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Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte 2024

08.03. - 09.03.2024, Köln

Stimmstörungen nach COVID ohne Intubation oder Tracheotomie – Fact or Fiction?

Meeting Abstract

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Vereinigung Westdeutscher HNO-Ärzte. Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Köln, 08.-09.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc21

doi: 10.3205/24wdhno21, urn:nbn:de:0183-24wdhno210

Veröffentlicht: 9. Februar 2024

© 2024 Angerstein et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: In unserer phoniatrischen Poliklinik wurden mehrfach Patienten wegen Post-COVID-Dysphonie vorstellig, die weder intubiert noch tracheotomiert worden waren. Zudem erreichte uns die Anfrage eines niedergelassenen HNO-Kollegen, der einen möglichen Zusammenhang (Stimmprobleme nach COVID ohne Intubation oder Tracheotomie) für die gesetzliche Unfallversicherung (BK Nr. 3101) zu begutachten hatte.

Somit war zu klären, ob Stimmstörungen nach einer Corona-Erkrankung auch ohne Intubation oder Tracheotomie möglich sind.

Methoden: Hierzu untersuchten wir 9 Patienten (Alter: 15-53 Jahre), die milde bis moderate Corona-Infektionen durchgemacht hatten. Es erfolgte eine transorale Lupenlaryngoskopie und -stroboskopie, außerdem eine auditive Stimmbeurteilung nach dem RBH-Schema.

Ergebnisse: 8 Patienten hatten Begleiterkrankungen, die sich negativ auf die Stimme auswirken können. Als häufigste Stimmprobleme wurden „vocal fatigue“ (6 Patienten) und Heiserkeit (5 Patienten) angegeben. 7 Patienten wurden bereits logopädisch betreut.

Die Lupenlaryngo-Stroboskopie ergab bei 3 Patienten unauffällige Befunde. Folgende weitere Kehlkopfveränderungen wurden festgestellt: hyperfunktionelle Dysphonie, passagere Stimmlippenparese, verzögerte Abduktion einer Stimmlippe, vermehrte Gefäßzeichnung beider Stimmlippen, sowohl mittiger („bowing“ der Stimmlippen) als auch durchgehender phonatorischer Glottisspalt.

Die auditive Stimmbeurteilung zeigte lediglich bei 2 Patienten stark auffällige Stimmen (R3 B2 H3).

Diskussion: Die S1-Leitlinie Long-/Post-COVID beschreibt „laryngeale/vokale Fatigue“, laryngeale „Ödeme…und Schwellungen“, „eingeschränkte Glottisfunktion/-mobilität durch Paresen“ sowie „Dysphonien infolge insuffizienter respiratorischer Funktion (reduzierter subglottischer Anblasedruck)“. Bei der Begutachtung sollte auch die „Frage der Erwerbsminderung“, die „Anerkennung als Berufskrankheit (BK Nr. 3101)“ sowie die „Anerkennung als Arbeitsunfall“ geprüft werden.

In einer Metaanalyse wurde 2023 festgestellt, dass 20,1% der 13948 erfassten Patienten eine Long-COVID-Dysphonie entwickelten. In der Literatur wurden bei nicht intubierten und nicht tracheotomierten COVID-Patienten mit Dysphonie u.a. Stimmlippenparesen, „bowing“ der Stimmlippen, inkompletter phonatorischer Glottisschluss sowie Kongestion der Stimmlippen beschrieben.

Gutachterlich wird die Beurteilung der Kausalität erschwert, wenn zusätzlich zu Long-COVID Komorbiditäten mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Stimme bestehen. In diesen Fällen kann (wie bei unseren 9 Patienten) ein enger zeitlicher Zusammenhang (wenige Tage bis maximal eine Woche) zwischen nachgewiesener Corona-Infektion und ersten stimmlichen Symptomen auf einen möglichen kausalen Zusammenhang hinweisen.

Therapeutisch ist eine logopädische Atem- und Stimm-Übungsbehandlung medizinisch indiziert.

Fazit: Stimmstörungen bei Long-COVID sind auch ohne Intubation oder Tracheotomie möglich. Eine Anerkennung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall kann ebenfalls in Betracht kommen.