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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Mit welchen Verweildaueränderungen gehen Whiteboards als Lean-Management-Werkzeuge einher? Eine retrospektive Zeitreihenstudie in zwei Krankenhäusern

What changes of the length of stay are associated with whiteboards as lean management instruments? A retrospective timeseries analysis in two hospitals

Originalarbeit

  • Julia Botschmanowski - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • Lisa Nolte - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • Jens Hüsers - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • Moritz Esdar - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • corresponding author Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2021;17(4):Doc18

doi: 10.3205/mibe000232, urn:nbn:de:0183-mibe0002328

Published: September 20, 2021

© 2021 Botschmanowski et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Whiteboards können als ein Instrument des Lean Managements zur Steuerung der Verweildauer auf Stationen eingesetzt werden, um aktuelle Patienteninformationen zu bündeln und in regelmäßigen strukturierten sowie interdisziplinären Besprechungen die Patientenversorgung zu steuern, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu optimieren und das Entlassungsmanagement zu verbessern. Das Ziel dieser Studie bestand darin, zu untersuchen, inwiefern die Einführung von Whiteboards in zwei Kliniken mit einer Veränderung der Verweildauer einherging.

Methode: Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurden retrospektive Zeitreihen aus den DRG-Routinedaten vor und nach Installation der Whiteboards aus den beiden Kliniken in einem Interrupted Time Series Design genutzt. In der einen Klinik (Chirurgie) lagen 3.734 Fälle für den Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2019 und in der anderen Klinik (Innere Medizin) 54.049 Fälle für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2019 vor.

Ergebnisse: In dem gemittelten Vergleich der Verweildauer (relative Verweildauerabweichung pro DRG von dem jeweiligen Verweildauermittel) konnte in der ersten Klinik kein signifikanter Unterschied zwischen den Werten vor und nach Einführung des Boards festgestellt werden. Am zweiten Klinikum zeigte sich sogar im Vorher-Nachher-Vergleich eine signifikante Verschlechterung der Verweildauer. Eine deskriptive Zeitreihenanalyse vor und nach Einführung zeigte in beiden Kliniken, dass kurz nach der Einführung der Boards sich die Verweildauer verschlechterte, anschließend jedoch verbesserte, d.h. dass die Patienten durchschnittlich früher entlassen wurden. Dieser Unterschied ging jedoch im Zeitverlauf wieder zurück.

Diskussion: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keine Verbesserung in der Verweildauer im Zuge der Nutzung der Whiteboards durch einen reinen Vorher-Nachher-Vergleich nachweisbar war. In der anschließenden Zeitreihenbetrachtung zeigten sich starke Schwankungen, die zunächst mit einer kurzzeitigen Verschlechterung der Verweildauer nach der Implementierung einhergingen und dann zu einer Verbesserung führten. Im Zeitverlauf verblasste der Unterschied jedoch, sodass die Patienten wieder später entlassen wurden. Methodisch zeigt sich, dass im Gegensatz zu der reinen Vorher-Nachher-Analyse erst eine Zeitreihenbetrachtung einen Einblick in das Geschehen und seine Variabilität lieferte. Für die Praxis ergeben sich folgende Implikationen: Whiteboards können als ein hilfreiches Instrument von Lean Management zur Verweildauersteuerung angesehen werden, wie die zwischenzeitlichen Verbesserungen nahelegen. Dies erfordert jedoch eine kontinuierliche, unter Einbezug der Mitarbeiter durchgeführte Pflege der Informationen und einen erkennbaren Mehrwert. Perspektivisch empfiehlt sich zudem eine Digitalisierung der Boards, um den Nachteilen wie der manuellen Pflege entgegenzuwirken.

Schlüsselwörter: Lean Management, Verweildauersteuerung, Entlassungsmanagement, Whiteboard, Patient Journey Board, Prozessoptimierung, Evaluation

Abstract

Introduction: Whiteboards are lean management instruments that serve to govern the length of stay on hospital wards. They are implemented to bundle up-to-date patient information, to enable regular and structured interdisciplinary team meetings, to stimulate the collaboration within the team and hereby to govern the care process and improve the discharge management. The aim of this study was to investigate, whether the implementation of whiteboards was associated with a change of the length of stay.

