gms | German Medical Science

GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics

Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA)

ISSN 2628-9083

Ergebnisse der Evaluation einer berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme in der Hörfrühförderung

Findings of the evaluation of an extra-occupational professional training in early intervention for children with hearing loss

Originalarbeit

Search Medline for

  • corresponding author Vanessa Hoffmann - Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg
  • Markus Westerheide - Zentrum für Beratung, Inklusion & Teilhabe (BIT), Osnabrück

GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2021;3:Doc06

doi: 10.3205/zaud000018, urn:nbn:de:0183-zaud0000188

Published: September 15, 2021

© 2021 Hoffmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Zielsetzung der vorliegenden empirischen Untersuchung ist die Evaluation einer berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie (Landessozialamt LS) in der Hörfrühförderung. Die Zufriedenheit der Absolvent*innen mit der Qualifizierungsmaßnahme wurde mithilfe einer querschnittlich angelegten Befragung ermittelt, welche die fünf Evaluationsebenen Modulinhalte, Lernziele und Lernerfolge, Lehr- und Lernmethoden, Arbeitsformen sowie Motivation und Arbeitsumfang untersuchte. Insgesamt wurden 21 Fragebögen ausgewertet. Die deskriptive Datenauswertung spiegelt die Zufriedenheit der Teilnehmenden auf allen Ebenen wider. Folgerungen für die Weiterentwicklung und Optimierung der Qualifizierungsmaßnahme werden abgeleitet und ausgeführt.

Schlüsselwörter: Berufsbegleitend, Evaluation, Hörfrühförderung, Zufriedenheit

Abstract

The aim of this empirical study was to evaluate an extra-occupational professional training in early intervention for children with hearing loss. The satisfaction of the participants was assessed with the help of a cross-sectional survey at the five evaluation levels module contents, learning objectives and learning success, teaching and learning methods, forms of work as well as motivation and scope of work. A total of 21 questionnaires were evaluated. The data evaluation reflects the satisfaction of the participants in all areas. Conclusions for the further development and optimization of the professional training are derived and discussed.

Keywords: extra-occupational, evaluation, early intervention, satisfaction


Einleitung

Hintergrund: Berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahme Hörfrühförderung

In Niedersachsen wird seit Jahrzehnten die Förderung hörgeschädigter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener durch vier Landesbildungszentren für Hörgeschädigte (LBZH) angeboten – auch eine spezielle Hörfrühförderung. Es handelt sich dabei um eine bislang freiwillige Leistung des Landes Niedersachsen, die von Anfang an durch Hörgeschädigtenpädagog*innen (in der Regel Lehrkräfte mit der sonderpädagogischen Fachrichtung Hören/Kommunikation und Sprache bzw. Schwerhörigen-/Gehörlosenpädagogik und Sprache) durchgeführt wird. Im Zuge der Umsetzung der UN Menschrechtskonvention wurde die gesamte Arbeit der Landesbildungszentren auf den Prüfstand gestellt. Ein Ziel war es dabei, Hörgeschädigte noch besser in inklusiven Kontexten zu unterstützen. Dieser Prozess wurde als Zukunftsoffensive Inklusion in den niedersächsischen Landesbildungszentren institutionell durch das Sozialministerium implementiert. Im Teilprojekt 3 „Frühkindliche und vorschulische Bildung hörgeschädigter Kinder in einem inklusiven Bildungssetting“ wurde speziell die Hörfrühförderung durch die LBZH (inklusive der teilstationären Sprachheilbehandlung im Sonderkindergarten für Hörgeschädigte) im Hinblick auf eine Verbesserung der Förderung des einzelnen Kindes im Flächenstaat Niedersachsen in den Fokus genommen. Dabei wurde deutlich, dass die Hörfrühförderung in den unterschiedlichen Regionen in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Ressourcen mitunter sehr heterogen und nicht immer bedarfsgerecht wahrgenommen wurde. In Folge dessen ist es eines der wesentlichen Ergebnisse aus dem Teilprojekt 3, eine bedarfsgerechte qualitativ hochwertige hörgeschädigtenspezifische Frühförderung mit niedersachsenweit gleichwertigen Standards zu gewährleisten. In Konsequenz bedeutet dieses nicht nur ausreichend Personal einzusetzen, sondern auch die dafür notwendige Expertise bei den Mitwirkenden der Hörfrühförderung sicherzustellen. Da es sich bei der Hörfrühförderung um eine bisher nicht refinanzierte freiwillige Leistung des Landes handelt, war es erforderlich, innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen diesbezüglich Wege zu finden.

