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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Patientenrechtegesetz in Kraft getreten: Noch mehr Papierkrieg in Klinik und Praxis

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2013;10:Doc3

doi: 10.3205/awmf000276, urn:nbn:de:0183-awmf0002764

Received: March 1, 2013
Published: March 4, 2013

© 2013 Wienke.
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Zusammenfassung

Am 26. Februar 2013 ist das viel diskutierte Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Ohne Übergangsfristen werden damit die Neuregelungen der §§ 630 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wirksam und sind von allen Beteiligten zu beachten. Im anstehenden Bundestagswahlkampf werden dies die Politiker jeder Couleur dazu nutzen, auf ihre großen Verdienste um den Verbraucherschutz hinzuweisen. Die für das Patientenrechtegesetz zuständigen und von F.D.P.-Politikern geleiteten Ministerien, das Bundesjustiz- und das Bundesgesundheitsministerium, werden sich die Meriten um einen angeblich gestärkten Patientenschutz an die Brust heften.


Ob die Politiker die Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes jedoch tatsächlich als Erfolg feiern können, ist bereits jetzt sehr fraglich.


Text

Bereits im Zuge der legislativen Diskussionen hatten nahezu alle zu Rate gezogenen Einrichtungen und Sachverständige darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Neuregelungen sowohl aus rechtswissenschaftlicher als auch aus zivilprozessualer Sicht nicht erforderlich sind, um den verfolgten Zielsetzungen eines besseren Patientenschutzes gerecht zu werden. Diese Ziele konnten auch bisher schon eingedenk der von der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft entwickelten und die allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergänzenden Rechtssätze gewährleistet werden. Das Patientenrechtegesetz wird daher in seiner praktischen Anwendung mehr Fragen als Antworten aufwerfen und viele Gerichte beschäftigen.

Eine dieser strittigen Neuregelungen findet sich in § 630e BGB im Zusammenhang mit den Aufklärungspflichten. § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB lautet nämlich:


„Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.“


Die sich aufdrängende Frage nach dem Sinn dieser Neuregelung beantwortet die Gesetzesbegründung nicht. Dort heißt es lediglich:


„Wenn der Patient im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung Unterlagen unterzeichnet hat, so sind ihm davon gem. Abs. 2 Satz 2 Abschriften (z.B. in Form einer Durchschrift oder Kopie) auszuhändigen“.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hält in ihrem Rundschreiben vom 13.02.2013 hierzu fest, dass es schon bisher dem üblichen Geschäftsverkehr entsprochen habe, dem Vertragspartner eine Abschrift dessen auszuhändigen, was er unterschrieben hat, z.B. Behandlungsvertrag, Wahlleistungsvereinbarung etc. Für einen unterzeichneten Aufklärungsbogen könne nichts anderes gelten, schon aus Gründen der Fairness gegenüber dem Patienten. In welcher Form die Abschrift zu erfolgen habe, stehe im Belieben des Krankenhauses, denkbar seien sowohl eine Kopie oder auch eine Durchschrift. Zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt dem Patienten die Abschrift auszuhändigen sei, fänden sich weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung entsprechende Angaben. Allerdings spreche der Sinn und Zweck der Aufklärungs- und Einwilligungsvorschriften eher dafür, die Abschrift zeitnah im Zusammenhang mit der Aufklärung oder der Einwilligung auszuhändigen.

Viele Fragen bleiben offen. Im Folgenden sollen einige davon beantwortet werden:

1. Welchen Zweck verfolgt der Gesetzgeber mit der Neuregelung?

Der wirkliche Sinn der Neuregelung ist schwer zu erkennen. Die Aushändigung von Abschriften an den Patienten soll nach Unterzeichnung, also nach Abgabe der Einwilligungserklärung, erfolgen. Mit der Aushändigung von Kopien kann also nicht der Zweck verfolgt werden, dem Patienten noch einmal die Möglichkeit zu geben, sich näher über den maßgeblichen Eingriff und seine Risiken zu informieren. In den Eingriff hat der Patient zuvor bereits wirksam eingewilligt.

