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GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. (DGHO)

ISSN 2194-2919

Das Ovarialkarzinom – Reha-relevante Aspekte und sozialmedizinische Leistungsbeurteilung

Ovarian cancer – rehabilitation-relevant aspects and socio-medical performance assessment

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Holger G. Hass - Institut für Rehabilitationsforschung und Survivorship (IREFOS), Scheidegg, Deutschland; Paracelsus-Klinik, Scheidegg, Deutschland

GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2021;10:Doc02

doi: 10.3205/ors000042, urn:nbn:de:0183-ors0000421

Published: May 6, 2021

© 2021 Hass.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Das Ovarialkarzinom ist die zweithäufigste gynäkologische Tumorerkrankung in Deutschland. Wegen der erst späten Diagnose in einem meist fortgeschrittenen Tumorstadium (FIGO 3/4) werden die meisten Patientinnen intensiv multimodal (Viszeral-OP, Kombinationschemotherapie) behandelt. Diese umfangreiche Therapie führt zu vielfältigen und häufigen Folgestörungen und Toxizitäten, die die private und berufliche Teilhabe massiv beeinträchtigen.

In diesem Übersichtsartikel wird der aktuelle Stand der onkologischen Therapie, die dadurch bedingten Folgestörungen sowie deren Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit vorgestellt und erörtert.

Schlüsselwörter: Ovarialkarzinom, FIGO-Klassifikation, CIPN, Lymphödem, Fatigue

Abstract

Ovarian cancer is the second most common gynecological malignancy in Germany. Due to the late diagnosis in a mostly advanced tumor stage (FIGO 3/4), most patients are treated intensively multimodally (visceral surgery, combination chemotherapy). This extensive therapy leads to diverse and frequent secondary disorders and toxicities, which severely impair private and professional participation. This review article presents and discusses the current status of oncological therapy, the consequential disorders caused by it and their influence on employability.

Keywords: ovarian cancer, FIGO classification, CIPN, lymph edema, fatigue


Epidemiologie und Klassifikation

Mit ca. 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Ovarialkarzinom die zweithäufigste gynäkologische Tumorerkrankung und insgesamt die fünfthäufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland [1]. V.a. in westlichen Industrienationen zeigen sich hohe Inzidenzraten, wohingegen in Japan und anderen asiatischen Ländern die niedrigsten Inzidenzraten registriert werden.

Der Begriff Ovarialkarzinom subsumiert unterschiedliche Tumorarten bestehend aus epithelialen Ovarialkarzinomen, Keimzell- und Keimstrangtumoren, wobei fast 90 Prozent der bösartigen Ovarialtumoren sich nach pathologischer Untersuchung den epithelialen Tumoren zuordnen lassen ([2], s.a. Tabelle 1 [Tab. 1]). Hierhin sind auch das primäre Peritonealkarzinom, welches klinisch und histologisch dem serösen Ovarialkarzinom ähnelt, sowie das Tubenkarzinom einzuordnen. Daneben gibt es sog. Borderline-Tumoren, die sich ebenfalls von epithelialen Zellen ableiten und eine unterschiedliche Progressions- und Entartungstendenz aufweisen.

Die Stadien-Einteilung des Ovarialkarzinoms basiert, wie bei vielen anderen onkologischen Erkrankungen auch, auf dem TNM-System (T=Tumorgröße, N=Lymphknotenbefall, M= Fernmetastasen). Zusätzlich kommt die Einteilung der Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique (FIGO) im klinischen Alltag zur Anwendung (s.a. Tabelle 2 [Tab. 2]).


Prognose

Wegen unspezifischer Symptome (Völlegefühl, unspezifische Verdauungsbeschwerden) erfolgt die Diagnose meist zu einem späten Zeitpunkt und in über 70% der Fälle im fortgeschrittenen, teils metastasiertem Stadium (Stadium FIGO III bzw. IV). So liegt die 5-Jahres-Überlebensrate (5-JÜR) über alle Tumorstadien bei ca. 44% und fällt bei fortgeschrittenem Tumorstadium auf 25% [3]. Daher ist das Ovarialkarzinom in Deutschland die vierthäufigste Todesursache bei Frauen und die häufigste gynäkologische krebsbedingte Todesursache [1].