Um eine bedarfsgerechtere Hörfrühförderung anbieten zu können, wurden und werden als eine Konsequenz der Ergebnisse aus dem Teilprojekt 3 sukzessive an allen LBZH die aus Hörgeschädigtenpädagog*innen bestehenden Hörfrühförderteams multidisziplinär um Logopäd*innen, Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen und Psycholog*innen erweitert – analog zu den interdisziplinären Teams in der teilstationären Sprachheilbehandlung. Auf diese Weise soll die fachliche Bandbreite der Hörfrühförderteams erweitert werden, um den zunehmenden fachlichen Anforderungen an eine spezielle Hörfrühförderung besser gerecht werden zu können. Zudem werden so die Voraussetzungen für eine politisch gewollte integrativer ausgerichtete Frühförderung speziell für Hörgeschädigte geschaffen [5]. Schließlich wird noch die Personalressource erhöht, indem auf LBZH-eigenes Personal zurückgegriffen wird, das zumindest über jahrelange Erfahrung im Umgang mit hörgeschädigten Vorschulkindern durch seine Arbeit an einem LBZH verfügt (Vorschule, Pädagogisch-Audiologische Beratungsstelle, Sonderkindergarten). Den Maßnahmenteilnehmer*innen fehlt jedoch – trotz der Erfahrung im Umgang mit hörgeschädigten Kindern – im Regelfall eine ausreichende hörgeschädigtenpädagogische Qualifikation, beispielsweise ein einschlägiges Studium, um in der Hörfrühförderung mit seinen spezifischen Anforderungen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) eigenständig eingesetzt werden zu können. Die Herausforderung bestand nun darin, den Mitarbeiter*innen eine fundierte hörgeschädigtenpädagogische Qualifikation für einen umfassenden, eigenverantwortlichen Einsatz in der Hörfrühförderung zu ermöglichen. Um dieses zu erreichen wurde in Kooperation der Unterfachgruppe „Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen“ des niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie und den Abteilungen 1 der LBZH eine Qualifizierungsmaßnahme für die Beschäftigten der Hörfrühförderung entwickelt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) und in interdisziplinärer Kooperation mit renommierten Fachleuten durchgeführt, die im Bereich audiopädagogisch wirken.

Die Qualifizierungsmaßnahme wurde berufsbegleitend angeboten und beinhaltete drei Lernfelder mit insgesamt 12 Modulen. Geplant war eine Verteilung auf mehrere Blöcke à 2 Tage, eine Intensivwoche mit 4 Tagen sowie Tagesveranstaltungen über einen Zeitraum von 2 Jahren. Hinzu kamen eigenständige Literaturstudien, eine Woche Praktikum in der Hörfrühförderung, drei Tage Praktikum im Pädagogisch-Audiologischen Beratungszentrum eines LBZH, die Dokumentation der Studienleistungen im Studienbuch sowie eine mündliche Abschlussprüfung. Einige Veranstaltungen – unter anderem die Intensivwoche – konnten aufgrund der Corona-Pandemie nicht in Präsenzform stattfinden. Durch konstruktives Engagement aller Beteiligten gelang es, die Themen über Online-Veranstaltungen dennoch zu realisieren.

Die Auftaktveranstaltung fand am 17.05.2019 in Hildesheim statt, und die Qualifizierung endete mit einem Online-Abschlusskolloquium am 11.12.2020.

