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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Die Medizinische Wissenschaft ist gefragt: Stellungnahmen der Fachgesellschaften in der AWMF zu Ausarbeitungen von G-BA, IQWiG und AQUA

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2012;9:Doc12

doi: 10.3205/awmf000260, urn:nbn:de:0183-awmf0002609

Received: April 17, 2012
Published: April 23, 2012

© 2012 Kopp et al.
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Zusammenfassung

Der Gesetzgeber hat die wissenschaftlichen Fachgesellschaften in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) aufgenommen und damit wesentlich ihre Rolle bei der Gestaltung der gesetzlich geregelten Gesundheits- und Krankenversorgung in Deutschland gestärkt. Die Fachgesellschaften sind aufgerufen, zu den Ausarbeitungen der im SGB V verankerten Institutionen Stellung zu nehmen. Um Rechtsgrundlagen, Abläufe und Erwartungen der Institutionen an die Fachgesellschaften im Rahmen der Stellungnahmeverfahren zu erläutern und die Perspektiven der Kooperationen zu diskutieren, hatte die AWMF am 28. 03. 2012 zu einer Informationsveranstaltung geladen, an der Vertreter der Institutionen und ca. 50 Vertreter der Fachgesellschaften in der AWMF teilgenommen haben.


Text

Das SGB V regelt die medizinische Versorgung im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Darin sind auch die Grundlagen und Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Institution gemäß § 137a, nämlich dem Institut für Angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) verankert. Das SGB V sieht die Mitwirkung bzw. die Abgabe von Stellungnahmen durch die Medizinische Wissenschaft bei der Erarbeitung von Produkten und der Entscheidungsfindung dieser Institutionen vor. Zur Unterstützung der Einbringung des Sachverstandes der Fachgesellschaften leitet die AWMF-Geschäftsstelle die Aufforderungen zur Stellungnahme an ihre Mitgliedsgesellschaften weiter und hat diese gebeten, eine/n „Stellungnahme-Beauftragte/n“ zu benennen, um einen organisierten Ablauf der Erarbeitung und Einreichung unter Wahrung der kurzen, in der Regel auf 4 Wochen begrenzten, Fristen zu ermöglichen.

Im Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstrukturgesetz), das am 01. Januar 2012 in Kraft getreten ist, werden die wissenschaftlichen Fachgesellschaften explizit als stellungnahmeberechtigte Organisationen in Richtlinienverfahren des G-BA benannt. Die bisherigen und damit verbundenen neuen Aufgaben und Möglichkeiten wurden im Rahmen der Informationsveranstaltung mit Vertretern von G-BA (Dr. Dominik Roters), IQWiG (PD Dr. Stefan Sauerland) und AQUA (Prof. Dr. Joachim Szecsenyi Dipl. Soz.) diskutiert [1].

Stellungnahmen zu Ausarbeitungen des G-BA

Die neuen Rechte der Fachgesellschaften ergeben sich aus Änderungen bzw. Ergänzungen in § 92 Abs. 7d S 1 SGB V und § 137f Abs. 2 S. 5 SGB V, wonach den „jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist und die Stellungnahmen in die Entscheidung einzubeziehen sind. Dies betrifft:

  • Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung (§135 SGB V)
  • Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (§137c SGB V)
  • Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§137e SGB V)
  • Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten – Disease-Management-Programme (DMP, §137f SGB V).

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat seine Verfahrensordnung angepasst, um die Beteiligung der Fachgesellschaften zu gewährleisten [2].

Als strukturelle Voraussetzung führt der G-BA eine Liste potentiell zu beteiligender Fachgesellschaften. Die in der AWMF organisierten wissenschaftlichen Fachgesellschaften werden dabei grundsätzlich als „einschlägig“ anerkannt und automatisch in die Liste aufgenommen. Nicht in der AWMF organisierte Fachgesellschaften können die Aufnahme in die Liste beantragen, sofern sie Kriterien erfüllen, die in etwa den Aufnahmekriterien für Fachgesellschaften der AWMF entsprechen. Die bereits etablierte Verteilerfunktion der AWMF für ihre thematisch betroffenen Mitgliedsgesellschaften ist jetzt auch in der Verfahrensordnung des G-BA verankert. Für Entscheidungen, die methoden- oder erkrankungsübergreifende Aspekte betreffen, wie DMP, soll die AWMF selbst stellvertretend für alle einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften zur Stellungnahme aufgefordert werden. Die AWMF wird ihrerseits sicherstellen, ihre Mitgliedsgesellschaften hierbei angemessen einzubeziehen.

