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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Stellungnahme der AWMF zum Referentenentwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2015;12:Doc1

doi: 10.3205/awmf000300, urn:nbn:de:0183-awmf0003003

Received: February 10, 2015
Published: March 25, 2015

© 2015 Müller.
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Zusammenfassung

Der Gesetzentwurf vom 13. 01. 2015 ging der AWMF auf Nachfrage am 22. 01. 2015 zur Stellungnahme zu. Die AWMF bat ihrerseits ihre Mitgliedsfachgesellschaften, bei gesehenem Bedarf eine eigene Stellungnahme zu verfassen.

Die bis einschließlich 10. 02. 2015 bei der AWMF eingegangenen Stellungnahmen/Kommentare von 12 Fachgesellschaften wurden der Stellungnahme der AWMF ans BMG als Anlage beigefügt und sind auf der AWMF-Website unter "Stellungnahmen" dokumentiert.

Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und ihre Tochtergesellschaften sowie die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) wollten Stellungnahmen bis zum 13. 02. 2015 direkt nachreichen. Die AWMF hat das BMG gebeten, diese noch zu berücksichtigen, da die Einbindung der AWMF und ihrer Fachgesellschaften in den Stellungnahmeprozess verspätet erfolgte.

Die Einzelstellungnahmen der Fachgesellschaften zeigen, wie wichtig der medizinischen Wissenschaft die Ziele des Gesetzes sind.


Text

Die AWMF begrüßt das Vorliegen dieses Gesetzentwurfs. Insbesondere die durch das Gesetz angestrebte Verbesserung der Interoperabilität der informationstechnischen Systeme im Gesundheitswesen stellt eine entscheidende Voraussetzung für den Aufbau und den effektiven Einsatz Telemedizin-gestützter Versorgungsleistungen dar und ist zudem entscheidend für eine sektorenübergreifende Sicherung der Versorgungsqualität.

Die Ausgestaltung der Telemedizin-gestützten Versorgungsleistungen sollte aber Regelungen der Selbstverwaltung unter Einbeziehung von Experten, u.a. der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, überlassen bleiben.

Die AWMF kann nachvollziehen, dass das Gesetz sich zunächst nur auf den Medikationsplan, den Entlassbrief, die Arztbriefe und die konsiliarische Befundbeurteilung beschränkt. Die Beschränkung auf diese Applikationen darf aber nicht dazu führen, dass spätere Erweiterungen oder der Einbezug weiterer Anwendungen behindert werden.

Um eine zukunftssichere Interoperabilität zu gewährleisten, ist auf internationale Standards unter Einbeziehung zuständiger normgebender Organisationen (z.B. ISO, HL7, DIN) zurückzugreifen - auch um regionale oder nationale „Insellösungen“ zu vermeiden.

Nicht im Gesetzentwurf adressiert sind sowohl die begleitende als auch die schließende Evaluation der geplanten Maßnahmen zum Aufbau der Telematik-Infrastrukturen und technischen Spezifikationen sowie deren Anwendung für Versorgungsleistungen durch unabhängige Experten. Die AWMF schlägt dringend vor, im Sinne einer evidenzbasierten Gesundheitsversorgung diese noch einzufügen.

Auch die Belange der medizinischen Forschung, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und der IT-Weiter- und Fortbildung wurden im Referentenentwurf außen vor gelassen (siehe GMDS-Stellungnahme im Anhang sowie die von der TMF koordinierte Stellungnahme). Die Wege für diese Bereiche dürfen ebenfalls bei den anstehenden Entwicklungen der Telematik-Infrastruktur nicht versperrt werden.

Nicht zuletzt hält die AWMF es für wichtig, im Gesetzentwurf auch den betroffenen Patientin-nen und Patienten gerecht zu werden. Im Sinne des Datenschutzes und der Patientenautonomie sollte ein Widerspruchsrecht in Bezug auf die zu erfassenden und zu speichernden Patientendaten bestehen.

Die AWMF nimmt insbesondere zu folgenden spezifischen Aspekten des Gesetzentwurfs Stellung:

  • § 31a Medikationsplan
  • § 291b Gesellschaft für Telematik
  • § 291d Integration offener Schnittstellen in informationstechnische Systeme
  • § 291f und g elektronischer Entlassbrief / Vereinbarung zum elektronischen Entlassbrief und Bestätigung von informationstechnischen Systemen
  • § 291i Vereinbarung über technische Verfahren zur konsiliarischen Befundbeurteilung.


Änderungsvorschläge sind kursiv gedruckt.

§31a Medikationsplan

In diesem Paragraph werden Verantwortlichkeiten für Inhalte und Struktur eines papiernen und elektronischen Medikationsplans festgelegt. Ein einheitlicher Medikationsplan als wichtiges Kommunikationsmittel für die Verbesserung der Patientensicherheit liegt in der Version 2.0 von Dezember 2014 inklusive technischer Spezifikationen vor , erarbeitet durch die Koordinierungsgruppe zur Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplanes zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland. Die AWMF empfiehlt die Berücksichtigung dieser Ausarbeitung. Das Gesetz sollte auf dieser Basis den inhaltlichen Rahmen vorgeben, aber auch Gestaltungsspielräume ermöglichen. Dieser Medikationsplan sollte Daten für eine rechnergestützte Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung liefern können. Die Nennung einer Untergrenze von 5 verordneten Medikamenten im Gesetzentwurf erscheint inhaltlich nicht gerechtfertigt. Sie ist zumindest im Rahmen der begleitenden Evaluierung zu hinterfragen. Die Anspruchsbegrenzung auf die Papierform erscheint nicht mehr zeitgemäß.

