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GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics

Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA)

ISSN 2628-9083

Kontrollierte fachliche Qualifikation in der CI-Versorgung

Editoral

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  • corresponding author Sebastian Hoth - GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics, Schriftleitung, Heidelberg, Deutschland

GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2022;4:Doc03

doi: 10.3205/zaud000021, urn:nbn:de:0183-zaud0000215

Published: March 25, 2022

© 2022 Hoth.
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Editorial

Als sich in den späten 1970er Jahren die Aussicht abzeichnete, mit Hilfe von Cochlea-Implantaten (CI) bei tauben oder gehörlosen Menschen ein elektrisch induziertes Hören zu ermöglichen, da ließen die Ärztlichen Direktoren der HNO-Kliniken ihre Vorzimmerdame im Keller anrufen und nachfragen, ob dort vielleicht ein Physiker oder Ingenieur herumsitzt, der sich mit der Stimulation des achten Hirnnerven auskennt. Da es nicht zu den Ausstattungsmerkmalen von Physikern oder Ingenieuren gehört, vor neuen und anspruchsvollen Aufgaben zu kapitulieren, konnte an vielen Orten in kürzester Zeit mit dem CI-Projekt begonnen werden. Die bisherige Aufgabe der Physiker und Ingenieure bestand überwiegend in der Entwicklung und Anwendung der Elektrischen Reaktions-Audiometrie, die sich noch im experimentellen Stadium befand. Fachlicher Hintergrund der audiologisch tätigen Physiker und Ingenieure waren u.a. die Theoretische Physik, die Nukleare Festkörperphysik, in Einzelfällen auch Seismologie, und in vielen Fällen die elektronische Schaltungstechnik.

Diese Grundkenntnisse wurden durch die Teilnahme an Kongressen und Firmenfortbildungen, durch das Studium der Fachzeitschriften und durch individuelle Informationsreisen zu den einzelnen CI-Anwendern ausgebaut. Unter den Kollegen herrschte weitgehend eine kameradschaftliche und solidarische Atmosphäre, ohne Konkurrenzneid oder ehrgeizigen Wettstreit. Gegen Ende der 1980er Jahre bestand das Netz der erreichbaren CI-versorgenden Einrichtungen aus etwa einem halben Dutzend Knotenpunkten innerhalb Deutschlands und mit langen Wegen zwischen diesen Knoten. Die kontinuierliche berufliche Qualifikation – heute in vielen Fachbereichen fest etabliert – wurde schon damals intensiv praktiziert, weil es anders nicht gegangen wäre.

Als in den 1990er Jahren an mehreren Nah- und Fernuniversitäten sowie Ferienschulen die ersten spezifischen audiologischen Ausbildungsangebote entstanden, wurde der autodidaktische nichtmedizinische Audiologe erstens zum Auslaufmodell und zweitens zur Quelle für den Wissenserwerb der lernbegierigen jungen Kolleginnen und Kollegen. Deren Bildungslaufbahn glich in vielen Fällen einem bunten, aus akademischen Studien, Fachtagungen, Lehrgängen und Produkteinweisungen zusammengesetzten Mosaik. Das Niveau von Kenntnissen und Fertigkeiten wurde durch eine freiwillige Selbstkontrolle sichergestellt sowie durch das existentiell begründete Bestreben, das zu leisten, was zur Erfüllung der Aufgaben am Arbeitsplatz erforderlich war. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Bildungsstand und damit die Qualität der Versorgung alles andere als einheitlich war.

Vor einigen Jahren wurde im Fachausschuss „CI-Versorgung“ der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA) ein Arbeitskreis gebildet mit der Aufgabe, ein Curriculum für die Qualifikation von CI-Audiologinnen und CI-Audiologen auszuarbeiten und damit den kontinuierlich steigenden Fallzahlen und dem allgemeinen Streben nach Qualitätssicherung in der medizinischen Versorgung Rechnung zu tragen. Die daraus hervorgegangene Weiterbildungsordnung und der Themenkatalog sind über das Internetportal der DGA zugänglich und sie wurden in dieser Zeitschrift publiziert [1]. Bisher haben 39 Kolleginnen und Kollegen das Zertifikat erworben, darunter 29 unter Inanspruchnahme der bis April 2021 befristeten Übergangsregelung.