Methods: In order to answer the research question, a retrospective interrupted timeseries analysis of DRG routine data before and after implementation of whiteboards in two hospitals was performed. A total of 3,734 clinical cases covering the period January 2018 to December 2019 from one hospital (medical specialty surgery) and 54,049 clinical cases from the period July 2013 to December 2019 from the second hospital (medical specialty internal medicine) were included.

Results: Comparing the average length of stay before and after (expressed as the relative difference from the statewide mean per DRG) showed no significant difference for the first hospital and a significant deterioration for the second hospital. The descriptive timeseries analysis revealed in both hospitals, that the length of stay worsened shortly after the introduction of the whiteboards, however, improved later, which meant that patients were discharged earlier. During the further course, this difference faded reaching the baseline level values.

Discussion: In summary, no improvement of the length of stay could be found in a before-after comparison of the means. The descriptive timeseries analysis could partly explain these findings revealing a strong variability that reflected a short-term worsening followed by improvements, which, however, in the end did not last. This meant that patients were discharged again later. From a methodological point of view, only the timeseries perspective could yield an insight into the course of the events whereas the comparison of the averages aggregating the values could not capture the variability. From a practical point of view, it can be concluded that whiteboards can be a useful lean management instrument to govern the length of stay as the short-term improvements suggest. However, this requires the staff to continuously update the information on the board and for the entire handling to yield a tangible added value for the staff. Therefore, it seems rewarding to implement digital whiteboards to mitigate the manual effort of updating the information on the board.

Keywords: lean management, length of stay, discharge management, whiteboard, patient journey board, process optimisation, evaluation


Einleitung

Die Umstellung auf das DRG-System (Diagnosis Related Groups) führte für deutsche Krankenhäuser zu einem steigenden Wirtschaftlichkeitsdruck und der Notwendigkeit, Prozesse effizient und patientenorientiert zu gestalten, um auch in Zukunft eine qualitative und wirtschaftliche Patientenversorgung sicherzustellen [1], [2]. Krankenhäuser erhalten für eine Verweildauer zwischen der unteren und der oberen Grenzverweildauer denselben Erlös, aus welchem die Aufwendungen finanziert werden müssen [3], [4]. Ab Erreichen der mittleren Verweildauer übersteigen die Behandlungskosten die Erlöse [3], [5]. Die pauschalierte Entgeltsystematik nach dem DRG-System setzt somit den Anreiz, die Verweildauer zu reduzieren [4].

Als ein Ansatzpunkt hierfür eignet sich das Lean Management, welches das Ziel verfolgt, durch eine Vermeidung von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten die Kosten der Leistungsprozesse zu reduzieren und die Patientenorientierung, Prozessqualität und Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu verbessern [2], [6]. Durch diesen Ansatz soll der Fokus auf den zentralen Werttreibern liegen, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Qualität, Zeit und Kosten des Unternehmens haben [7]. Bezogen auf ein Krankenhaus schließt dies z.B. die Verweildauer, das Qualitätsmanagement und die Kosten-Leistungs-Struktur mit ein [1].

Analoge Whiteboards und digitale Electronic Patient Journey Boards können als ein Instrument des Lean Managements zur Steuerung der Verweildauer auf Stationen eingesetzt werden. Analoge Whiteboards sind am Stationsstützpunkt angebrachte Boards, auf welchen wesentliche Patientendaten (z.B. Name, Diagnose, geplante Therapien, Entlassungsdatum) dokumentiert und täglich im Behandlungsteam besprochen werden. Bei Electronic Patient Journey Boards handelt es sich um softwaregesteuerte Whiteboards. Sowohl analoge Whiteboards als auch Electronic Patient Journey Boards verfolgen das Ziel, durch eine tägliche Besprechung der Abläufe die interdisziplinäre Kommunikation und die Koordination von Diagnostik und Behandlungen zu verbessern. Hierdurch ergibt sich das Potenzial, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu optimieren, Entlassungen besser zu organisieren und die Verweildauer zielgerichtet zu steuern [6].