Zweck der Neuregelung kann es daher nur sein, dem Patienten aus Gründen der Waffengleichheit in einem etwaigen späteren Prozess denselben Dokumentationsstand in die Hand zu geben, wie er in der Krankenakte niedergelegt ist. Dadurch kann etwa verhindert werden, dass in der Aufklärungsdokumentation spätere Ergänzungen über gegebenenfalls nicht zur Sprache gekommene Details vorgenommen werden, bei denen es dem Patienten unmöglich ist nachzuweisen, dass diese tatsächlich erst später eingetragen wurden. Die Aushändigung von Abschriften der Aufklärungs- und Einwilligungsdokumentation dient daher in erster Linie der Beweissicherung für etwaige spätere rechtliche und gerichtliche Auseinandersetzungen. Ein gesteigertes oder nachträgliches Informationsbedürfnis kann jedenfalls mit der Aushändigung von Abschriften nicht befriedigt werden. Auch die Aushändigung von Abschriften anderer Dokumente (Wahlleistungsvertrag), worauf auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hinweist, hat in erster Linie beweisrechtliche Gründe. So ist es nachvollziehbar, dass bei dem Abschluss eines Mietvertrages oder eines Wahlleistungsvertrages beiden Vertragsparteien eine von der jeweils anderen Vertragspartei unterzeichnete Ausfertigung ausgehändigt wird. Dies gilt hier aber gerade nicht: Zu bedenken ist nämlich, dass die vom Patienten erforderliche Einwilligungserklärung in den maßgeblichen Eingriff nicht formbedürftig ist. Der Eingriff in die Körperintegrität des Patienten durch die beabsichtigte ärztliche Maßnahme wird nämlich regelmäßig auch durch die mündlich erteilte Einwilligung des Patienten gerechtfertigt. Es ist daher für die Rechtfertigung des ärztlichen Eingriffes nicht erforderlich, dass der Patient seine Einwilligung schriftlich erklärt oder durch Unterschrift bestätigt. Daher ist es auch konsequent anzunehmen, dass der Patient keinen Anspruch auf die Aushändigung von Abschriften der Aufklärungsdokumentation für den Fall hat, dass er die Einwilligungserklärung oder die Bestätigung der durchgeführten Aufklärung nicht unterzeichnet. Diese ausschließlich mündliche Aufklärung kommt im Praxisalltag und bei kleinen Eingriffen durchaus häufig vor, denkt man etwa an die Entfernung von Muttermalen oder Zähnen oder bei der Erörterung unterschiedlicher internistischer Therapiealternativen. Erfolgt in diesen Fällen eine mündliche Aufklärung des Patienten und wird diese vom Arzt in der Krankenblattdokumentation festgehalten, ohne dass der Patient die Aufklärung und Einwilligung in den Eingriff unterzeichnet, ist der Arzt auch nach den Neuregelungen des Patientenrechtegesetzes nicht verpflichtet, dem Patienten irgendwelche Abschriften von Aufklärungs- oder Einwilligungsdokumentationen auszuhändigen.

Die Sinnhaftigkeit der Neuregelung beschränkt sich daher auf die zuvor genannten beweisrechtlichen Motive, erschließt sich aber im Übrigen nicht.

Ungeachtet dessen besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der in § 630e BGB niedergelegten Verpflichtung (… sind Abschriften … auszuhändigen.) um eine vertragliche Nebenpflicht des Arztes aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag handelt. Hat also der Patient im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung Unterlagen unterzeichnet, sind der behandelnde Arzt oder der Krankenhausträger als jeweilige Vertragspartner verpflichtet, dem Patienten Abschriften auszuhändigen. Tun sie dies nicht, liegt eine vertragliche Pflichtverletzung vor mit der Folge, dass der Patient Schadensersatzansprüche dem Grunde nach geltend machen kann. Dass solche Schadensersatzansprüche mitunter erheblich hoch sein können, wird nachstehend dargelegt.