Breite und Tiefgang der von CI-Audiologinnen und CI-Audiologen nachzuweisenden Kenntnisse und Fertigkeiten sind auf die hohen Ansprüche an eine leitende verantwortliche Position im CI-Team der versorgenden Zentren zugeschnitten. Der CI-Audiologe ist auf Augenhöhe mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen vom ersten Beratungsgespräch über die audiologischen Eignungsuntersuchungen und die intraoperativen Messungen bis hin zur Nachsorge in alle Vorgänge der Versorgung eingebunden. Durch die Vorkenntnisse und kontinuierliche Fortbildung ist sie bzw. er in der Lage, aktuelle Indikationserweiterungen, neue technische Entwicklungen und aussichtsreiche Zukunftsperspektiven zu beurteilen und in die praktische Umsetzung einzuführen. In problematischen Einzelfällen findet der CI-Audiologe Lösungen, die über die von den CI-Herstellern bereitgestellten Instrumente hinausgehen.

Nun erfordern aber nicht alle mit der CI-Versorgung in Beziehung stehenden audiologischen Aufgaben das beschriebene hohe Kompetenzniveau des CI-Audiologen. Auf der exekutiven Ebene kommt es in erster Linie auf die fundierte Erfahrung und versierte Handhabung der vorwiegend audiologischen und insbesondere technischen Abläufe an, weniger auf die wissenschaftliche Qualifikation. Daher wurde mit Experten des Fachausschusses „CI-Versorgung“ ein zweiter Arbeitskreis gebildet mit dem Ziel, unter dem vorläufigen Arbeitstitel „CI-Anpasser“ ein entsprechendes Qualifikationsprofil auszuarbeiten. Dieses Projekt ist jetzt abgeschlossen, einschließlich der intensiven Diskussion rund um die Namensgebung. Sehr schnell erwies sich der Arbeitstitel als nicht haltbar, da die Aufgaben des audiologischen Mitarbeiters in der CI-Versorgung sehr viel mehr als nur die Anpassung der CI-Prozessoren beinhalten. Nach einer leidenschaftlichen Diskussion einigte sich die Expertengruppe auf den „Audiologischen CI-Assistenten“. Das Attribut „CI“ wurde beibehalten, weil damit die Beziehung zum CI-Audiologen erkennbar ist – obwohl, so wie auch beim CI-Audiologen, die Befähigung ausdrücklich alle aktiven Hörimplantate einbezieht.

Im günstigsten aller Fälle gehört in naher Zukunft zur personellen Ausstattung einer jeden CI-versorgenden Einrichtung mindestens ein CI-Audiologe und optional zusätzlich ein Audiologischer CI-Assistent. Dies kommt der Forderung nach einem „CI-spezialisierten Audiologen“ und einem „Hörtechniker“ für die Zertifizierung CI-versorgender Einrichtungen in Anlehnung an das von der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde verfasste Weißbuch zur CI-Versorgung sehr nahe. In den einschlägigen Stellenausschreibungen wird schon jetzt nach „CI-Audiologen“ und „CI-Technikern“ gesucht. Eine große Zahl der heute in den CI-Zentren praktisch tätigen Kolleginnen und Kollegen genügt vermöge langer einschlägiger Tätigkeit den Anforderungen an den Audiologischen CI-Assistenten. Es ist kaum vorstellbar, dass aus dieser Zielgruppe jemand nicht von der Übergangsregelung Gebrauch macht, um das kostbare Zertifikat einer angesehenen Fachgesellschaft nahezu barrierefrei zu erwerben!

Sebastian Hoth, Heidelberg


Anmerkung

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Literatur

1.
Baumann U, Hessel H, Hoth S, Hoppe U, Meier S, Müller-Deile J, Pera R, Ressel L, Stephan K, Zeh R, Zichner S. Was muss ein Audiologe beherrschen, der in der CI-Versorgung arbeiten möchte? Vorstellung des Themenkataloges für die Ausbildung zum "CI-Audiologen" . Z Audiol. 2018;57(1):28-38.