Verschiedene Studien haben bereits die Auswirkungen von Whiteboards und Electronic Patient Journey Boards auf die Patientenversorgung untersucht. Es zeigt sich, dass durch den Einsatz von Whiteboards die Kommunikation im Team und der Ablauf der Prozesse verbessert werden konnte [8], [9], [10]. Auch die Entlassungsplanung konnte in den Studien durch das zeitnahe Schreiben von Entlassungsbriefen und Medikamentenplänen verbessert werden [8], [9]. Damit die Whiteboards effektiv im Stationsalltag genutzt werden können, ist es nach Chaboyer et al. wichtig, dass alle an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen in die Planungsphase einbezogen und geschult werden [8].

Auch Studien, in denen Electronic Patient Journey Boards untersucht wurden, konnten ähnliche Auswirkungen auf die Patientenversorgung feststellen. So wurde auch durch den Einsatz der elektronischen Boards die Kommunikation im Team [11], [12] und die Entlassungsplanung durch die Nutzung eines Ampelsystems zur Darstellung des geschätzten Entlassungszeitpunkts [12] verbessert. Darüber hinaus ermöglichen Electronic Patient Journey Boards eine bessere Übersicht über bereits abgeschlossene und noch ausstehende Einweisungen dadurch, dass alle Informationen auf einen Blick ersichtlich sind [11], [12]. Clark et al. konnten zudem durch ein verbessertes Kommunikations- und Informationsmanagement Zeiteinsparungen von 20 Minuten pro Mitarbeiter und Schicht bis hin zu 2,5 Stunden pro Station und Tag feststellen [12]. Auch in der Studie von Wong et. al. stimmten 62% der Teilnehmer zu, dass durch das Board Zeit bei der Suche nach Informationen eingespart werden kann [11]. Im Vergleich zu Whiteboards konnten Clark et al. und Rolls et al. eine deutliche Reduktion der Verweildauer bzw. der Case-Mix-adjustierten Verweildauer seit Einführung der elektronischen Boards feststellen [12], [13].

Im Gegensatz zu den anderen Studien kamen Tariq et al. zu dem Ergebnis, dass Electronic Patient Journey Boards die Teamkommunikation auf den Stationen nicht verbessern. Dies erklärten sie durch Barrieren für die Akzeptanz und optimale Nutzung wie z.B. einen unpassenden Standort des Boards, eine inkonsistente Aktualität der Informationen, eine mangelnde Anpassung an die verschiedenen Benutzergruppen sowie ein fehlendes gemeinsames Verständnis für den Zweck der Electronic Patient Journey Boards zwischen den Berufsgruppen [14].

Da im deutschsprachigen Raum bisher kaum Arbeiten – hauptsächlich in Form von Praxisberichten z.B. [15], [16] – veröffentlicht wurden, soll mit der vorliegenden Studie eine wissenschaftliche Evaluation zunächst der nicht-elektronischen Form, der Whiteboards, in Deutschland erfolgen. Das Ziel dieser Studie bestand darin, zu untersuchen, inwiefern die Einführung von Whiteboards mit einer Veränderung der Verweildauer einherging. Konkret lautete die erste Forschungsfrage, ob sich die mittlere Verweildauer vor Einführung von der mittleren Verweildauer nach Einführung unterschied. Die zweite Forschungsfrage betraf die Zeitreihenbetrachtung. Hier wurde gefragt, ob sich der Verlauf der Verweildauer vor Einführung von dem nach der Einführung differenzierte.


Methodik

Die Datenerhebung wurde in zwei Kliniken in Bayern, dem Klinikum Altmühlfranken und dem Klinikum Traunstein durchgeführt. Das Klinikum Altmühlfranken ist ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung in öffentlicher Trägerschaft mit zwei Standorten in Oberbayern: Gunzenhausen und Weißenburg. In die Evaluation wurde nur der Standort Gunzenhausen einbezogen, welcher über 190 Betten verfügt. 2019 lag die stationäre Fallzahl am Standort Gunzenhausen bei 8.439, die ambulante Fallzahl bei 12.982.

Das Klinikum Traunstein gehört zu der Kliniken Südostbayern AG, die mit Krankenhäusern an sechs Standorten (Bad Reichenhall, Berchtesgaden, Freilassing, Ruhpolding, Traunstein und Trostberg) die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land im Südosten Bayerns versorgt. Das Klinikum Traunstein ist ein Krankenhaus der gehobenen Schwerpunktversorgung in kommunaler Trägerschaft mit 548 Betten. Im Jahr 2019 wurden im Klinikum Traunstein 29.634 vollstationäre und 34.901 ambulante Fälle behandelt.