Ziel der Absolventenbefragung

Insgesamt hat das Angebot an wissenschaftlicher Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens [2] deutlich zugenommen [6]. In der Weiterbildungsforschung der letzten Jahre finden sich nur vereinzelt Absolvent*innenstudien zu (z. B. [1], [7], [8]). Insofern können, auch nach intensiver Recherche, keine Zufriedenheitsevaluationen berufsbegleitender Qualifizierungsmaßnahmen ausfindig gemacht werden.

Im Unterschied zu den genannten Arbeiten fokussiert der vorliegende Beitrag jedoch nicht allein auf die Professionalitätsentwicklung der Absolvent*innen, sondern zielt darauf ab, Rückschlüsse auf die Konzeption der Maßnahme und die Zufriedenheit der Teilnehmenden ziehen zu können. Insbesondere sollten auf diesem Wege notwendige didaktisch-methodische Änderungen bzw. Ergänzungen – auch im Hinblick auf zukünftige Fortbildungsangebote – identifiziert werden.

Durch eine vom Landesbildungszentren für Hörgeschädigte (LBZH) in Auftrag gegebene Befragung der Absolvent*innen sollen wirksame Elemente identifiziert und Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet werden. Ferner wurden hierfür relevante Aspekte von den für die Konzeption der Maßnahme verantwortlichen Personen des LBZH in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg herausgearbeitet und basierend darauf ein Fragebogen erstellt, welcher jene für die Weiterentwicklung und Verbesserung der Maßnahme relevanten Aspekte erfasst.


Methode

Befragungsdesign

In Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg wurde Ende 2020 die Befragung als Querschnittsstudie im Online-Verfahren durchgeführt. Die Absolvent*innen der berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme wurden schriftlich, mit Bitte um Unterstützung, über die Zielstellung und den Ablauf der Befragung informiert. Der Versand der Einladungsschreiben mit den Unterlagen zur Befragung erfolgte anschließend über die Teilnahmeliste der beteiligten Institution, was den Datenschutz gewährleistete. Im Einladungsschreiben wurde ebenfalls über die Zielstellung und die Anonymisierung der Befragung informiert. Der Zeitraum der Befragung wurde vorab von Dezember 2020 bis Ende Januar 2021 festgelegt.

Aufbau des Fragebogens

Der Fragebogen gliedert sich in sechs Abschnitte und umfasst insgesamt 35 Fragen, die sich folgenden Kategorien zuordnen lassen:

  • Modulinhalte (Modulaufbau, Präsenzveranstaltungen und Selbststudienphasen, Einsatz der Modulinhalte im Berufsalltag, professionelle Handlungsfähigkeit und -kompetenz, berufliches Selbstbewusstsein)
  • Lernziele und Lernerfolge (Interdisziplinarität, Studienstruktur, Praxisorientierung, fachliche Ausrichtung, Praxisphasen)
  • Lehr- und Lernmethoden (Transparenz der Lernziele, Lernfortschritt, Lernmaterialien, Arbeitsatmosphäre)
  • Arbeitsformen (Arbeit in Gruppen, Medieneinsatz, Einzelarbeit, Frontalunterricht, Beiträge der Teilnehmenden)
  • Motivation und Arbeitsumfang (Schwierigkeitsgrad der Qualifizierungsmaßnahme, Umfang des Lernstoffes, wöchentlicher Arbeitsaufwand, Zahlungsbereitschaft)

Bei 30 der 32 Fragen handelt es sich um geschlossene Fragen mit vorgegeben Antwortmöglichkeiten, die hauptsächlich durch eine 4-stufige Likert-Skala in den Bereichen von „trifft überhaupt nicht zu“ bzw. „sehr schlecht“ bis „trifft voll und ganz zu“ bzw. „sehr gut“ erfasst wurden. Von diesen enthielten drei Fragen die Möglichkeit, die Antworten qualitativ zu ergänzen. Für zwei Fragen war eine Mehrfachnennung bei den Antworten möglich und zwei Fragen wurden als offene Fragen formuliert. Die Durchführung der Befragung erfolgte freiwillig und anonym. Spezifische soziodemographische Daten wurden nicht erfasst, so dass auf ein Ethikvotum verzichtet werden konnte.