Im Verfahrensablauf besteht bereits bei Einleitung der Methodenbewertung mit Veröffentlichung eines neuen Beratungsthemas durch den G-BA die Möglichkeit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Damit wird dem Anliegen der AWMF entgegengekommen, den Sachverstand von Vertretern der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften frühzeitig (z.B. bereits im Vorfeld einer Beauftragung von IQWiG oder AQUA) in die Verfahren zur Methodenbewertung einzubringen. Nach Abschluss des Bewertungsverfahrens und vor Beschlussfassung von Richtlinien findet immer ein schriftliches Stellungnahmeverfahren statt. Zusätzlich wurden die Möglichkeit der Teilnahme von Stellungnahmeberechtigten an Sitzungen des zuständigen Unterausschusses des G-BA und die Möglichkeit einer mündlichen Anhörung geschaffen - ein grundsätzliches Recht auf Mitberatung mit Erhalt der notwendigen Vorinformationen (Sitzungsunterlagen) ist in der Verfahrensordnung jedoch nicht vorgesehen. Hier besteht aus Sicht der AWMF noch ein Entwicklungspotential zur weiteren Verbesserung der Kooperation. Bereits jetzt sollten sich die Fachgesellschaften aber darauf einstellen, dass eine schriftliche Stellungnahme ggf. auch mündlich verteidigt werden muss.

Nach der Verfahrensordnung des G-BA ist auch eine Beteiligung an Entscheidungen zur frühen Nutzenbewertung neu zugelassener Arzneimittel nach dem am 01. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG, §35a SGB V) möglich. Im Gegensatz zu den Richtlinienverfahren müssen sich die Fachgesellschaften hierbei selbst über neu eingeleitete Verfahren (Beratungsthemen) informieren, eine Aufforderung an die AWMF erfolgt nicht.

Die Fristen für Stellungnahmen sind weiterhin sehr eng gesetzt: 3 Wochen in Verfahren zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach Fertigstellung der Berichte im Rahmen der Bewertung durch den G-BA und in der Regel 4 Wochen in den Richtlinien-Verfahren mit gesetzlich vorgesehener Beteiligung der Fachgesellschaften. Für das gesamte Verfahren der frühen Nutzenbewertung ist eine Zeitschiene von nur 3 Monaten vorgegeben, für die keine empirische Grundlage erkennbar und deren Angemessenheit aus wissenschaftlicher Sicht zu hinterfragen ist. Sie verhindert nicht nur eine angemessene Einbeziehung des Sachverstands der medizinischen Wissenschaft, sondern setzt auch den G-BA und das IQWiG unter einen Druck, der eine angemessene Bearbeitung im Einzelfall fragwürdig machen kann. Die AWMF hatte bereits in ihrer Stellungnahme zum geplanten Verfahrensablauf des IQWiG empfohlen, eine strukturierte Fortschreibung (regelrechte Methodenbewertung) bei Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse einzuplanen [3]. Im Fall der Richtlinien-Verfahren ist bemerkenswert, dass die Verfahrensordnung des G-BA formuliert: „die Stellungnahmefrist soll nicht kürzer als vier Wochen sein“. Die AWMF wird sich für die Ausschöpfung von Verlängerungsmöglichkeiten der Fristen in angemessenem Rahmen und im Bedarfsfall einsetzen.

Stellungnahmen zu Ausarbeitungen des IQWiG

Die Stellungnahmerechte der Fachgesellschaften sind in §139a SGB V verankert wonach das Institut „in allen wichtigen Abschnitten des Bewertungsverfahrens Sachverständigen der medizinischen, pharmazeutischen und gesundheitsökonomischen Wissenschaft und Praxis“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und die Stellungnahmen in die Entscheidung einzubeziehen hat.