Neben einem fortgeschrittenen Tumorstadium zeigten auch histopathologische und tumorbiologische Charakteristika eine signifikante Korrelation mit der Prognose und dem Langzeit-Überleben der betroffenen Patientinnen. So stellt die Gewebsdifferenzierung bzw. die Entdifferenzierung der Tumoren einen signifikanten Prognosefaktor dar [4], ebenso wie der Subtyp der sog. klarzelligen Ovarialkarzinome, da diese gegenüber den anderen epithelialen Tumoren eine geringere Chemo-Sensitivität aufzeigen [5].


Therapie

Operative Therapie

Infolge des meist schon fortgeschrittenen Krankheitsstadiums mit Organ-überschreitendem Tumorwachstum muss in den meisten Fällen eine radikale Operation, teils mit Multiviszeral-Resektion (z.B. Bauchfell-, Darmteil- oder Leberteilresektionen, Splenektomie) durchgeführt werden. Da sich zudem ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Langzeit-Überleben und verbleibenden Tumorresten in der Bauchhöhle (<1 cm3 Gewebe) dokumentieren ließ [6], unterstreicht dies die Bedeutung einer aggressiven Tumorresektion durch ein erfahrenes, evtl. auch interdisziplinäres Operationsteam.

Standardmäßig erfolgt der operative Zugang durch einen medianen Längsschnitt von dem Xyphoid bis zur Symphyse. Bei der Entfernung des Tumors ist v.a. bei der häufigen Infiltration des Rektosigmoids eine en-bloc-Resektion von Adnexen, Uterus und Colon sigmoideum durchzuführen, obligatorisch erfolgt zudem die infragastrische Omentektomie, die Resektion des befallenen Tumors und die zeitgleiche Appendektomie (bei muzinöser Tumorzell-Zytologie im Schnellschnitt). In über 50% der Fälle ist zudem die Durchführung einer Darm(teil)resektion oder von multiviszeralen Eingriffen (Splenektomie, Leberteilresektion bei Metastasen) notwendig und sinnvoll, wenn dadurch eine möglichst komplette Tumorresektion erzielt werden kann. Nur bei einem gesicherten Frühstadium (FIGO-Stadium IA) ist eine fertilitätserhaltende Operation möglich. Hierbei werden die Gebärmutter und der nicht befallene Eierstock bei bestehendem Kinderwunsch erhalten.

Systemische Chemotherapie, Immunchemotherapie und Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren

Standardmäßig wird heutzutage postoperativ eine platinhaltige Chemotherapie, insbesondere mit Carboplatin, durchgeführt. Lediglich im Frühstadium FIGO IA und bei guter Tumordifferenzierung (G1) kann hierauf verzichtet werden.

Im fortgeschrittenen Stadium (ab Stadium FIGO IIB) wird die adjuvante Therapie mit Carboplatin zusätzlich mit Paclitaxel über insgesamt 6 Zyklen kombiniert.

Infolge der teils diffusen, intraperitonealen Tumoraussaat mit dadurch bedingter inkompletter R0-Resektabilität werden z.Zt. zudem neue Therapiekonzepte, wie die intraperitoneale Chemotherapie, kombiniert mit Hyperthermie (sog. HIPEC) eingesetzt, die in einzelnen Studien zu einer Verbesserung der 5-JÜR, bei allerdings teils erhöhter Morbidität, geführt hat [7], [8]. Im rezidivierten oder palliativen Krankheitsstadium kommen weitere Chemotherapeutika wie Epirubicin, liposomales Doxorubicin, Topotecan und Trabectedin zum Einsatz.

Seit Dezember 2011 ist in Deutschland der VEGF-Antikörper Bevacizumab für die Kombinationstherapie mit Carboplatin und Paclitaxel und als anschließende Erhaltung (15x 3-wöchige Gaben; 15 mg/kg Körpergewicht) bei Patientinnen mit fortgeschrittenem (FIGO IIIC) oder metastasiertem (FIGO IV) Ovarialkarzinom zugelassen. Insbesondere in dieser Hochrisikogruppe zeigte sich eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) um fast 8 Monate [9]. Weitere antiangiogenetisch wirkende Substanzen werden z.Zt. in Phase III-Studien getestet (Nintedanib, Trebananib, Cediranib).