Datenauswertung

Die Fragebögen wurden online versandt und von den Absolvent*innen ausgefüllt, die Datenauswertung erfolgte deskriptiv. Die Antworttexte der offenen Fragen wurden zusätzlich erfasst und dokumentiert. Die Tabellen in der Ergebnisdarstellung enthalten jeweils den genauen Wortlaut der Frage, den Zusatz ob eine Mehrfachnennung möglich war und wie viele der Teilnehmenden die jeweilige Frage beantwortet haben.

Teilnehmende

Einige persönliche Daten der Teilnehmenden, aber auch deren Motive und Erwartungen sowie Vorinformationen zur Maßnahme wurden bereits zu Beginn der Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen einer Eingangsbefragung erfasst. Von den 21 Absolvent*innen, die zum Zeitpunkt der Befragung ihre Qualifizierungsmaßnahme abgeschlossen hatten, nahmen alle an der Befragung teil. 100% der Teilnehmenden waren weiblich, wobei der Großteil der befragten Personen über 50 Jahre alt war. 12 der Befragten hatten bereits neun oder mehr Jahre Berufserfahrung im vorschulischen Bereich. 10 Personen hatten vor der berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme bereits eine Berufsausbildung, drei einen Bachelor, acht einen Master und 13 eine weitere berufliche Qualifikation im Bereich der Hörfrühförderung erworben. Alle Absolvent*innen waren zum Zeitpunkt der Qualifizierungsmaßnahme berufstätig, wobei 14 Absolvent*innen ihre Tätigkeit in Teil- und sechs in Vollzeit ausübten.


Ergebnisse

Für die Auswertung standen 21 vollständig ausgefüllte Fragebögen von Absolvent*innen zur Verfügung. Die Rücklaufquote betrug damit in Bezug auf die angegebene Gesamtzahl der angeschriebenen Absolvent*innen 100%.

Angaben zu Modulinhalten

Bezogen auf die Modulinhalte gaben alle Absolvent*innen an, mit dem Aufbau der Qualifizierungsmaßnahme (Präsenz-, Selbststudienphase) insgesamt zufrieden gewesen zu sein. Hier wurde an erster Stelle genannt, dass die Modulinhalte sinnvoll im eigenen Berufsalltag eingesetzt werden können (76,2%), gefolgt davon, dass die Modulinhalte die eigene wissenschaftsbasierte, berufliche Handlungskompetenz fördern (61,9%), unterstützend beim Reflektieren des eigenen beruflichen Handelns sind (57,1%) und die professionelle Handlungsfähigkeit fördern. Dem beruflichen Selbstbewusstsein („Standing“) wurde hingegen etwas weniger Bedeutung beigemessen (42,9%). Ebenso wurden die inhaltliche Abstimmung der Präsenzveranstaltungen und Selbststudienphasen schwächer bewertet (38,1%). Ergebnisse s. Tabelle 1 [Tab. 1].

Angaben zu Lernzielen und Lernerfolgen

Die Frage nach der Erweiterung des spezifischen Fachwissens wurde von 80% der Teilnehmenden positiv beantwortet. Weiter wurde mehrheitlich angegeben, dass sich die Teilnehmenden befähigt fühlen, ihr Wissen, Verstehen und Fähigkeiten zur Problemlösung auch in neuen und unvertrauten Situationen anzuwenden (55%) und in einem breiteren und interdisziplinären Zusammenhang zu agieren (55%). Der Frage danach, ob sich die Teilnehmenden gestärkt fühlen, sich selbstständig neues Wissen und Können anzueignen, wurde weniger Bedeutung beigemessen (40%); ebenso gaben weniger Teilnehmende an, sich kompetent darin zu fühlen, sich mit Fachvertreter*innen und mit Laien auf wissenschaftlichem Niveau auszutauschen (31,6%) oder befähigt zu fühlen, eigenständige forschungs- oder anwendungsorientierte Problemstellungen zu identifizieren (20%). Ergebnisse s. Tabelle 2 [Tab. 2].

