod vor Entlassung: N=37; fehlende Urinuntersuchung: N=39) standen für die Auswertung 906 Pat. zur Verfügung (w/m =666/240; Ø-Alter 83,1 Jahre; ICD 10 codes: S72.0 (N=425); S72.1-3 (N=481). Bei 284 Pat. (Ø-Alter 85,05 Jahre) wurde bei Aufnahme eine BU festgestellt (31,35%), darunter 15-mal eine Kultur mit Multiresistenten Erregern (MRE) (5,28%). Vor Entlassung waren davon 252 Pat. ohne Urinkeimnachweis, darunter 13 von 15 Pat. mit einem MRE. Bei den 2 Pat., die auch postop. einen MRE im Urin aufwiesen, hatte sich das Keimspektrum nicht verändert.
Bei 622 Pat. (Ø-Alter 82,13 Jahre) konnten präop. keine Urinkeime nachgewiesen werden (68,65%). Im weiteren Verlauf zeigte sich dann bei 146 Pat. eine Keim-positive Urinkultur, wovon 27 Pat. (18,49 %) einen MRE trugen. Bezogen auf das ausgewertete Gesamtkollektiv (N=906) betrug damit die Rate an nosokomialer BU 16,1%.
Schlussfolgerungen: Aufgrund der Differenzierung der tatsächlichen nosokomialen BU und der ambulant erworbenen (mitgebrachten) BU stellt sich die Frage nach der Validität der bisher publizierten Risiken der BU in Bezug auf die Behandlungsverläufe (z.B. verlängerter stationärer Krankenhausaufenthalt, und schlechtere funktionelle Ergebnisse).
Zukünftige Untersuchungen müssen die Relevanz von ambulant erworbenen und nosokomialen BU auf die Behandlungsverläufe neu bewerten.