2. Wann sind die Abschriften auszuhändigen?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft führt in ihrem Rundschreiben hierzu aus, dass nach Sinn und Zweck der Aufklärungs- und Einwilligungsvorschriften vieles dafür spreche, die Abschriften zeitnah im Zusammenhang mit der Aufklärung oder der Einwilligung auszuhändigen. Tatsächlich wird es sich hierbei um die vom Patienten unterzeichneten Dokumente handeln, mit denen er entweder seine Einwilligung in den geplanten Eingriff schriftlich erklärt oder jedenfalls durch seine Unterschrift schriftlich bestätigt, dass er über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt worden ist. Abzustellen ist also entweder auf eine Aufklärungsbestätigung oder eine Einwilligungserklärung. Beides ist – wie oben ausgeführt – nicht zwingend schriftlich zu erfassen; es ermöglicht dem Arzt lediglich die spätere Beweisführung. Der Arzt ist stets darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er die Patienten über die typischen Risiken des bevorstehenden Eingriffes, etwaige Alternativen etc. aufgeklärt hat. Als klassisches Beweismittel dient ihm hierzu die vom Patienten durch Unterschrift bestätigte Aufklärungsdokumentation bzw. Einwilligungserklärung. Dies hat daher auf Seiten des Arztes in erster Linie beweisrechtliche Bewandtnis. Sinn der Aushändigung von Abschriften kann es auch aus Sicht des Patienten daher nur sein, dieselbe Aufklärungs- bzw. Einwilligungsdokumentation in den Händen zu halten, wie sie dem Arzt vorliegt. Nur dadurch ist er in der Lage zu überprüfen, ob die vom Arzt erforderliche Beweisführung im Hinblick auf den Inhalt und Umfang der getätigten Aufklärung korrekt ist oder nicht. Die Neuregelung soll also den Patienten vor etwaigen späteren Manipulationen der Aufklärungsdokumentation schützen.

Konsequent ist es daher zu fordern, dass dem Patienten die Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, unverzüglich nach der Unterzeichnung auszuhändigen sind. Dabei kommt es allein auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Patienten, nicht auf den Zeitpunkt des tatsächlich durchgeführten mündlichen Aufklärungsgespräches an. Bei der sog. Stufenaufklärung wird der Patient bereits bei Indikationsstellung erstmals über die maßgeblichen Umstände des Eingriffes im Großen und Ganzen aufgeklärt. Im einen zweiten Schritt folgt dann die spezifizierte Aufklärung, in der Regel am Tag oder wenige Tage vor dem geplanten Eingriff. Auch zu diesem Zeitpunkt erfolgt in der Regel erst die Unterzeichnung der Aufklärungs- bzw. Einwilligungsdokumentation. Will man also der Intention des Gesetzgebers gerecht werden, müssen die Abschriften unverzüglich nach Unterzeichnung dem Patienten ausgehändigt werden.

Der Begriff der Unverzüglichkeit leitet sich aus § 121 Abs. 1 BGB ab, wonach eine Rechtshandlung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zu erfolgen hat. Übertragen auf die hier diskutierte Situation sind Arzt- bzw. Krankenhausträger daher verpflichtet, dem Patienten unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen. Dies bedeutet nicht, dass der verantwortliche Arzt alles andere stehen und liegen lassen und dem Patienten nach dessen Unterschriften sofort Abschriften aushändigen muss. Wird der verantwortliche Arzt nämlich nach Unterzeichnung des Patienten z.B. zu einem Notfall gerufen und kann er daher – unverschuldet – dem Patienten nach Unterzeichnung die Kopien nicht sofort aushändigen, liegt keine verschuldete Verzögerung vor. Die Aushändigung der Kopien kann dann auch nach Wegfall des dazwischen getretenen Ereignisses erfolgen. Die Aushändigung darf nur nicht später – dann wäre dies schuldhaft – vergessen werden.