Der Großteil der Befragten gab zudem an, dass sie insbesondere Wert auf die Expertise der/des Lehrenden (75%) sowie die fachliche Ausrichtung (65%) und die Praxisorientierung der berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahme (55%) gelegt haben. Ebenso wurde die flexible Zeitstruktur positiv bewertet (56%). Dem Zertifikatsabschluss und den Praxisphasen hingegen wurde weniger Bedeutung zugemessen (je 23,8%). Eine Person hat die Fragen zu den Lernzielen nicht beantwortet. Eine teilnehmende Person ergänzte dazu im freien Textfeld: „Bereitschaft der DozentInnen und Durchführung flexibel und lösungsorientiert auf die Einschränkungen durch Corona zu reagieren und dadurch einen qualitativ hochwertigen Abschluss zu ermöglichen.“

Angaben zu Lehr- und Lernmethoden

Bezüglich der Lehr- und Lernmethoden zeigte sich ebenfalls ein positives Bild. Die große Mehrheit der Teilnehmenden hob die konstruktive Arbeitsatmosphäre in den jeweiligen Lehrveranstaltungen positiv hervor (85%). Gefolgt wurde diese Aussage davon, dass die Mehrheit der Teilnehmenden bestätigte, mit ihrem Engagement für die Lehrveranstaltung zufrieden zu sein (66,7%) und dass die bereitgestellten Lernmaterialien hilfreich waren, den Inhalt der Lehrveranstaltung besser zu verstehen (61,9%). Die weiteren Antworten der Teilnehmenden zu den Lehr- und Lernmethoden finden sich in Tabelle 3 [Tab. 3].

Angaben zu Arbeitsformen

Bezüglich des Einsatzes unterschiedlicher Arbeitsformen während der Präsenzveranstaltungen wurde angegeben, dass insbesondere die Arbeit in Gruppen (bspw. Diskussionen) zum besseren Verständnis des Stoffes beitrug (85,7%). Dem schlossen sich der Einsatz von Medien (76,2%) und die Beiträge der Teilnehmenden (bspw. Referate und Diskussionen) (47,6%) an. Die Einzelarbeit (41,2%) sowie der Frontalunterricht (19%) hingegen wurden weniger hervorgehoben. Einige Absolvent*innen ergänzten hierzu im freien Textfeld: „Online-Lehre sicher eine gute Möglichkeit; es war aber prima sich über einen längeren Zeitraum als Gruppe real zu sehen. So konnte die Gruppe gut zusammenwachsen und Kontakte unter den einzelnen Häusern intensiviert werden“; „gute Mischung aus allen Arbeitsformen trägt zum besseren Verständnis des Stoffes bei.“

Angaben zu Motivation und Arbeitsumfang

Alle Teilnehmenden empfanden den Schwierigkeitsgrad der Qualifizierungsmaßnahme als genau richtig (100%). Den Umfang des Lernstoffs empfanden die meisten Befragten ebenfalls als genau richtig (85%). Die meisten Teilnehmenden (85%) wendeten im Durchschnitt weniger als fünf Stunden pro Woche außerhalb der Präsenzphasen für die Erarbeitung des Studienmaterials/der Aufgaben/der Projekte auf. Die Frage, nach der Bereitschaft für die Qualifizierungsmaßnahme zu bezahlen, wurde sehr unterschiedlich beantwortet. 36,8% Befragte gaben an, nicht für die Maßnahme bezahlen zu wollen, 26,3% würden zwischen 1.000 und 1.500 € bezahlen. Bezüglich der Beteiligung an den Kosten durch Dritte gab der Großteil der Befragten an, dass sie sich eine Kostenübernahme durch den Arbeitgeber (71,4%) wünschen. 19% der Befragten verwiesen auf die zusätzliche Möglichkeit der Kostenübernahme durch Förderprogramme. Eine teilnehmende Person ergänzte dazu im freien Textfeld: „BMFSFJ bietet bereits Bundesprogramme zur Unterstützung von Familien an. Diese würden sich ergänzen und eine hochwertige Vernetzung ergeben.“

Zusammenfassendes zur Qualifizierungsmaßnahme

Die Frage nach den Unterstützungs- und Beratungsangeboten in der Qualifizierungsmaßnahme zeigte ein positives Bild. Hervorgehoben wurde die Zufriedenheit mit den Lehrenden (65%), gefolgt von den jeweiligen Vorgesetzten (44,4%) und den Programmverantwortlichen (41,2%) (Tabelle 4 [Tab. 4]).