Bei den Whiteboards am Klinikum Altmühlfranken und am Klinikum Traunstein handelt es sich um Whiteboards, an welchen für die Patientenbehandlung (Untersuchungen, Operationen, mittlere Verweildauer, geplantes Entlassungsdatum etc.) relevante Informationen täglich strukturiert besprochen werden (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurden retrospektive Zeitreihen aus den DRG-Routinedaten vor und nach Installation der Whiteboards aus den beiden Kliniken in einem Interrupted Time Series Design genutzt. Die DRG-Daten wurden im Klinikum Altmühlfranken aus dem Data Warehouse, im Klinikum Traunstein aus den §21-KHG-Datensätzen bezogen. Es handelte sich in beiden Fällen um qualitätsgesicherte Daten.

Durch die Analyse der DRG-Daten sollte die Auswirkung der Boards auf die Verweildauer analysiert werden. Um unterschiedliche Verweildauern zu berücksichtigen und Verzerrungen der Ergebnisse zu vermeiden, wurden die Analysen auf Basis der Variable „relative Abweichung der Ist-Verweildauer von der mittleren Verweildauer“ Formel 1, abgekürzt „relative Verweildauerabweichung“, durchgeführt. Dabei wurden die mittleren Verweildauern (Landeswerte der Verweildauern) pro DRG verwendet, um der unterschiedlichen Patientenklientel – ausgedrückt durch die unterschiedlichen DRGs mit den dazugehörigen mittleren Verweildauern – zu den unterschiedlichen Zeitpunkten Rechnung zu tragen. Ein negativer Wert der Variable zeigt eine Verschlechterung, ein positiver eine Verbesserung an.

An beiden Krankenhäusern erfolgte ein Vorher-Nachher-Vergleich auf Basis der wöchentlichen Werte der „relativen Verweildauerabweichung“. Am Klinikum Altmühlfranken wurde die Auswertung auf Stationsebene für die Zeitspanne Januar 2018 bis Dezember 2019 durchgeführt, da noch nicht auf allen Stationen Whiteboards eingeführt waren. Für die Analyse der Daten stand eine chirurgische Station mit 3.734 Fällen und einem Case-Mix-Index von 1,23 zur Verfügung, auf welcher das Board im September 2018 (Einführungsperiode siehe Balken in Abbildung 2 [Abb. 2]) eingeführt wurde. Für das Klinikum Traunstein lagen die Verweildauerdaten in geeigneter Form nur auf Fachabteilungsebene vor. Betrachtet wurde hierbei der Fachbereich Innere Medizin mit 54.049 Fällen und einem Case-Mix-Index von 0,97 für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2019, in welchem die Whiteboards im dritten Quartal 2016 eingeführt wurden. Bei der Analyse der relativen Verweildauerabweichung vor und nach Implementierung des Whiteboards wurde eine Einführungsperiode von drei Monaten nach Einführungszeitpunkt veranschlagt, um die Übergangsphase, in der Mitarbeiter geschult wurden bzw. sich mit dem Whiteboard vertraut machten, zu berücksichtigen.

Die Auswertung erfolgte in IBM SPSS Statistics. Um Trends zu identifizieren, wurde der zeitliche Verlauf zunächst mit dem zentriert gleitenden Durchschnitt über jeweils 12 Wochen geglättet. Da die Werte sehr stark schwankten, wurden die Verläufe nur visuell interpretiert und kein Trendmodell zugrunde gelegt. Um auf Unterschiedlichkeit zu testen, wurden zudem t-Tests für abhängige Stichproben durchgeführt. Die Stichprobe umfasste zwar nicht dieselben Personen, jedoch dieselbe Station bzw. denselben Fachbereich sowie nach DRG-Gruppen gematchte Fälle. Das Matching wurde jeweils für die Station bzw. den Fachbereich über einen Fallkontrollabgleich nach der DRG durchgeführt, sodass in die Analyse nur DRG-Paare eingeschlossen wurden, die vor und nach Einführung auf der Station bzw. dem Fachbereich abgerechnet wurden.