Im Gesetzentwurf werden bisher nur Pflichten des Hausarztes genannt, nicht aber Pflichten der weiteren (mit-)behandelnden Ärzte. Diese sollten ergänzt werden.

Änderungsvorschlag:

(1) Versicherte, die mindestens 5 verordnete Arzneimittel anwenden, haben ab dem 1. Oktober 2016 Anspruch auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans in Papierform oder elektronischer Form durch den Hausarzt.

(3) Ergänzen: Der Versicherte hat Anspruch darauf, dass die weiteren behandelnden Ärzte dem Hausarzt die für den Medikationsplan relevanten Informationen zur Verfügung stellen.

(4) Den inhaltlichen Rahmen und die Struktur des Medikationsplans sowie ein Verfahren zu dessen Fortschreibung vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene bis zum 30. April 2016 im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

§ 291b Gesellschaft für Telematik

Durch das Gesetz soll die Rolle der Gesellschaft für Telematik gestärkt werden. Entsprechend wurden als Aufgaben für die Gesellschaft für Telematik in Absatz (1) Nr. 3. und 4. formuliert:

„- 3.Vorgaben für den sicheren Betrieb der Telematikinfrastruktur zu erstellen und ihre Umsetzung zu überwachen,

- 4. die notwendigen Test- und Zertifizierungsmaßnahmen sicherzustellen“.

Es ist aus unserer Sicht aufgrund möglicher Interessenkonflikte nicht korrekt, dass die gleiche Institution, die die Vorgaben erstellt, deren Einhaltung auch überprüft bzw. dafür Zertifikate ausstellt (siehe ISO 17021). Mit der Durchführung von Test- und Zertifizierungsmaßnahmen ist ein unabhängiger Dritter zu beauftragen.

Änderungsvorschlag:

(1) 4. Die notwendigen Test- und Zertifizierungsmaßnahmen sind durch einen unabhängigen Dritten sicherzustellen, der mittels eines transparenten Ausschreibungsverfahrens bestimmt wird.

§ 291d Integration offener Schnittstellen in informationstechnische Systeme

Konkurrierende Standards für inhaltlich gleiche Schnittstellen bei der vertragsärztlichen, der vertragszahnärztlichen und der Krankenhausversorgung sind unbedingt zu vermeiden. Es sollten bestehende internationale Standards eingesetzt und unter Beachtung des internationalen Fortschritts fortgeschrieben werden.

§291e Interoperabilitätsverzeichnis

Die AWMF begrüßt die Erstellung eines Expertenpools zur Beurteilung oder Empfehlung der Inhalte des Interoperabilitätsverzeichnisses. Zu den jeweiligen Fragestellungen werden oftmals gleichzeitig ganz unterschiedliche, sowohl inhaltlich als auch technisch versierte Experten benötigt. Die AWMF bietet an, Anfragen der Gesellschaft für Telematik nach Experten an die zuständigen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften weiterzugeben. Die Einbindung nicht nur technischer, sondern auch inhaltlicher Experten ist erforderlich zur vorausschauenden Beurteilung der Nützlichkeit von Spezifizierungen für die medizinische Versorgung.

§291f und g elektronischer Entlassbrief / Vereinbarung zum elektronischen Entlassbrief und Bestätigung von informationstechnischen Systemen

Für den elektronischen Brief (§ 291h (1)) besteht im Gegensatz zum elektronischen Entlassbrief (§ 291g (1)) keine Forderung nach offenen technischen Schnittstellen. Dies ist zu ergänzen. Wünschenswert ist weiterhin, dass Entlassbrief und Arztbrief technisch im gleichen Format zur Verfügung gestellt werden, um gegenseitiger Datenübernahme und Pflege in Krankenhaus-/Praxis-Informations-Systemen zu erleichtern.

§ 291i Vereinbarung über technische Verfahren zur konsiliarischen Befundbeurteilung

Die Einengung einer Festlegung von Anforderungen an Qualität, Sicherheit und technischer Umsetzung auf die konsiliarische Befundbeurteilung allein für Röntgenaufnahmen erscheint im Sinne des Gesetzentwurfes nicht ausreichend, da eine Vielzahl diagnostischer Befundverfahren eine konsiliarische Befundbeurteilung erlauben. Darüber hinaus können auch andere Fragestellungen konsiliarisch auf telemedizinischem Wege adressiert werden, für die ebenfalls Anforderungen festzulegen sind. Die Formulierung ist deshalb übergeordneter zu fassen. Die AWMF begrüßt die in § 291c adressierte Schlichtungsstelle, die ebenfalls nicht nur für die Schlichtung von Fragen zu Röntgenaufnahmen eingerichtet wird. Das Zeitfenster ist gegebenenfalls entsprechend anzupassen.

Änderungsvorschlag:

(1) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vereinbart bis zu einem zu festzulegenden Datum mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Benehmen mit der Gesellschaft für Telematik die Anforderungen an die technischen Verfahren zur telemedizinischen Erbringung von konsiliarischen Befundbeurteilungen in der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere Einzelheiten hinsichtlich Qualität, Sicherheit und zur technischen Umsetzung.

Für Rückfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung.


Ansprechpartner/Kontakt:

Dr. med. Monika Nothacker, MPH nothacker@awmf.org

Prof. Dr. med. Ina Kopp, kopp@awmf.org

Prof. rer. biol. hum. Hans Konrad Selbmann selbmann@awmf.org