Ihren Erkenntniszuwachs stuften 30% der Teilnehmenden als „sehr hoch“, 50% als „eher hoch“ und 20% als „Teils/ Teils“ ein. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Teilnehmergruppe hinsichtlich ihrer bisherigen Berufsabschlüsse, beruflichen Erfahrung und Vorkenntnisse sehr heterogen war. Ferner konnte eine Wiederholung bereits bekannter Inhalte für einzelne Teilnehmer*innen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Insgesamt wurde die Lehrveranstaltung von 71,4% der Teilnehmenden als „sehr gut“ und von 28,6% als „eher gut“ eingestuft.

Den Abschluss der Befragung bildeten zwei offene Fragen, in denen die Absolvent*innen aufgefordert waren, anzugeben, was Ihnen an der Qualifizierungsmaßnahme am besten gefallen hat und welche Verbesserungen angestrebt werden können. Bei der Frage nach den Vorteilen der Maßnahme wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass der Austausch mit Kolleg*innen anderer Einrichtungen, sowie der persönliche Kontakt und die Möglichkeit zur Vernetzung im Vordergrund standen. Zudem wurden die Vielfältigkeit der angebotenen Themen, die ausgewogene Methodik und die umfangreichen bereitgestellten Materialien genannt. Ebenso einen wesentlichen Punkt bildete die gute Praxisorientierung, welche einen Übertrag der theoretischen Inhalte auf konkrete Fallbeispiele aus dem Berufsalltag mit Diskussion im Plenum ermöglichten.

Die Vorschläge zur Verbesserung bezogen sich weitestgehend auf die anteilige Umverteilung Vertiefung einzelner Themen. So wurde z. B. darum gebeten, Themen wie die psychosoziale Entwicklung von Kindern mit Hörschädigung, dem souveräneren Umgang in der Interpretation von Arztberichten, Diagnosen und Messergebnissen mehr Zeit einzuräumen und Themen zum Grundlagenverständnis des Hörvorgang in ihrem Umfang zu reduzieren.


Diskussion

Zur Verbesserung der Angebote in der Hörfrühförderung wurde vom Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (LS) als Trägerbehörde der LBZH eine Qualifizierungsmaßnahme für vorhandenes Personal der LBZH konzipiert und durchgeführt, die das Ziel hatte, eine bedarfsgerechtere Hörfrühförderung im Flächenland Niedersachsen anbieten zu können. Deren hörgeschädigtenpädagogische Expertise als Merkmal besonderer fachlicher Qualität sollte gesichert und durch zusätzliche Kompetenzen zu einer multidisziplinären Arbeitsstruktur erweitert werden.

Eine der wesentlichen Herausforderungen der Maßnahme bestand darin, ein berufsbegleitendes Format zu konzeptionieren, das die Teilnehmenden in die Lage versetzt, trotz ihrer unterschiedlichen Vorbildungen vergleichbare hörgeschädigtenpädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, um auf dieser Basis umfassend und eigenverantwortlich in der Hörfrühförderung der LBZH arbeiten zu können.

Insbesondere die Aspekte Austausch mit Kolleg*innen anderer Einrichtungen, Vielfältigkeit der angebotenen Themen, ausgewogene Methodik und Praxisorientierung mit Übertrag theoretischer Inhalte auf konkrete Fallbeispiele aus dem Berufsalltag mit Diskussion im Plenum scheinen dazu beigetragen zu haben, die Heterogenität der beruflichen Grundqualifikation im Hinblick auf die Zielsetzung einer einheitlichen eigenverantwortlichen Hörfrühförderung zu kompensieren. Allgemein wurden sowohl Arbeitsformen sowie Lehr- und Lernmethoden von den Teilnehmenden überwiegend positiv bewertet. Die Befragungsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass Schwierigkeitsgrad und Umfang des Lernstoffes als angemessen bewertet werden können. Dadurch, dass 80% der Teilnehmenden die Frage nach der Erweiterung ihres jeweiligen spezifischen Fachwissens positiv beantworten, kann insgesamt von einer Kompetenzerweiterung für die Arbeit in der Hörfrühförderung ausgegangen werden.