Der Methodenreport des IQWiG sieht im Verfahrensablauf der Erstellung von Vollberichten zu Verfahren der Nutzenbewertung (§ 135 und 137c SGB V) und Kosten-Nutzenbewertung (§35b SGB V) zwei Stellungnahmeverfahren vor: Eines vor der Publikation eines Berichtsplans und eines vor der Publikation eines Vorberichts [4]. Für andere Produkte des IQWiG ist derzeit keine Stellungnahme explizit vorgesehen. Dies betrifft sog. Rapid Reports im Auftrag des G-BA oder BMG, Dossierbewertungen im Rahmen der frühen Nutzenbewertung, Potenzialbewertungen im Rahmen der Verfahren zur Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§137e SGB V) sowie in Grenzen Arbeitspapiere des IQWiG, IQWiG-Stellungnahmen (sog. Addenda) und Gesundheitsinformationen. Die AWMF erhält jedoch in jedem Fall vor Abschluss dieser Verfahren die Ergebnisse über das Kuratorium des IQWiG und wird, wie schon praktiziert, ihre Mitgliedsgesellschaften hierüber informieren und zur Stellungnahme aufrufen. Zusätzlich sollten die Fachgesellschaften die Stellungnahmemöglichkeiten beim G-BA nutzen.

Auch für Stellungnahmen zu den Berichtsplänen und Vorberichten des IQWiG wird in der Regel eine Frist von 4 Wochen gesetzt, wenngleich im Methodenpapier des IQWiG wie in der Verfahrensordnung des G-BA „mindestens 4 Wochen“ formuliert sind. Für die Abgabe von Stellungnahmen ist eine Reihe formaler Anforderungen vorgegeben. Es wird empfohlen, die vom IQWiG bereit gestellten Leitfäden und Formblätter zu nutzen [5]. Das Institut kann, muss aber nicht, zusätzlich zu einer mündlichen Erörterung einladen. An dieser Diskussionsrunde kann nur teilnehmen, wer eine schriftliche Stellungnahme eingereicht und mögliche Interessenkonflikte im Vorfeld der Erörterung offen gelegt hat.

Stellungnahmen zu Ausarbeitungen des AQUA-Instituts

Nach § 137a SGB V sind die „wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften“ bei der Entwicklung, Durchführung und Berichterstattung von sektorenübergreifenden Qualitätssicherungsverfahren zu beteiligen. Dies betrifft Verfahren zu den Aspekten:

  • Ambulantes Operieren im Krankenhaus (115b Abs. 1 SGB V)
  • Ambulante Behandlung im Krankenhaus (116b Abs. 4 SGB V)
  • Qualitätssicherung im Krankenhaus (§137 Abs. 1 SGB V)
  • Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten (§137f SGB V).

Der Methodenreport des AQUA-Instituts sieht im Verfahrensablauf ein Stellungnahmeverfahren zum Zeitpunkt der Publikation eines Vorberichts vor. Die Stellungnahmefrist beträgt hier 8 Wochen [6]. Interessierte Experten und Leistungserbringer haben darüber hinaus in allen wesentlichen Projektschritten Möglichkeiten zur Beteiligung, vom Beginn mit einem Scoping-Workshop über die Mitarbeit im Expertenpanel für die Verfahrensentwicklung mit Indikatorenauswahl bis zur Umsetzung und Berichterstattung (Machbarkeitsprüfung, Probebetrieb, Mitarbeit in Bundesfachgruppen). Mit Ausnahme der Stellungnahmeverfahren zu Vorberichten ist jedoch keine Beteiligung der Fachgesellschaften als Organisationen vorgesehen sondern nur die Beteiligung einzelner Experten. Die AWMF hatte bereits in ihrer Stellungnahme zum Methodenpapier des AQUA-Instituts empfohlen, das Auswahlverfahren für diese Experten zu konkretisieren und die Beteiligung der in § 137a Abs. 3 SGB V genannten Organisationen, einschließlich der Fachgesellschaften, zu bedenken [7]. Eine Neuauflage des Methodenpapiers ist für Mitte 2012 geplant. Die AWMF wird prüfen, in wie weit diese und andere Empfehlungen ihrer Stellungnahme bei der Überarbeitung berücksichtigt wurden und auch zum Entwurf des überarbeiteten Papiers wieder Stellung nehmen.