Des Weiteren wurde Anfang 2015 mit Olaparib der erste PARP-Inhibitor für die Therapie beim BRCA-assoziierten, rezidivierten Ovarialkarzinom zugelassen. Ausschlaggebend für die Zulassung waren die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit Patientinnen mit Platin-sensitivem, high-grade serösem Ovarialkarzinom, in der Olaparib das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Placebo signifikant von 4,3 Monaten auf 11,2 Monate verlängerte [10]. Nach Niraparib in 2017 erfolgte mit der Zulassung Rucaparib im März 2019 ein dritter PARP-Inhibitor für die Behandlung des Ovarialkarzinoms in Deutschland.


Sozialmedizinische Begutachtung

Infolge der allgemein intensiven Therapie bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom kommt es zu unterschiedlichen Akut-Toxizitäten oder postoperativen Komplikationen [11], [12], [13], [14] sowie zu einer teils massiven psychischen Belastung und Beeinträchtigungen der Lebensqualität [15], [16]. Daher lässt sich bei diesen Patientinnen ein erhöhter individueller Rehabilitationsbedarf dokumentieren ([17], [18], [19], s.a. Abbildung 1 [Abb. 1]), was auch darin zum Ausdruck kommt, dass bei Patientinnen mit bzw. nach Ovarialkarzinom die Erwerbsfähigkeit auch langfristig beeinträchtigt sein kann.

Im Folgenden werden typische posttherapeutische Folgestörungen oder Schädigungen, die eine Erwerbsminderung oder Beeinträchtigung der Teilhabe bewirken können, aufgeführt.

Folgen der operativen Therapie

In Anbetracht der meist großen operativen Eingriffe mittels Längsschnitt-Laparotomie besteht eine reduzierte mechanische Belastbarkeit (Heben/Tragen von >10 kg für 3–4 Monate, körperliche Zwangshaltungen). Zu bedenken ist, dass bei endständiger Stoma-Anlage meist langfristig eine Einschränkung für mittelschwere bzw. schwere körperliche Tätigkeiten besteht.

Als Folge der großen operativen Eingriffe kommt es bei vielen der Patientinnen zu teils ausgeprägten abdominellen Beschwerden. Dies umfasst neben postprandialen Beschwerden (Meteorismus, teils kolikartige Schmerzen) infolge einer Bridensymptomatik oder Aszitesbildung eine vermehrte Diarrhö-Neigung und in Abhängigkeit von der Länge der reserzierten Darmanteile Malabsorptionssyndrome und drohende Mangelernährung bis hin zur Notwendigkeit einer parenteralen Dauerernährung bei vorliegendem Kurzdarmsyndrom.

Insbesondere bei Resektionen im Bereich des Zökums und terminalen Ileums und chronischer Diarrhö ist auch an das Vorliegen einer postoperativen, chologenen Diarrhö zu denken, welche relativ leicht durch die orale Einnahme von Gallensäurebindern (z.B. Colestyramin) zu behandeln ist und daher unbedingt erkannt werden sollte, ebenso wie ein postoperativ bedingter Vitamin B12- oder Folsäuremangel. Des Weiteren ist die Anlage eines teilweise auch endständigen Stomas v.a. bei notwendiger Resektion des Rektums in bis zu 10% der Patientinnen notwendig.

Durch die komplette Entfernung der Ovarien und Adnexen kommt es, insbesondere bei jungen, prämenopausalen Frauen zu teils ausgeprägten Hormonausfallserscheinungen mit teils vegetativen Dysregulations- und Schlafstörungen.

Nach der Resektion von pelvinen und paraaortalen Lymphknoten kommt es nicht selten zum ein- oder beidseitigem Lymphödem der unteren Extremität, in teils bis zu 30% der betroffenen Patientinnen auch zur Ausbildung von Therapie-resistenten Lymphozelen mit lokaler Beschwerdesymptomatik (z.B. Thromboseneigung bei venöser Abflussbehinderung, Blasenentleerungsstörungen) und in über 10% zu einem Lymphödem der unteren Extremität(en). Hier sind Einschränkungen für Arbeiten in Zwangshaltung, stehende Tätigkeiten und/oder bei vermehrter Wärmeexposition zu beachten. Bei stärker ausgeprägten Lymphödemen (II°/III°) kann eine volle Erwerbsminderung vorliegen.