Die Qualifizierungsmaßnahme wurde überwiegend während der regulären Arbeitszeit durchgeführt und die Finanzierung erfolgte durch den Arbeitgeber. Beide Aspekte erhöhten offensichtlich die Akzeptanz bei den Teilnehmenden. Die Evaluationsergebnisse deuten darauf hin, dass eine selbstfinanzierte, außerhalb der Arbeitszeit stattfindende Qualifizierungsmaßnahme von den Teilnehmenden eher nicht akzeptiert worden wäre würde.

Die Evaluationsergebnisse zeigen insgesamt, dass es möglich ist, Personal mit mehrjähriger Berufserfahrung in der vorschulischen Arbeit mit hörgeschädigten Kindern, jedoch auch mit unterschiedlichen beruflichen/universitären Vorqualifikationen speziell für die Arbeit in der Hörfrühförderung zu qualifizieren. Dabei konnten Aspekte für eine konstruktive Weiterentwicklung im Hinblick auf zukünftige Maßnahmen identifiziert werden. Dazu gehört inhaltlich beispielsweise die Vertiefung des Themenbereichs psychosoziale Entwicklung von Kindern mit Hörschädigung und die Reduktion des Themenbereichs Hörvorgang. Zu letzterem ist anzumerken, dass die Teilnehmenden wahrscheinlich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit über ein hohes Vorwissen zu dieser Thematik an den LBZH verfügen. Insofern ist eine Reduktion der Thematik bei anderen Teilnehmenden-Gruppen kritisch zu hinterfragen.


Implikationen für die Weiterentwicklung der Qualifizierungsmaßnahme

Der Bedarf an qualifizierten Fachkräften in der Hörfrühförderung ist bundesweit sehr hoch [3]. Davon ausgehend, dass auch zukünftig Hörgeschädigtenpädagog*innen zentral in der Hörfrühförderung arbeiten, lässt sich aus den Evaluationsergebnissen ableiten, dass ein Teil des Fachkräftemangels durchaus durch eine solch umfangreiche strukturierte Qualifizierungsmaßnahme für Personal von Einrichtungen für Hörgeschädigte abgedeckt werden kann, sofern diese bereits Berufserfahrungen in der vorschulischen Arbeit mit hörgeschädigten Kindern vorweisen können. Diese praktische Erfahrungskomponente kann bei Teilnehmer*innen zukünftiger Qualifizierungsmaßnahmen nicht immer vorausgesetzt werden. In der Konsequenz könnte das bedeuten, zukünftige Qualifizierungsmaßnahmen – die mitunter auch für Menschen aus anderen Bundesländern geöffnet werden – mit einem deutlich erhöhten Praxisanteil (zum Beispiel in Form von Praktikumsphasen) zu konzipieren.

Der vorliegende Beitrag ist gegenstandsbezogen, indem er die untersuchte Qualifizierungsmaßnahme und die Zufriedenheit der Teilnehmenden evaluiert. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass ein ganzheitliches Verständnis bei der Evaluation von Studienangeboten, Pflichtmodulen, Lehrveranstaltungen etc. häufig fehle [4]. Auch die vorliegende Untersuchung vermag diesem Anspruch nicht in vollem Umfang gerecht zu werden. In Anbetracht der mangelnden Forschungslage soll jedoch betont werden, dass sie in ihrem Umfang über die Bewertung einzelner relevanter Aspekte hinausreicht.