Der Zeitkorridor, in welchem dem Patienten Abschriften auszuhändigen sind, ist daher durchaus eng begrenzt. In der Regel wird man fordern können, dass dem Patienten – sofern dem anwesenden Arzt dazu Gelegenheit besteht – unmittelbar nach Unterzeichnung Abschriften oder Kopien auszuhändigen sind. Eine Aushändigung solcher Abschriften z.B. nach Entlassung aus der stationären Versorgung zusammen mit dem Arztbrief wäre daher zu spät.

3. Was sind Abschriften?

Der Gesetzgeber führt in der Gesetzesbegründung beispielhaft aus, dass die im Gesetz angesprochenen Abschriften z.B. auch in Form einer Durchschrift oder Kopie ausgehändigt werden müssen. Offenbar will es der Gesetzgeber tatsächlich auf die Aushändigung einer körperlichen Abschrift ankommen lassen und z.B. die Übergabe elektronisch gespeicherter Erklärungen nicht ausreichen lassen. Man könnte z.B. daran denken, dass es ausreichte, dem Patienten via E-Mail eine pdf-Datei der von ihm unterzeichneten Einwilligungserklärung zukommen zu lassen, die der Patient dann bei sich ausdrucken könnte. Auch andere Formen der digitalen Überlassung auf Speichermedien sind denkbar und heute schon im Praxisalltag an der Tagesordnung (digitalisierte Röntgendokumentation). Letztlich wird die Rechtsprechung zu entscheiden haben, ob tatsächlich – wie in der Gesetzesbegründung genannt – körperliche Abschriften, Durchschriften oder Kopien den Patienten auszuhändigen sind, oder ob im digitalen Zeitalter es auch ausreicht, dem Patienten auf digitalem Wege eine Kopie zukommen zu lassen.

4. In welchem Umfang sind Abschriften auszuhändigen?

Heftig diskutiert wurde bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes die Frage, ob es ausreicht, dem Patienten eine Kopie der letzten Seite des Aufklärungsbogens auszuhändigen, auf der sich die Einwilligungserklärung mit der Unterschrift des Patienten befindet. Oder muss stets jede Seite des Aufklärungsbogens kopiert werden? Letzteres ist richtig. Zu bedenken ist nämlich, dass der Gesetzgeber ausdrücklich davon spricht, dass dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen sind. Hätte es der Gesetzgeber gewollt, dass dem Patienten nur eine Kopie der von ihm unterzeichneten Erklärung auszuhändigen wäre, hätte der Gesetzgeber nicht von Unterlagen gesprochen. Im Übrigen erscheint es wenig sinnvoll, dem Patienten nur einen Teil der von ihm abgegebenen und unterzeichneten Erklärung in Kopie auszuhändigen, weil auf diese Weise gerade die Intention des Gesetzgebers, den Patienten beweisrechtlich auf dieselbe Stufe zu stellen wie den Arzt, nicht entsprochen wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Patienten abgegebenen Erklärung um eine einheitliche, aus mehreren Seiten bestehende Urkunde handelt, so dass sich die vom Patienten unterzeichnete Einwilligungserklärung nicht nur auf die Informationen auf der letzten Seite des Aufklärungsbogens bezieht, sondern in gleicher Weise auch auf die Erklärungen der übrigen Seiten. Dem Patienten sind daher Abschriften der vollständigen Aufklärungs- bzw. Einwilligungsdokumentation auszuhändigen.

Ferner ist es nicht ratsam, Teile dieser einheitlichen Urkunde voneinander zu trennen. Auch eine Perforation der einzelnen Seiten der Aufklärungsbögen ist nicht zu empfehlen. Zwar könnte auf diese Weise eine Trennung der einzelnen Blätter des Aufklärungsbogens erleichtert werden, um dadurch gleichzeitig auch den erforderlichen Kopiervorgang zu vereinfachen. Allerdings ist dann auch sicherzustellen, dass sämtliche Seiten der Aufklärungsdokumentation wieder in der richtigen Reihenfolge zur Krankenblattdokumentation kommen und in eine einheitliche Urkunde zusammengeführt werden müssen. Im Übrigen ist eine Trennung der Aufklärungsbögen auch in rechtlicher Hinsicht nur dann zulässig, wenn durch andere eindeutige Merkmale sichergestellt ist, dass es sich um eine zwar mehrseitige, aber einheitliche Urkunde handelt, die der Patient unterzeichnet. Dies kann etwa durch eine fortlaufende Seitennummerierung oder eine Nummerierung der einzelnen Textabschnitte erfolgen. Die Trennung der Aufklärungsdokumentation birgt jedoch erhebliche tatsächliche und damit auch rechtliche Risiken. Sie ist daher nicht zu empfehlen.