Nebenwirkungen der Chemotherapie, Immuntherapie und PARP-Inhibitoren

Eine der häufigsten und wichtigsten Nebenwirkungen dieser Chemotherapeutika (Platinverbindungen, Taxane) ist die Entwicklung einer peripheren Polyneuropathie (CIPN), die sich mit Kribbelparästhesien bis hin zu Gefühllosigkeit in Händen und Füßen, aber auch mit Schmerzen oder Störungen der Tiefensensibilität, mit evtl. dadurch bedingten Gangstörungen, äußern kann. Abhängig vom ausgeübten Beruf können hier massive Beeinträchtigungen bis zur dadurch bedingten Notwendigkeit einer beruflichen Umorientierung/Umschulung durch eine erhöhte Eigengefährdung (Sturzneigung!) oder chronische Störungen der Feinmotorik (z.B. in der Elektroindustrie) entstehen. Als weitere typische Nebenwirkung werden von den betroffenen Patientinnen das Auftreten von Konzentrationsstörungen im Rahmen eines „Chemobrains“ nach neurotoxischer Chemotherapie berichtet, was zu kognitiven Einschränkungen bzw. Selbst- oder Fremdgefährdung bei Überwachung und Steuerung von Maschinen und Kraftfahrzeugen führen kann.

Nicht nur unter Cis- sondern ebenfalls unter Carboplatin kann es zu einer Hörstörung im Hochfrequenzbereich (4.000–8.000 Hz) kommen.

In der Rezidivtherapie kommen neben liposomalem Doxorubicin v.a. Epirubicin, Gemzitabin, Trabectedin oder Topotecan zum Einsatz. Neben den allgemeinen Nebenwirkungen, die unter einer Rezidivtherapie vermehrt und prolongiert auftreten können (Knochenmarktoxizität mit Infektneigung, Schwäche bei chronischer Anämie, Diarrhö-Neigung), kommt es unter Therapie mit liposomalem Doxorubicin häufiger zu einem Hand-Fuß-Syndrom und ab einer Kumulativdosis >450 mg/m2 zu erhöhter Kardiotoxizität und unter Gemzitabin gelegentlich zu vermehrter Ödemneigung.

Bei prolongierter Leukopenie (>6 Monate) <500/µl Granulocyten ist die Leistungsfähigkeit bis zum Anstieg der Granulocyten >1.000 aufgehoben. Bei zusätzlicher Splenektomie kann auch langfristig eine Erwerbsminderung bzw. Einschränkungen bei Tätigkeiten mit vermehrtem Infektrisiko (Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft oder Publikumsverkehr, z.B. in Schulen, Kindergärten, Ämtern, etc.) bestehen.

Typische Nebenwirkungen der Therapie mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab sind in bis zu 20% die Ausbildung einer arteriellen Hypertonie sowie ein leicht gesteigertes Thromboserisiko. Eine erhöhte Rate an gastrointestinalen Perforationen wurde in dieser Patientenpopulation (im Gegensatz zur Behandlung von gastrointestinalen Tumorerkrankungen) nicht nachgewiesen. Abgesehen von möglichen Fehlzeiten infolge der über 1-jährigen adjuvanten/additiven Immuntherapie bestehen meist keine sozialmedizinisch-relevanten Folgestörungen durch die Immuntherapie.

Demgegenüber kann die langfristige Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor zu sozialmedizinischen Einschränkungen führen. Neben der Entwicklung einer chronischen Anämie ist hier insbesondere das Vorkommen von Fatigue-artigen Beschwerden zu erwähnen [20]. Da in mehreren Studien die Fatigue als ein Hauptrisiko für den „return-to-work“ nachgewiesen werden konnte, sollte ein besonderes Augenmerk auf diese Nebenwirkung der medikamentösen Tumortherapie gelegt werden.