Weitere Untersuchungen, insbesondere solche, die berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen in ihrer Ganzheit und/oder aus Sicht der Teilnehmenden betrachten, sind jedoch von großer Bedeutung, um der geforderten Verknüpfung von Theorie und Praxis gerecht zu werden [6]. In Ermangelung einschlägiger Veröffentlichungen verwundert es nicht, dass kaum Instrumente zur Beurteilung berufsbegleitender Qualifizierungsmaßnahmen vorliegen. Da der Theorie-Praxis-Transfer in der wissenschaftlichen Weiterbildung eine zentrale Komponente darstellt [2], sollte im Rahmen zukünftiger Forschung der Fokus auf theoriegestützte Evaluationsmodelle gelegt werden, welche sich empirisch überprüfen lassen. Weiter ermöglichen es statistische Analysen, vorliegende Korrelationen zu ermitteln und in die Auswertung und Interpretation vorliegender Daten miteinzubeziehen. Eben dieses Vorgehen soll im Rahmen künftiger Forschung realisiert werden.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autor*innen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Danksagung

Dank an beteiligte Referent*innen: Johannes Eitner und Ingrid Roth (Elbschule Hamburg); Prof. Dr. Barbara Haenel-Faulhaber (Universität Hamburg); Dr. Matthias Rüter (LBZH Braunschweig); Prof. Dr. Wilma Vorwerk (Klinikum Braunschweig); Dr. Thomas Wiesner (Werner-Otto-Institut Hamburg); Nicole Kühling (M&K Hörtechnik Vechta); Kerstin Bremken, Christoph Niemann (LBZH Osnabrück); Prof. Dr. Anke Lesinski-Schiedat (DHZ Hannover); Dr. Barbara Eßer-Leyding (CIC Wilhelm-Hirte Hannover); Özlem Önder (Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln); Beate Wüst (LBZH Hildesheim); Annette von Maydell, Manfred Flöther, Annette Stasche, Inge Gaschler (LS Niedersachsen); Gisela Batliner (München).


Literatur

1.
Bauer M, Göhlich M. Wirksamkeit weiterbildenden Studiums. Ergebnisse der Evaluation eines berufsbegleitenden Masterstudiengangs. ZfW. 2019;42:249-63. DOI: 10.1007/s40955-019-0131-2 External link
2.
Blank J, Wiest M, Sälzle S, Bail C. Öffnung der Hochschulen durch wechselseitigen Wissenstransfer im Kontext wissenschaftlicher Weiterbildung. ZfW. 2015;38(3):365-79. DOI: 10.1007/s40955-015-0044-7 External link
3.
Flöther M. Qualifizierungsmaßnahme für die Hör-Frühförderung in Niedersachsen. Hörgeschädigtenpädagogik. 2020;74(1):58-9.
4.
Hanft A, Brinkmann K, Kretschmer S, Maschwitz A, Stöter J. Organisation und Management von Weiterbildung und Lebenslangem Lernen an Hochschulen. Münster, New York: Waxmann; 2016.
5.
Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. Qualifizierung für die Hör-Frühförderung. Weiterbildung für Fachkräfte im Land Niedersachsen; 2019 [updated 2021 Jul 05]. Available from: https://soziales.niedersachsen.de/startseite/das_landesamt/organisation/lbz/qualifizierung-fuer-die-hoer-fruehfoerderung-177319.html External link
6.
Salland C, Siegmund R. Universitäten als Weiterbildungsanbieter: Entwicklungen, Formen, Perspektiven. In: Feld TC, Lauber-Pohle S, Hrsg. Organisation und Profession. Wiesbaden: Springer VS; 2018. S. 121-35. DOI: 10.1007/978-3-658-20666-6_9 External link
7.
Schüßler I. Studierenden und Absolvent/inn/enbefragungen unter professionstheoretischer Perspektive. In: Egetenmeyer R, Schüßler I, Hrsg. Akademische Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren; 2012. S. 109-47.
8.
von Felden H. Studium und Beruf in der Sicht von Absolvent/inn/en der Erwachsenenbildung. In: Egetenmeyer R, Schüßler I, Hrsg. Akademische Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren; 2017. S. 185-200.