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GMS Verbrennungsmedizin

Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV)

ISSN 1869-1412

Hydrotherapie – Hintergrund und Standards in deutschsprachigen Verbrennungszentren

Hydrotherapy – rationale and standards in German speaking burn centres

Originalarbeit

  • corresponding author C. Herold - Department of Plastic, Hand, and Reconstructive Surgery, Hannover Medical Center, Hannover, Germany
  • R. Ipaktchi - Department of Plastic, Hand, and Reconstructive Surgery, Hannover Medical Center, Hannover, Germany
  • A. Gohritz - Department of Plastic, Hand, and Reconstructive Surgery, Hannover Medical Center, Hannover, Germany
  • P.M. Vogt - Department of Plastic, Hand, and Reconstructive Surgery, Hannover Medical Center, Hannover, Germany
  • H.O. Rennekampff - Department of Plastic, Hand, and Reconstructive Surgery, Hannover Medical Center, Hannover, Germany

GMS Verbrennungsmedizin 2009;3:Doc02

doi: 10.3205/vmed000006, urn:nbn:de:0183-vmed0000064

Published: July 30, 2009

© 2009 Herold et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Wasser wurde schon seit dem 18. Jahrhundert routinemäßig zur initialen Kühlung und Wundreinigung nach Verbrennung verwendet, später wurde schwere Fälle auch durch kontinuierliche Hydrotherapie in speziellen Wannen, manchmal über viele Monate, behandelt. Heute wird die Hydrotherapie hauptsächlich bei der Aufnahme und intermittierend zur Wundbehandlung in fest installierten Badewannen oder fahrbaren Duschwägen angewendet. Ziel dieser Umfrage war es den aktuellen Stand der Hydrotherapie in den deutschsprachigen Verbrennungszentren festzustellen.

Ergebnis: Alle 23 kontaktierten Verbrennungszentren im deutschsprachigen Raum nutzen die Hydrotherapie, hiervon haben 15 eine stationäre Wanne, nur 10 nutzen sie routinemäßig bei jeder Aufnahme. Der Großteil der Verbrennungszentren verwendet Duschwagen.

Fazit: Die Hydrotherapie ist fester Bestandteil der Therapie von schweren Verbrennungen im deutschsprachigen Raum, trotz bekannter Nachteile wie der Keimverschleppung auf primär sterile Wunden. Es zeigt sich ein Trend zu mobilen Duschwagen und eine weniger häufigere, verminderte Nutzung von Hydrotherapiewannen.

Abstract

Background: In the primary treatment of burn wounds for cooling and debridement water has been described already in the 18th century. Repeated and continuous use of hydrotherapy in the same patient has been reported to be performed for several months. Today hydrotherapy is one basic treatment in the primary care of severely burned patients and is commonly used at dressing changes. Hydrotherapy pools made of iron stand besides movable shower trolleys made from plastic. Both have the primary use of cleaning the burned patient and to allow debridement of necrotic tissue. Goal of this study was to evaluate the current standard in German speaking burn centres.

Results: All 23 burn centres in German speaking countries use hydrotherapy in the treatment of burned patients. Fifteen of them offer pools, but only ten use them on a regular basis. More then half of the centres offer a movable hydrotherapy trolley.

Conclusion: Despite risk factors like transmission of bacteria hydrotherapy is a standard therapy for severely burned patients in German speaking burn centres. Most centres offer a pool but there is a trend to preferential use of movable hydrotherapy trolleys.


Einleitung

Wasser spielt in der Behandlung von Brandwunden schon seit dem 18. Jahrhundert in der Initialphase zur Kühlung und später zur Ablösung von nekrotischem Gewebe eine Rolle. Eine kontinuierliche Hydrotherapie wurde erstmals 1858 von Passavant [1] angewandt und später vor allem vom Wiener Dermatologen von Hebra [2] propagiert, der seine Patienten bis zu 386 Tage in fließendem Warmwasser badete. Auch heute wird die Hydrotherapie bei der Behandlung schwer verbrannter Patienten angewendet. Hierbei finden neben fest installierten Verbrennungswannen (Abbildung 1 [Abb. 1]) aus Edelstahl auch mobile Duschwagen (Abbildung 2 [Abb. 2]) Anwendung. Ziel der Behandlung ist die Säuberung der Patienten und ein Débridement mit rascher Entfernung verbrannter Hautanteile vor der Versorgung frischer Verbrennungswunden. In der Behandlung stationärer Patienten liegen die Vorteile in der Schmerzreduktion bei Verbandswechseln durch Durchfeuchten des Verbandsmateriales mit erleichterter Ablösung von den Wunden. Bei infizierten Wunden besteht die Möglichkeit einer schmerzarmen und gründlichen mechanischen Wundreinigung. Anhand einer Umfrage wurde eine Statuserhebung zum aktuellen Stand der Hydrotherapie im deutschsprachigen Raum durchgeführt.


Material und Methoden

Befragt wurden Verbrennungsstationen im deutschsprachigen Raum, welche Erwachsene behandeln. Unter den 19 Verbrennungsintesivstationen in Deutschland, den 2 Schwerverbranntenzentren in Österreich und Zürich in der Schweiz wurde eine telefonische Umfrage zum jeweiligen aktuellen (März 2009) Standard der Hydrotherapie bei Schwerbrandverletzten durchgeführt.