Das AQUA-Institut informiert auf seiner Internetseite nicht nur über neue Themen, sondern stellt auch die Ablaufpläne mit den jeweils aktuellen Projektständen ausführlich dar, sodass sich die Fachgesellschaften frühzeitig auf anstehende Stellungnahmeaufforderungen einstellen können. Zusätzlich können auch hier die Stellungnahmemöglichkeiten beim G-BA genutzt werden.

Stellungnahmen bei der AWMF: Verfahrensabläufe in der Geschäftsstelle und Informationen für die Fachgesellschaften

Die AWMF übernimmt eine koordinierende Funktion zwischen den Institutionen nach SGB V und den Fachgesellschaften (siehe Abbildung[Abb. 1]).

Auf der Website der AWMF erscheint in der Rubrik "Service" ab sofort eine neue Sparte zu Stellungnahmeverfahren, an denen die Fachgesellschaften beteiligt sind. Dort werden Informationen bereit gestellt sowie Links zu den Institutionen Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Institution gemäß § 137a des SGB V für sektorenübergreifende Qualitätssicherung (AQUA-Institut). Zusätzlich finden Sie hier den Link zum Robert-Koch-Institut, da auch zu den Ausarbeitungen der dort angebundenen Kommissionen die wissenschaftliche Expertise der Fachgesellschaften gefragt ist und Stellung genommen werden kann. Dies betrifft:

  • Richtlinien der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO)
  • Richtlinien der Gendiagnostik- Kommission (GEKO)
  • die zu erwartenden Ausarbeitungen der gerade im Aufbau befindlichen Kommission Antiinfektive Resistenzlage (ART).

Der Umfang der Anfragen, die durch die neuen Rechte auf die Fachgesellschaften zukommen, lässt sich durch die Anzahl der bisher bei der AWMF eingegangenen erahnen (siehe Tabelle[Abb. 2]).

Den Fachgesellschaften wird empfohlen, auch interne Vorkehrungen zu treffen, um sich auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten. Die AWMF bittet erneut um Benennung eines/einer Stellungnahmebeauftragten, um eine schnelle und direkte Kommunikation angesichts der in der Regel kurzen Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen zu gewährleisten.

Neben der Verfolgung der Informationen durch die AWMF wird empfohlen, dass sich die Fachgesellschaften frühzeitig über neue Beratungsthemen des G-BA sowie neue Aufträge des IQWiG und des AQUA-Instituts informieren. G-BA und IQWiG stellen jeweils einen Informationsdienst zur Verfügung, der kostenfrei abonniert werden kann und dessen Inhalte spezifisch eingegrenzt werden können. Das AQUA-Institut informiert über seine Internetseite in der Sektion Sektorenübergreifende Qualitätssicherung (SQG) über neue Aufträge (siehe Anhang: Praktische Tipps und Links).


Entwicklungspotentiale für den wissenschaftlichen Dialog zwischen den im SGB V verankerten Institutionen und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der AWMF


Die AWMF und ihre Mitgliedsgesellschaften begrüßen den sichtbaren Ausbau des wissenschaftlichen Dialogs sehr. Dieser wurde auch durch die konstruktive Diskussion mit den Vertretern der Institutionen im Rahmen der Informationsveranstaltung verdeutlicht. Eine Wiederholung der Veranstaltung nach einem Jahr ist avisiert, um die Entwicklungen in der Zwischenzeit und die Erfahrungen und Wünsche - vor allem auch aus der Perspektive der Fachgesellschaften - diskutieren zu können.