5. Was passiert bei nachträglichen Ergänzungen?

Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte, wozu auch die Aufklärungsdokumentation zählt, sind nach der Neuregelung des § 630f Abs. 1 BGB nur noch dann zulässig, wenn der ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt und ersichtlich ist, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Werden also in der Aufklärungsdokumentation nach Unterzeichnung durch den Patienten Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen, ist zunächst sicherzustellen, dass der Zeitpunkt der Änderung oder Ergänzung festgehalten wird, was bei einer elektronisch geführten Patientendokumentation durch die verwendet Software in aller Regel sichergestellt wird. Zudem muss der ursprüngliche Inhalt der Aufklärungsdokumentation erkennbar bleiben, falls es zu Korrekturen kommt.

Eine Aushändigung dieser nachträglich geänderten oder ergänzten Aufklärungsdokumentation an den Patienten ist – streng genommen – nicht erforderlich, da der Patient diese neuen Inhalte in der Regel nicht unterzeichnet hat. Aus beweisrechtlichen Gründen erscheint es aber geboten, den Patienten auch diese Ergänzungen gegenzeichnen zu lassen.

6. Ist ein Verzicht auf die Aushändigung von Kopien möglich?

Selbstverständlich kann der Patient von sich aus auf die Aushändigung von Abschriften im Sinne von § 630e Abs. 2 BGB verzichten. Da der Patient auch auf die Aufklärung an sich verzichten kann, kann er selbstverständlich auch auf die Aushändigung der von ihm unterzeichneten Unterlagen verzichten.

Unzulässig ist es jedoch, wenn der behandelnde Arzt oder die Klinik dem Patienten entsprechende Verzichtserklärungen unterbreiten, um dadurch den Patienten zu einem Verzicht zu drängen und der Verpflichtung zur Aushändigung von Abschriften zu entgehen. Auch wäre es unzulässig, dem Patienten im Rahmen des Aufklärungsgespräches nahezulegen, auf die Aushändigung von Abschriften zu verzichten. Dies würde dem Sinn und Zweck der Neuregelung und damit der gesetzlichen Intention zuwiderlaufen. Gleiches gilt für vorformulierte Verzichtsklauseln in der Aufklärungsdokumentation, bei denen der Patient nur noch ein Kreuz zu setzen hätte, um auf eine Aushändigung von Abschriften zu verzichten. Diesem Vorgehen begegnen erhebliche rechtliche Bedenken, da es den Patienten unangemessen benachteiligen würde.

Sollte tatsächlich einmal ein Patient von sich aus auf die Aushändigung der Abschriften verzichten, oder partout die Annahme die Abschriften verweigern, sollte dies vorsorglich in den Krankenunterlagen festgehalten werden. Hier gelten dieselben rechtlichen Maßgaben, wie sie bei einer Verzichtserklärung des Patienten auf die Durchführung der Aufklärung von der Rechtsprechung entwickelt wurden.