Ergebnisse

Auf der chirurgischen Station des Klinikums Altmühlfranken wurden 120 gematchte DRG-Paare in den t-Test für abhängige Stichproben eingeschlossen, sodass jeweils für den Zeitraum vor und nach der Einführung 120 verschiedene DRGs auf Basis der 3.734 Fälle im Hinblick auf die relative Verweildauerabweichung betrachtet wurden (Tabelle 1 [Tab. 1]). Vor der Einführung der Boards besaßen die Patienten durchschnittlich eine um 7,4% längere Verweildauer im Vergleich zum Landesmittel (relative Verweildauerabweichung = –0,0740). Nach der Einführung verbesserte sich die Abweichung zur mittleren Verweildauer auf 0,6% (relative Verweildauerabweichung = –0,0058). Im Vorher-Nachher-Vergleich wurden die Patienten auf der chirurgischen Station am Klinikum Altmühlfranken demnach nach der Einführung der Boards im Durchschnitt früher, jedoch weiterhin nicht vor Erreichen der mittleren Verweildauer entlassen (negatives Vorzeichen). Mit einem p-Wert von 0,437 war dieses Ergebnis nicht signifikant.

In die Datenanalyse für den Fachbereich Innere Medizin am Klinikum Traunstein wurden 547 DRG-Paare auf Basis der 54.049 Fälle eingeschlossen (Tabelle 2 [Tab. 2]). Ein deskriptiver Vergleich der Mittelwerte vor und nach Einführung der Boards zeigt, dass die Patienten vor Einführung um durchschnittlich 14,8% früher als die mittlere Verweildauer (relative Verweildauerabweichung = 0,1484) und nach Einführung der Boards um durchschnittlich 5,7% später als die mittlere Verweildauer (relative Verweildauerabweichung = –0,0579) entlassen wurden. In diesem untersuchten Fachbereich hatten die Patienten damit im Durchschnitt nach der Einführung der Boards eine längere Verweildauer als vor Einführung. Mit einem p-Wert von 0,000 war dieses Ergebnis in einem t-Test für abhängige Stichproben signifikant.

Für den zeitlichen Verlauf der relativen Verweildauerabweichung zeigte sich auf der chirurgischen Station des Klinikums Altmühlfranken bereits vor Einführung des Whiteboards ein Anstieg der Werte in den positiven Bereich ab (Abbildung 2 [Abb. 2]). Das bedeutete, dass hier die Patienten bereits zunehmend eher als die mittlere Verweildauer entlassen wurden. Zum Einführungszeitpunkt verschlechterte sich die relative Verweildauerabweichung zunächst bis zu einem Niveau von –0,1 (Entlassung um 10% schlechter als die mittlere Verweildauer). Nach der Einführung verbesserte sich die relative Verweildauerabweichung auf ca. 0,12 (Verweildauer 12% besser als mittlere Verweildauer), bevor sie sich anschließend wieder verschlechterte und Werte unterhalb der mittleren Verweildauer einnahm.

Auch im Fachbereich Innere Medizin am Klinikum Traunstein zeigte sich im zeitlichen Verlauf eine ähnliche Entwicklung (Abbildung 3 [Abb. 3]). Zu Beginn des Betrachtungszeitpunkts war die Verweildauer durchschnittlich 28% besser als die mittlere Verweildauer (relative Verweildauerabweichung = 0,28). Bis zu der Einführung der Boards schwankten die Werte zwischen ca. 0,26 und 0,32 (Trend steigend), bevor sie sich zum Einführungszeitpunkt auf 0,23 verschlechterten (Verweildauer um 26%, 32% bzw. 23% besser als die mittlere Verweildauer). Nach der Einführung verbesserte sich die relative Verweildauerabweichung auf bis zu 0,36 (Verweildauer um 36% besser als mittlere Verweildauer), bevor sie sich auch in diesem Fachbereich wieder verschlechterte und niedrigere Werte als vor der Einführung annahm. Im Gegensatz zu der Chirurgischen Station im Klinikum Altmühlfranken lagen die Werte jedoch alle im positiven Bereich, d.h. die Verweildauern waren kürzer als die mittlere Verweildauer.