Die Fachgesellschaften wünschen, ihren Sachverstand bereits in der Phase der Formulierung und Präzisierung wissenschaftlicher Fragestellungen für die Verfahren der Nutzenbewertung und Qualitätssicherung stärker einbringen zu können. Die Expertise der Fachgesellschaften kann hilfreich und möglicherweise bestverfügbare Evidenzgrundlage sein für die

  • Priorisierung geeigneter Themen, d.h. Festestellung des Bedarfs für den Einsatz der Ressourcen der Institutionen
  • Definition der Patientenpopulation, für die eine potentielle Indikation des zu bewertenden Verfahrens besteht, insbesondere bei schweregradorientierten Definitionen
  • Feststellung der angemessenen Vergleichsinterventionen, insbesondere, wenn zweidimensionale Vergleiche nicht hinlänglich und/ oder zu erwarten ist, dass Dosierungs- und Applikationsschemata in Studien nicht dem „Goldstandard“ entsprechen
  • Festlegung der patientenrelevanten Outcomes in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Patienten.

Vor diesem Hintergrund ist die Möglichkeit zur Stellungnahme zu Beratungsthemen des G-BA sehr zu begrüßen. Darüber hinaus sollte auch die von der AWMF schon früher vorgeschlagene Möglichkeit einer mündlichen Beratung zur Themenfindung beim G-BA (Scoping-Workshop) weiter bedacht werden.

Die Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen zu den Ausarbeitungen von G-BA und IQWiG werden weiterhin als zu knapp angesehen und sollten hinsichtlich der Möglichkeit angemessener Verlängerungen im Einzelfall geprüft werden. Ein „Frühwarnsystem“ für bald anlaufende Stellungnahmeverfahren wäre sicher hilfreich, z.B. über Darstellung der projektspezifischen Zeitschienen mit jeweils aktuellen Ständen auf den Internetseiten der Institutionen (Muster: Darstellung auf der Seite des AQUA-Instituts [8]). Die Termine mündlicher Anhörungen durch das IQWiG sollten weniger kurzfristig als innerhalb der aktuell üblichen 10-Tagesfrist anberaumt werden, damit die Stellungnahmeberechtigten Dienstbefreiungen und Reiseplanungen realisieren können.

Die formalen Anforderungen an die Gestaltung von Stellungnahmen sehen vor, begründende Literatur im Volltext, bevorzugt in elektronischer Form, zur Verfügung zu stellen. Dies ist eine Barriere, die möglicherweise den gesetzlichen Bestimmungen zu Urheber- und Verwertungsrechten widerspricht. Hier sind vor allem G-BA und IQWiG gefragt, eine rechtliche Klärung herbei zu führen. Bis zu dieser Klärung ist davon auszugehen, dass die ordentliche Angabe von Literaturquellen in Stellungnahmen deren Anerkennung ausreichend rechtfertigt.

Hinsichtlich der Ausarbeitungen des IQWiG besteht der Wunsch, die im Methodenreport sinnvollerweise vorgesehenen Möglichkeiten stärker auszuschöpfen, bei Fehlen von Evidenz aus RCT auch weitere, etwa nicht randomisierte vergleichende Studien zu berücksichtigen, sofern sie grundsätzlich geeignet sind, ausreichende Ergebnissicherheit zu liefern. Weiterhin wurde die Transparenz der Schlussfolgerungen aus einer Nutzenbewertung angesprochen. Sofern unterschiedliche Auffassungen zwischen Experten bestehen, die das IQWiG als Sachverständige in die Verfahren einbezieht, wird empfohlen, die Möglichkeit der Darlegung von Dissens zu erwägen. Ferner bestehen Entwicklungspotentiale im Ausbau der Stellungnahmeoptionen zu Verfahren, zu denen dies im IQWiG-Methodenreport nicht vorgesehen ist (v.a. frühe Nutzenbewertung, Gesundheitsinformationen für Patienten und Rapid Reports).

Hinsichtlich der Ausarbeitungen des AQUA-Instituts sollte die Einbeziehung des Sachverstands der Fachgesellschaften zusätzlich zum Stellungnahmeverfahrens zu Vorberichten zu prüfen, insbesondere, wenn die an den Verfahren beteiligten Experten nicht als Mandatsträger fungieren, sondern nur gefragt sind, ihre persönliche Expertise einzubringen. Zur Sicherstellung der Information der Fachgesellschaften über die Information durch die AWMF hinaus wäre wünschenswert, wenn das AQUA-Institut einen Informationsdienst analog G-BA und IQWiG einrichten würde, über dessen Abonnement die Fachgesellschaften sich auch selbst direkt über neue Themen informieren könnten.

