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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Frühjahrssitzung 2013 des AWMF-Arbeitskreises "Ärzte und Juristen"

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2013;10:Doc13

doi: 10.3205/awmf000286, urn:nbn:de:0183-awmf0002860

Received: November 5, 2013
Published: November 6, 2013

© 2013 Probst.
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Zusammenfassung

Der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sich auf seiner Sitzung am 26./27. April 2013 in Würzburg unter der Leitung von Professor Dr. med. H.-D. Saeger u. a. mit nachfolgend genannten Themen befasst:

  • Honorarärzte und Haftung
  • Patientenrechtegesetz

Text

Honorarärzte und Haftung

  • M. Rudolphi, Bundesärztekammer, Berlin: Honorarärzte in Deutschland – aktuelle Einschätzungen.
  • Dr. med. J. Jouaux, Facharztagentur GmbH, Bielefeld: Honorarärzte – ein Zukunftsmodell.
  • Dr. med. N. Schäfer, Bundesverband der Honorarärzte, Berlin: Honorarärzte – Verantwortung, Möglichkeiten, Grenzen

Rudolphi beschreibt den Honorararzt (H. A.) in 10 Thesen: Danach sei der H. A. Mitglied seiner Ärztekammer mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten. Sein Erscheinen sei nicht Ursache, sondern Auswirkung und Folge des Ärztemangels und der gesunkenen Attraktivität ärztlicher Arbeitsbedingungen in Klinik und Praxis. Beweggründe seien Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sowie bessere Verdienstmöglichkeiten. Voraussetzung einer qualifizierten Patientenversorgung sei ein gutes kollegiales Miteinander von H. A. und „Stammbesetzung“. Scheinselbstständigkeit sei auszuschließen. Die Haftpflicht des H. A. sei abzusichern. Die abgeschlossene Weiterbildung sei Voraussetzung der H. A.-Tätigkeit, ebenso der Nachweis eines gültigen Fortbildungszertifikats gem. § 4 Muster-Berufsordnung. Die Qualitätsanforderungen seien hinsichtlich Behandlungsniveau und Vermeidung von Risikokonstellationen sicherzustellen. Der Einsatz des H. A. dürfe ein der Wahrung der Kontinuität ärztlicher Patientenversorgung zuträgliches Maß nicht überschreiten. Es folgen Ausführungen zum Haftungsproblem. (Rückfragen an: Rudolphi@baek.de).

Jouaux stellt sein Referat unter die Feststellung, das Phänomen H. A. sei kein Neues und entwickele sich zu einer - dritten - Form der ärztlichen Tätigkeit, sei diese haupt- oder nebenberuflich. Gründe der derzeitigen Entwicklung seien Fachärztemangel und Ökonomisierung sowie Alterung der Ärzteschaft, Feminisierung der Medizin, Aufhebung der Sektorengrenzen als Ursachen des steigenden Personalbedarfs. Persönliche Motive: Unattraktive Niederlassung, selbstbestimmtes Arbeiten, fachliche, zeitliche, räumliche Autonomie, Konzentration auf die Patientenarbeit. Probleme: Kosten, Kontinuität in der Patientenversorgung, soziale Inkompatibilitäten, Verträglichkeit im Team, Organisation der Weiterbildung, Verhältnis zur Klinikhierarchie. Beschreibung der Aufgaben und Funktionen einer H. A.-Agentur: Dreiecksbeziehung zwischen Auftraggeber, Client und Agentur, diese als Schnittstelle der Geschäftspartner mit unterschiedlichen Perspektiven und Interessen/Bedürfnissen, auch als Referenz-Institution für die Eigenschaften der Beteiligten, des Weiteren deren administrative Entlastung. Wirtschaftliche Vorteile aus dem Einsatz von H. A. werde jene Klinik gewinnen, der es gelinge, H. A. planvoll einzusetzen und reibungslos in den Klinikalltag einzubauen.

Schäfer stellt den BV-H vor: Gründung 2008, derzeit 800 Mitglieder. Aufgaben: Vernetzung und Kommunikation, Mitwirkung bei inhaltlichen und strukturellen Diskussionen, Öffentlichkeitsarbeit und Imageförderung, Durchführung von Studien, Erfassung von Trends, Ausarbeitung von Empfehlungen und Beratung. Derzeit gibt es ca. 7.300 registrierte H. A., davon ca. 1.500 aktiv. Täglich ca. 1.500 H. A. im Einsatz. Angaben über Kliniken, die H. A. in Anspruch nehmen, sind vage (zw. 52 und 71 % der Kliniken). Probleme: Fehlende Regelungen in der Berufsordnung, fehlender Dialog mit Kliniken, vages Image, kein Dialog mit Patienten, zeitnahe Überprüfung von Qualifikationen nicht möglich, Unklarheiten bezüglich Approbation und Berufshaftpflichtversicherung, ferner Strukturmängel: Nachweis (?) der fachlichen Kenntnisse, unklares oder fehlendes Problembewusstsein, ungeeignete Einsatzbereiche, mangelhafte Einweisung, vordergründig Geschäftsinteressen; ungeklärt Wohnortprinzip, Versorgungswerke, Meldepraxis. Weitere Möglichkeiten des H. A.-Einsatzes ergeben sich aus speziellen Qualifikationen, aber auch bei Konzeptentwicklungen für Institutionen, Kliniken und Firmen, Klinik-Marketing, Aufnahme-/Entlassungs-Management, Begleitung von Behandlungspfaden, Abrechnungsoptimierung etc.