Diskussion

In dem gemittelten Vergleich der relativen Verweildauerabweichung konnte am Klinikum Altmühlfranken kein signifikanter Unterschied zwischen den Werten vor und nach Einführung des Boards festgestellt werden. Am Klinikum Traunstein zeigte sich dagegen im Vorher-Nachher-Vergleich eine signifikante Verschlechterung der Verweildauer. Da man davon ausgehen konnte, dass die über die Zeit vor und nach der Einführung gemittelten Verweildauern keinen guten Einblick in das Geschehen ergeben würden, wurde eine deskriptive Zeitreihenanalyse angeschlossen. Diese zeigte, warum keine eindeutigen Unterschiede festgestellt werden konnten. An beiden evaluierten Standorten ergab sich dabei für die unterschiedlichen Fachdisziplinen ein ähnlicher Verlauf: Kurz nach der Einführung der Boards verschlechterte sich die Verweildauer, sodass die Patienten im Durchschnitt zunächst im Hinblick auf die Verweildauertage später entlassen wurden. Anschließend verbesserte sich zwar die Verweildauer zum Teil auch deutlich – die Patienten wurden durchschnittlich früher entlassen –, bevor der Unterschied im Zeitverlauf wieder verblasste, sodass in einer gepoolten Vorher-Nachher-Betrachtung kein Unterschied ersichtlich war.

Die Ergebnisse der Zeitreihendarstellung könnten dadurch erklärt werden, dass den Boards nach einigen Monaten möglicherweise weniger Aufmerksamkeit gewidmet wurde und die mit dem Whiteboard verbundenen Besprechungen, Abmachungen im interprofessionellen Team und Prozesse nicht mehr in der Weise stattfanden wie geplant. In der Literatur wird beschrieben, dass die Ebenen Prozesse, Kultur und Führung gleichermaßen berücksichtigt werden müssen, um Lean Management nachhaltig erfolgreich umzusetzen. Keine der drei Ebenen kann für eine erfolgreiche Umsetzung ausgeschlossen werden [17], [18]. Häufig liegen die Gründe für Umsetzungsschwierigkeiten zudem nicht in schlechten Prozessen, sondern in den Ebenen Kultur und Management [18]. Dies könnte bedeuten, dass sich im Untersuchungszeitraum keine nachhaltige Kultur rund um das Whiteboard entwickeln konnte und damit das Whiteboard als Werkzeug unbrauchbar wurde. Dies könnte zum einen die Akzeptanz der Mitarbeiter und die verbindliche Einhaltung von Verantwortlichkeiten betreffen. Zum anderen könnte es auch die aktive Beteiligung aller Berufsgruppen und die vollständige sowie pünktliche Teilnahme umfassen. Letztlich müssen die Besprechungen an den Boards als eine Unterstützung und das Board als nützliches Tool wahrgenommen werden, durch den der Stationsalltag erleichtert wird.

Auch in der Literatur finden sich Hinweise dafür. So konnten Tariq et al. zeigen, dass ein fehlendes gemeinsames Verständnis für den Zweck des Boards eine Barriere für die optimale Nutzung darstellt [14]. Auf der Mitarbeiterebene muss ein Verständnis für notwendige Veränderungen geschaffen werden. Die Mitarbeiter müssen von den Maßnahmen überzeugt sein, damit Veränderungsmaßnahmen erfolgreich sind. Die kontinuierliche Verbesserung muss dabei als ein fortwährender Prozess durch das Management getragen werden. Hierbei geht es um die Beteiligung der Führung, das Vor-Ort-Sein und Vorleben [18]. Die Mitarbeiter müssen sowohl frühzeitig in die Konzeption und Umsetzung der Boards als auch im weiteren Verlauf in die kontinuierliche Verbesserung einbezogen werden, um die Bedarfe abzufragen und entsprechende Verbesserungen abzuleiten [14]. Dies stellt einen langwierigen und kontinuierlichen Prozess dar, der immer wieder reflektiert werden muss.

Ferner ist auch der Verlauf vor Einführung der Whiteboards von Interesse, der einen positiven Trend der Verweildauer widerspiegelt. Während dieser Zeit fanden Schulungen zu Lean Management statt, die vermutlich bereits die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung von schlanken Prozessen lenkte. Dem weiteren Verlauf zufolge wurde dieser positive Trend zunächst im Zuge der Einführung des Boards unterbrochen. Hier spielte vermutlich die organisatorische und praktische Umstellung auf zusätzliche Treffen des Teams am Morgen eine Rolle. Dieser Sachverhalt zeigt, dass die Einführung von Boards eine komplexe Intervention ist, die nicht punktgenau erfolgt und die selbst zunächst eine Disruption verursachen kann.