7. Was passiert bei unterbliebener Aushändigung von Kopien?

Zwar führt die Neuregelung des Patientenrechtegesetzes zu einer enormen Zunahme der ohnehin schon bestehenden Dokumentationsflut in Kliniken und Praxis; dennoch sollten die Neuregelungen ernst genommen werden, da erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Folgen drohen können, wenn – gegebenenfalls systematisch – die Aushändigung von Abschriften unterbleibt oder im Einzelfall vergessen wird:

Für die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten in einen ärztlichen Eingriff kommt es – wie dargelegt – regelmäßig nicht darauf an, dass der Patient Aufklärungs- bzw. Einwilligungserklärungen unterzeichnet. Maßgeblich ist nach ständiger Rechtsprechung nur das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient und die in diesem Zusammenhang vom Patienten abgegebene Einwilligung in den körperlichen Eingriff. Diese kann selbstverständlich immer auch mündlich erfolgen. Die Schriftlichkeit der Einwilligungserklärung hat daher nur beweisrechtliche Bewandtnis für den Arzt. Mit der Neuregelung werden erstmals auch beweisrechtliche Implikationen auf Seiten des Pateinten hergestellt. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

In einem gerichtlich anhängigen Schadensersatzprozess behauptet ein Patient, dass er vom behandelnden Arzt nicht über die bei ihm in Folge der Operation eingetretenen Dauerschäden aufgeklärt worden sei. Zudem behauptet der Patient, dass der behandelnde Arzt die Eintragungen über das Risiko des Auftretens von Dauerschäden im Aufklärungsbogen erst nachträglich, insbesondere nach Unterzeichnung der Einwilligungserklärung eingetragen habe. Hätte man ihm damals entsprechend § 630e Abs. 2 BGB eine Abschrift des Aufklärungsbogens ausgehändigt, könne er heute belegen, dass er nicht über das Risiko von Dauerschäden aufgeklärt worden ist. Die unterbliebene Aushändigung von Abschriften der Aufklärungsdokumentation führt bei diesen Patienten im Prozess also dazu, dass er nicht in der Lage ist zu belegen, dass er nicht über den Eintritt von Dauerschäden aufgeklärt worden ist. Vielmehr kann der Arzt mit der Vorlage der vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsdokumentation beweisen, dass er den Patienten – angeblich – auch über den Eintritt von Dauerschäden aufgeklärt hat. Abgesehen vom Vorliegen etwaiger Behandlungsfehler würde in diesem Fall der Patient den Prozess verlieren. Wären ihm demgegenüber Abschriften der Einwilligungserklärung zeitgerecht ausgehändigt worden, könnte er die nachträglich vorgenommene Ergänzung in der Aufklärungsdokumentation belegen und im Prozess beweisen, dass er über das Risiko von Dauerschäden nicht aufgeklärt worden ist. In diesem Falle würde er den Prozess gewinnen. Angesichts zum Teil hoher Schadensersatzforderungen kann also die – gegebenenfalls systematische – Nichtaushändigung von Abschriften der Aufklärungsdokumentation zu erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen führen. Die beweisrechtlichen Konsequenzen werden letztlich von der Rechtsprechung beantwortet werden müssen; jedenfalls dürfte klar sein, dass die Nichtbeachtung der Neuregelung zu einem gefährlichen Pulverfass werden kann.

Abschließende Bewertung

Neben den vorstehend diskutierten Fragen werden im Rahmen der Umsetzung der Neuregelungen in Klinik und Praxis sicherlich bald weitere Fragen auftreten, die letztlich von der Rechtsprechung beantwortet werden müssen. Die obigen Ausführungen zeigen aber auch, was passieren kann, wenn der Gesetzgeber aus parteipolitischer Motivation gesetzliche Neuregelungen zu gesellschaftlichen Bereichen erlässt, die an sich durch die bisherige Rechtsprechung völlig beanstandungsfrei gestaltet werden konnten. Zudem wird die Neuregelung neben den ohnehin schon vorhandenen umfangreichen Dokumentations- und Verwaltungspflichten den Klinik- und Praxisalltag zunehmend erheblich belasten. Angesichts der knappen Personalsituation und zunehmender Arbeitsüberlastung wird damit letztlich noch weniger Zeit für die originäre ärztliche Tätigkeit und die Patientenzuwendung verbleiben. Vielleicht wird die Rechtsprechung die Neuregelung großzügig auslegen, um auch das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht noch weiter zu belasten. Solange dies nicht abschließend geklärt ist, müssen die Neuregelungen ernst genommen werden und in der Praxis nach dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes nun umgesetzt werden.