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Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte 2025

07.03. - 08.03.2025, Solingen

Einfluss intravenöser Gentamicintherapie im Neugeborenenalter auf die Vestibularorgane

Meeting Abstract

  • author Lena Zaubitzer - Universitätsmedizin Mannheim, HNO-Klinik, Mannheim, Deutschland
  • corresponding author presenting/speaker Anja Kotzur - Klinikum Dortmund, HNO-Klinik, Dortmund, Deutschland
  • author Matthias Duerken - Universitätsmedizin Mannheim, Kinderklinik, Mannheim, Deutschland
  • author Roland Huelse - Universitätsklinikum Marburg, Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Nicole Rotter - Universitätsmedizin Mannheim, HNO-Klinik, Mannheim, Deutschland
  • author Anne Lammert - Universitätsmedizin Mannheim, HNO-Klinik, Mannheim, Deutschland
  • author Angela Schell - Universitätsmedizin Mannheim, HNO-Klinik, Mannheim, Deutschland

Vereinigung Westdeutscher HNO-Ärzte. Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Solingen, 07.-08.03.2025. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2025. Doc49

doi: 10.3205/25wdhno49, urn:nbn:de:0183-25wdhno490

Veröffentlicht: 6. März 2025

© 2025 Zaubitzer et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Zur Behandlung schwerwiegender, systemischer Infektionen bei Neugeborenen ist Gentamicin Bestandteil der kalkulierten, antibiotischen Therapie. Potentielle Nebenwirkungen des Aminoglykosids sind neben der Nephrotoxizität auch die Vestibulo- und Cochleotoxizität. Die Vestibulotoxizität durch Gentamicin kann sich durch Ungleichgewicht, Oszillopsien und Gangunsicherheit zeigen. Bei Kindern macht sich eine vestibuläre Funktionsminderung u.a. durch verzögerte motorische Entwicklung und auch schulische Lernschwierigkeiten bemerkbar. Der Video-Kopfimpulstest ist ein geeignetes Untersuchungsinstrument, um Veränderung in der vestibulären Funktion bei Kindern und Erwachsenen zu detektieren.

Methoden: 29 Kinder im Alter von 2 bis 7 Jahren (MW: 4,67 Jahre), die als Neugeborene zwischen 2012 und 2016 eine mindestens 5-tägige, intravenöse Gentamicintherapie erhalten haben, wurden in der prospektiven Single-Center-Querschnittsstudie untersucht. Es wurde ein für die Studie entworfener, gleichgewichtsorientierter Fragebogen erhoben, sowie mittels Video-Kopfimpulstest der horizontale vestibulookuläre Reflex gemessen. Eine Gainreduktion (< 0,80) und/oder Rückstellsakkaden galten im Video-Kopfimpulstest als pathologisch. Die Werte der Vergleichsgruppe (36 gesunde Kinder) wurden aus einer am gleichen Haus durchgeführten Studie von Hülse et al. mit einem identischen Versuchsaufbau und Untersuchungsablauf entnommen.

Ergebnisse: Sechs Kinder mussten aufgrund mangelnder Testqualität ausgeschlossen werden. Der durchschnittliche Gain ± SD lag für Impulse nach rechts bei 1,11 ± 0,23, für Impulse nach links bei 0,99 ± 0,30 und für beide getestete Richtungen bei 1,03 ± 0,25. Im T-test zeigte sich kein signifikanter Unterschied zur Vergleichsgruppe (p > 0,05).

Bei 6 Kindern wurden einseitig Pathologien gefunden (26,1 %), bei 5 Kindern beidseitig (21,7 %). Bei 5 Kinder mit pathologischen Video-Kopfimpulstest zeigten sich auch Auffälligkeiten im Fragebogen.

Diskussion: Eine irreversible Schädigung der Haarzellen kann bei Erwachsenen trotz Einhaltung von Serumtal- und Spitzenspiegeln auftreten und sich bereits nach einmaliger Gabe manifestieren. Bei Neugeborenen scheint eine leitliniengerechte Therapie mit Gentamicin, nicht zu einer klinisch signifikanten vestibulären Hypofunktion zu führen. Gestützt werden die Ergebnisse durch die in Studien gezeigte Regenerationsfähigkeit des neonatalen, vestibulären Sinnesepithels. Dennoch wurden bei 11 von 23 Kindern Pathologien gefunden, so dass weitere Studien mit erweiterter Diagnostik und größerem Patientenkollektiv erstrebenswert wären. Der Video-Kopfimpulstest kann zum Screening von post-therapeutischen vestibulären Nebenwirkungen bei Kindern genutzt werden. Bei vestibulärer Funktionsstörung mit klinischer Relevanz sollten frühzeitig therapeutische Maßnahmen z.B. Gleichgewichtstraining eingeleitet werden.