Ergebnisse

Alle befragten Verbrennungsstationen verwenden regelmäßig die Hydrotherapie bei der Aufnahme Schwerbrandverletzter sowie im Verlauf der Wundheilung zur Reinigung und zu Verbandswechseln. In Deutschland verfügten zwar 12 (60%) der Zentren über eine Hydrotherapiewanne, regelmäßig bei der Aufnahme von Patienten wurde sie nur in 7 (35%) Zentren genutzt. Ein Duschwagen hingegen wird in 12 (60%) Einheiten genutzt (Tabelle 1 [Tab. 1]).

In Österreich sind Hydrotherapiewannen in beiden Zentren vorhanden und werden auch regelmäßig genutzt. Das Zentrum in Wien verfügt zusätzlich über eine Duschtrage.

In Zürich wird das Verbrennungsbad ebenfalls regelmäßig genutzt. Insgesamt halten 15 Zentren im deutschsprachigen Raum eine stationäre Wanne vor, aber nur 10 nutzen sie routinemäßig bei jeder Aufnahme.


Diskussion

Die Hydrotherapie ist fester Bestandteil der Behandlung von Brandverletzten: Sie bietet vor allem die Vorteile einer gründlichen Reinigung der Patienten vor der Aufnahme auf die Spezialstation, besonders das Entfernen von Ruß ist deutlich erleichtert. Im Rahmen der Wundpflege von Verbrennungswunden, insbesondere infizierter Wunden, ergänzt sie sinnvollerweise die Therapie.

Die Verwendung von Wasser im Rahmen medizinischer Behandlung ist uralt. Die Hydrotherapie wird unter Verwendung von normalem Wasser durchgeführt, wohingegen die Balneotherapie natürliches thermales Wasser verwendet [3]. Im Wasser kann es zu einer Schmerzminderung durch Druck-, und Temperatureffekte an den Nerven und zu einer Muskelentspannung kommen [4], [5]. Die Immersion in Wasser führt weiterhin zu einem Anstieg des Serumspiegels von Methionin-Enzephalin [6]. Die Immersionshydrotherapie war in der Vergangenheit eine Standardtherapie in der meisten Verbrennungszentren der USA, und um 1990 verwendeten 81% der Verbrennungszentren diese Methode. Hydrotherapie wurde in verschiedenen Formen bei 82% der Patienten in den USA durchgeführt [7].

Trotz strengster Maßnahmen zur Keimreduktion liegt das Hauptproblem der Hydrotherapie in der Möglichkeit der Keimverschleppung, die ein bisher ungelöstes und ernsthaftes Problem darstellt [8], [9]. Besonders Feuchtkeime wie Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus oder Acinetobacter baumanii können potentiell durch Hydrotherapienanlagen übertragen werden, wie bereits in mehreren Publikationen gezeigt werden konnte [8], [10], [11].

Als Ursache wurde die problematische Dekontamination der Hydrotherapieanlagen und insbesondere der Belüftungsanlagen und Mischbatterien genannt [12], was zu Modifikation dieser Systeme geführt hat [13]. Weiterhin ist eine Abkehr von der Immersionshydrotherapie hin zu einer Duschhydrotherapie empfohlen worden [14].

Auch das Hinzufügen von antimikrobakteriellen Zusätzen ist untersucht worden und es hat sich gezeigt, dass Natriumchlorid die Anzahl von Mikroorganismen auf verbrannter und unverbrannter Haut reduzieren kann [15]. Als unangenehme Effekte haben sich mögliche Schleimhautreizungen bei Patienten und Behandlern gezeigt, und über die Schmerzverstärkung während der Hydrotherapie ist berichtet worden [15].

Die Einführung von Duschtragen, welche als einfacher zu reinigen gelten, ist eine Konsequenz aus den Problemen mit fest installierten Systemen [16].

Um das Risiko der Kontamination von primär sterilen Verbrennungswunden zu minimieren sind bereits Zusatzmaterialien wie Überzüge aus Kunststoff zum Beziehen der Duschwagen entwickelt worden, welche das Transmissionsrisiko zwischen den Patienten einer Verbrennungsstation vermindern sollen [17].

Duschwagen sind zudem kostengünstiger und mobiler als fest installierte Hydrotherapiewannen aus Edelstahl. Eine Versorgung der Patienten kann direkt im Patientenzimmer erfolgen und ein Transport der Patienten ist nicht notwendig. Hiermit wird das Risiko von Transmission verschiedener Keime deutlich reduziert.


Schlussfolgerung

Anhand der dieser Studie zugrunde liegenden Umfrage lässt sich erkennen, dass in deutschsprachigen Raum der Hydrotherapie unverändert eine große Bedeutung zukommt und sie ein fester Bestandteil in der Versorgung von Brandverletzten ist. Es zeichnet sich jedoch ein Trend zu mobilen Duschwagen ab.


Literatur

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Passavant G. Bemerkungen über Verbrennungen des menschlichen Körpers und deren Behandlung mit dem permanenten warmen Bade. Dtsch Klinik. 1858;10:348-51;365-66;373-75.
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Hebra F. Ueber continuierliche allgemeine Bäder und deren Anwendung bei Behandlung von Verbrennungen. Allg Wiener Med Ztg. 1861;6:1-4.
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Vogt PM, Mailänder P, Jostkleigrewe F, Reichert B, Hartmann B, Adams HA. Zentren für Schwerbrandverletzte in der Bundesrepublik Deutschland. GMS Verbrennungsmedizin. 2008;2:Doc03. Verfügbar unter: http://www.egms.de/en/journals/vmed/2008-2/vmed000004.shtml External link