Psychische Belastung

Unabhängig von dem Tumorstadium und den Therapiefolgen ist die psychische Belastung, die mit der Diagnose Eierstockkrebs verbunden ist, erheblich [15], [21], [22]. Wegen dem meist späten Diagnosezeitpunkt und einer nicht seltenen genetischen bzw. familiären Risikokonstellation (z.B. BRCA1/2-Mutationsträgerinnen) besteht bei den Patientinnen häufig eine starke (Rezidiv-)Angst, die, verstärkt durch teils massive Folgestörungen nach der langen multimodalen Therapie, zu Belastungs- und Anpassungsstörungen, teils zu Depressionen führen können. Typische Symptome sind neben Nervosität Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen und Antriebslosigkeit, die häufig somatisch in den Diagnosen „Fatigue-Syndrom“ oder „Chemobrain“ subsumiert werden bzw. ein klassisches Fatigue-Syndrom verstärken können. Sexuelle oder partnerschaftliche Probleme sind häufig und vielfältig infolge der postoperativ auftretenden Wechseljahrbeschwerden oder infolge eines subjektiv belastenden und veränderten Körperbildes (Alopezie, Stoma-Anlage, etc.).

Eine teilweise Erwerbsminderung (3– <6 Stunden/Tag) oder volle Erwerbsminderung (<3 Stunden/Tag) kann bei Kombination mehrerer der oben genannten Bedingungen vorliegen.

Bei fortgeschrittener metastasierter Erkrankung ist das Leistungsvermögen aufgehoben (vorgezogene Berentung nach §116 SGB VI).

Schwerbehinderung

Im Schwerbehindertenrecht (VersMedV) ist das Ovarialkarzinom berücksichtigt [23]. Es muss zur endgültigen Beurteilung eine Heilungsbewährung von 3 bzw. 5 Jahren abgewartet werden. Dabei ist die GdS-Tabelle (Tabelle 3 [Tab. 3]) zu berücksichtigen.

Darüber hinaus findet auch ein bestehender, unerfüllter Kinderwunsch oder postoperativ schlecht behandelbare Hormonausfallserscheinungen (klimakterisches Syndrom) bei jungen Patientinnen Berücksichtigung, was zusätzlich zu einer GdB/GdS von 20–30 führt.

Infolge der intensiven multimodalen Therapie mit häufigen Therapie-induzierten Folgestörungen, insbesondere nach multiviszeral-chirurgischen Eingriffen, kann auch bei kurativ behandelten Patientinnen langfristig ein GdB von 80–100 bestehen (z.B. bei chronischer CIPN, Stoma-Anlage, etc.).

Pflegebedürftigkeit

Da leider bei über 70% der betroffenen Patientinnen die Erkrankung erst im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium (FIGO III/IV) diagnostiziert wird, droht häufig im Verlauf der Erkrankung bei Rezidiv oder Progress Pflegebedürftigkeit. Neben allgemeiner Schwäche stehen Mangelernährung, abdominelle Schmerzen sowie eine häufige, teils ausgeprägte maligne Aszitesbildung im Vordergrund. Daher sollte bei Diagnose einer Progredienz eines metastasierten Ovarialkarzinoms frühzeitig die Patientin bzw. Familienangehörige über häusliche Hilfen bis zur palliativen Mitbetreuung informiert werden.


Schlussfolgerung

Trotz neuer, medikamentöser Therapieansätze (PARP-Inhibitoren, VEGF-AK, etc.) zeichnet sich das Ovarialkarzinom infolge der späten Diagnosestellung durch eine unverändert schlechte Langzeit-Prognose aus. Infolge der dadurch meist multimodalen, intensiven Therapie kommt es bei den betroffenen Frauen zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Reha- und Teilhabe-relevanten Folgestörungen, die sowohl der Arzt und Therapeut bei der Rehabilitation und Nachsorge, aber auch der Sozialmediziner bei seiner Leistungsbeurteilung kennen und beachten muss. Patientinnen nach multimodaler Therapie haben daher einen deutlich erhöhten Rehabilitationsbedarf und sollten in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen mit zusätzlicher gastrointestinaler und psychoonkologischer Expertise therapiert werden.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


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