Fazit:

  • Die Möglichkeiten der Fachgesellschaften zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen zur medizinischen Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wurden gestärkt. Dies impliziert auch neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten.
  • In allen Verfahren können und sollten die Fachgesellschaften die Gelegenheit nutzen, direkt dem G-BA gegenüber Stellungnahmen abzugeben.
  • Die Fachgesellschaften sollten organisatorische Vorkehrungen zur fristgerechten Abgabe von Stellungnahmen treffen.
  • Die AWMF bittet ihre Mitgliedsgesellschaften, soweit noch nicht geschehen, um Benennung eines „Stellungnahmebeauftragten“, der als direkter Ansprechpartner für die Weiterleitung von Informationen zu Stellungnahmeverfahren für die AWMF und innerhalb der Fachgesellschaft zur Verfügung steht.
  • Die AWMF-Geschäftsstelle hat sich darauf eingestellt, eine zeitnahe Weiterleitung der Aufforderungen zu Stellungnahmen und Koordination der Antworten zu gewährleisten und eine Informationsbasis geschaffen, um interessierten Fachgesellschaften eine frühzeitige Beteiligung zu ermöglichen.
  • Die AWMF wird sich mit ihren Mitgliedsgesellschaften für den weiteren Ausbau der Kooperationen und des wissenschaftlichen Dialogs mit den gesetzlich verankerten Institutionen und Entscheidungsträgern einsetzen.

Praktische Tipps und Links:

  • Verfolgung der Veröffentlichung neuer Beratungsthemen des G-BA (einschließlich frühe Nutzenbewertung): www.g-ba.de/institution/service/ ; Rubrik „E-mail-Infodienst“; Kategorie „Bekanntmachung von Beratungsthemen“ (Abonnement empfohlen)
  • Verfolgung neuer Projekte, Ausschreibungen und Produkte des IQWiG: www.iqwig.de/ ; Rubrik „Infodienst“ (Abonnement empfohlen)

Notes

[1] Programm und Vortragsfolien der Vertreter die Institutionen und der AWMF sind verfügbar unter www.awmf.org/service/stellungnahmeverfahren/awmf-veranstaltungen/awmf-informationsveranstaltung-am-28-3-2012.html (Zugriff am 13.04.2012)

[2] Verfahrensordnung des G-BA. Verfügbar unter www.g-ba.de/downloads/62-492-598/VerfO_2012-01-19.pdf (Zugriff am 13.04.2012)

[3] Stellungnahme der AWMF zum Entwurf des Methodenpapiers Version 4 des IQWiG vom 08.03.2011 zum Aspekt: Produktspezifische Verfahrensabläufe.

[4] Verfügbar unter www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Medizinische_Versorgung/Stellungnahme_IQWiG-Methoden_IV.pdf (Zugriff am 13.04.2012)

[5] Verfügbar unter www.iqwig.de/download/IQWiG_Methoden_Version_4_0.pdf (Zugriff am 15.04.2012)

[6] Informationen zu Anforderungen an Stellungnahmen des IQWiG sind verfügbar unter www.iqwig.de/index.507.html (Zugriff am 15.04.2012) Version 2.0, die Publikation einer überarbeiteten Fassung (Version 3.0) ist Mitte 2012 geplant. Methodenpapiere des AQUA Instituts sind verfügbar unter www.sqg.de/hintergrundinformation/methodenpapier/index.html (Zugriff am 15.04.2012)

[7] Stellungnahme der AWMF zu den „Allgemeinen Methoden für die wissenschaftliche Entwicklung von Instrumenten und Indikatoren im Rahmen der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung im Gesundheitswesen nach § 137a SGB V“ (Version 0.1 Entwurf vom 30.11.2009) Verfügbar: www.awmf.org/uploads/media/stn-aqua-methoden.pdf (Zugriff am 16-04.2012)

[8] Beispiel: www.sqg.de/entwicklung/projektstand/nosokomiale-infektionen-gefaesskatheter-assoziierte-infektionen.html (Zugriff am 16.04.20112)