Die vorliegende Studie geht mit folgenden Einschränkungen einher. Da es sich um eine retrospektive Untersuchung handelte, konnten keine begleitenden Phänomene, die möglicherweise als konfundierte Faktoren Einfluss nehmen konnten, erfasst werden. Auch wenn sich der Case Mix Index für die beiden betrachteten Einheiten nicht deutlich unterschied, so wäre eine Korrektur des möglichen Einflusses des Schweregrades sinnvoll. Das retrospektive, nicht kontrollierte Studiendesign erlaubt keine kausalen Aussagen, auch wenn eine Zeitreihendarstellung einen tieferen Einblick verschafft als ein reiner Vorher-Nachher-Mittelwertvergleich. Bei den beiden Untersuchungseinheiten handelte es sich um unterschiedliche Fachrichtungen, die zudem zum einen auf Stations- und zum anderen auf Fachbereichsebene untersucht wurden. Somit sind diese Einheiten nicht wirklich vergleichbar. Andererseits zeigten sich gerade in der Zeitreihendarstellung ein ähnliches Phänomen, sodass die Aussagen dieser Studie darüber eine größere Validität erhalten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Whiteboards in beiden Kliniken und in unterschiedlichen Fachdisziplinen mit einer kurzfristigen Verbesserung der Verweildauer einhergingen. Im Zeitverlauf verblasste der Effekt wieder, sodass die Patienten wieder später entlassen wurden. Für die Praxis ergeben sich folgende Implikationen: Boards zur Verweildauersteuerung können als ein hilfreiches Instrument angesehen werden, um Kommunikation, Zusammenarbeit und Ablauf der Prozesse zu verbessern. Jedoch reicht es nicht aus, diese Tools nur zu implementieren, sie müssen auch kontinuierlich unter Einbezug der Mitarbeiter gepflegt und weiterentwickelt werden. Die Mitarbeiter müssen in die Veränderungs- und Verbesserungsprozesse miteinbezogen werden und den Mehrwert, der sich für sie durch die Anwendung dieser Tools ergibt, deutlich erkennen, um die Akzeptanz zu stärken. Nur, wenn die drei Ebenen Prozesse, Kultur und Führung gleichermaßen berücksichtigt werden, kann in der Praxis ein nachhaltiger Effekt erzielt werden. Perspektivisch empfiehlt sich zudem eine Digitalisierung der Boards, um festgestellte Nachteile wie manuelle Übertragungen auf Whiteboards, verschmierte Schrift auf den Boards sowie die begrenzte Menge an übersichtlich darzustellender Information weiter zu verbessern. Ein Konzept für eine entsprechende Digitalisierung wurde für ein Patienten Board, das in einigen Punkten den hier vorgestellten Whiteboards ähnelt, erarbeitet und testweise erprobt [19]. Es empfiehlt sich, die Studie mit elektronischen Boards bzw. mit einer konstanten Begleitung der Unterstützung zu wiederholen, um die Ebene der Kultur näher zu analysieren.


Anmerkungen

Danksagung

Der Dank gilt allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Klinikums Altmühlfranken und des Klinikums Traunstein, die diese Studie erst ermöglicht haben. Insbesondere bedanken wir uns bei Herrn Reinhold Frank, Leiter Qualitäts- und Organisationsentwicklung, Kliniken Südostbayern, und Herrn Christoph Schneidewin, Vorstand des Klinikums Altmühlfranken. Zudem bedanken wir uns bei Frau Evelyn Möhlenkamp, die die Idee zur Evaluation der Team- und Belegungsboards aufgrund Ihrer ehemaligen Tätigkeit hergestellt hat.

Interessenkonflikte

Die Autor*innen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Beiträge der Autor*innen

Julia Botschmanowski und Lisa Nolte (Masterabsolventinnen) konzipierten die Studie zusammen mit Ursula Hübner und Jens Hüsers (Betreuer*in der Masterarbeit). Jens Hüsers und Moritz Esdar begleiteten die Arbeiten im Bereich praktische Auswertung. Julia Botschmanowski, Lisa Nolte und Ursula Hübner formulierten das Manuskript mit Beiträgen von allen Autor*innen.


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