Patientenrechtegesetz

  • Frau B. Jansen, Bundesministerium der Justiz: Vorstellung und Begründung.
  • Dr. med. M. Mieth, OA Chirurgie Univ.-Klinikum Heidelberg: Kommentar aus ärztlicher Sicht.
  • Lothar Jaeger, Vors. Richter a. D. am Oberlandesgericht, Köln, jetzt Gutachter-Kommission NRW: Kommentar aus Sicht des Richters.
  • Dr. iur. A. Wienke, Fachanwalt Medizinrecht, Köln: Neue Regeln - Neue Risiken?

Jansen benennt und kommentiert die Entstehung und die Inhalte des Patientenrechtegesetzes.

Mieth befasst sich vornehmlich mit den neuen Regelungen des Gesetzes bezüglich Behandlungsvertrag, Aufklärung, Behandlung, Dokumentation und Beweislast aus chirurgischer Sicht. Die Darstellungen stützen sich weitgehend auf Dillschneider et al: Der Chirurg 4/2013.

Jaeger kommentiert die einzelnen Bestimmungen des PatRGes aus richterlicher Sicht. Von besonderem Interesse ist die Unterscheidung der nunmehr kodifizierten Informationspflichten gegenüber der Aufklärung. Besonders hingewiesen wird auf die jetzt deutlich ausgeweiteten und qualifizierten Dokumentationspflichten, die in der Feststellung gipfeln, dass eine zu beweisende Maßnahme als nicht stattgefunden gilt, wenn sie nicht dokumentiert ist, was schon im Fall routinemäßiger vs. täglicher Verrichtungen Bedeutung erlangen kann. Das in § 630 h BGB angesprochene allgemeine Behandlungsrisiko erläutert der Ref. an Beispielen „voll beherrschbarer Risiken“, z. B. defekter medizinischer Apparat, unsichere bauliche Anlage, kontaminierte Infusionslösung, Sturz vom OP-Tisch, unbemerktes Entfernen eines sedierten Patienten nach einer ambulanten OP aus den Behandlungsräumen, „vergessene“ Operationsgegenstände, Organisationsfehler, Hygienemängel. Nachdrücklich bestätigt der Referent die stringente Verbindlichkeit des PatRGes. [Literatur: Jaeger, L (2013) Patientenrechtegesetz. Kommentar zu §§ 630 a bis 630 h BGB. Verlag Versicherungswirtschaft GmbH Karlsruhe. ISBN 978-3-89952-749-0]

Wienke setzt sich zunächst mit Grundfragen auseinander: Warum entsteht ein solches Gesetz? Gibt es Regelungsbedarf? Gibt es ein gestörtes Verhältnis Patienten/Ärzte? Warum Sonderkodifikation? Schwerpunktmäßig verstehen sich dessen Ausführungen, dass an die Stelle des fortlaufend und der sächlichen Entwicklung zeitnah folgenden Richterrechts ein eher starr fixiert empfundenes Paragraphensystem getreten ist, das einerseits gleichwohl Fragen offen lasse, andererseits aber befolgt werden müsse. Auch anwaltsseitig wird nachdrücklich auf die verschärften Pflichten zur Aufklärung, Information und Dokumentation hingewiesen; dabei spiele oftmals der Zeitfaktor - rechtzeitig, ggf. frühzeitig, aber auch nicht zu früh - eine im Nachhinein möglicherweise prozessentscheidende Rolle. Auch die Stellung der gesetzlichen Krankenkassen sei definitorisch von der unterstützenden Beratung des Versicherten zu einer verpflichteten Interessenvertretung des Patienten verändert worden.

[Zu diesem Thema Hinweis auf einschlägige Beiträge in Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten (OUMN): RA J. Neu, Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern „Ein erster Überblick“, OUMN 3/2013, S. 302 - 304; RA Dr. A. Wienke, LL. M. R. Sailer „Aufklären und behandeln trotz Sprachbarriere“, OUMN 5/2013, S. 564 - 565; RA J. Neu „Wie weit reicht die Aufklärungspflicht?“ OUMN 5/2013, S. 566]

Alle Vortragsfolien sind in Originalgröße online auf der AWMF-Website unter folgender Adresse verfügbar: www.awmf.org => Die AWMF => Arbeitskreise => AK Ärzte und Juristen:

www.awmf.org/die-awmf/arbeitskreise/ak-aerzte-juristen/1-sitzung-2013.html