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Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte 2019

29.03. - 30.03.2019, Neuss

Stroboskopische, kymographische und sonographische Untersuchungen der Lippen bei Blechbläsern

Meeting Abstract

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Vereinigung Westdeutscher HNO-Ärzte. Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Neuss, 29.-30.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc05

doi: 10.3205/19wdhno05, urn:nbn:de:0183-19wdhno053

Veröffentlicht: 6. Februar 2019

© 2019 Angerstein et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Tonentstehung an Mundlippen und Stimmlippen erfolgt nach vergleichbaren anatomischen (schwingende Schleimhaut auf muskulärer Unterlage) und physiologischen (Bernoulli´sches Strömungsgesetz) Prinzipien. Es lag daher nahe, die für die Stimmlippen gängigen funktionellen endoskopischen Untersuchungsmethoden (Stroboskopie, Kymographie) in technisch abgewandelter Form auch auf die Mundlippen anzuwenden [1]. Diese Schwingungsanalysen der Mundlippen erlauben Aussagen zu deren Funktion, die Morphologie (insbesondere des M. orbicularis oris) lässt sich mit hoch auflösendem Ultraschall detailliert untersuchen [2].

Methoden: Die stroboskopischen und kymographischen Schwingungsanalysen erfolgen mittels angebohrter Mundstücke und einer in das Bohrloch eingeschraubten 70°-Lupenoptik [1]. So lassen sich Bewegungsartefakte der schwingenden Mundlippen während des Spielens auf dem Blasinstrument vermeiden. Die schwingenden Mundlippen werden hinsichtlich Suffizienz des Lippenschlusses und Phasensynchronizität (Vergleich Ober- mit Unterlippe) beurteilt.

Die Lippensonographie [2] erfolgt mit einem Linearschallkopf, dessen Frequenz zwischen 4 und 13 MHz variabel ist. Beim sitzenden Patient werden Ober- und Unterlippe separat transversal sowie kombiniert sagittal im B-mode geschallt.

Ergebnisse: Sowohl mittels Stroboskopie als auch mittels Kymographie lassen sich Öffnungs-, Schließungs-, Offen- und Verschlussphase unterscheiden. Zusätzlich lassen sich kymographisch Einschwing-, Vollschwing- und Ausschwingphasen differenzieren.

Die Kymographie hat gegenüber der Stroboskopie den Vorteil, dass jede einzelne Lippenschwingung entlang einer zuvor festgelegten Linie (engl. high-speed line scanning) hinsichtlich ihrer Amplitude vermessen werden kann. Mit steigender Frequenz der Mundlippenschwingungen werden deren Amplituden zunehmend kleiner und umgekehrt [1]. Stroboskopien eignen sich eher zu einer deskriptiven Darstellung der Schwingungszyklen. Stroboskopiekameras sind deutlich kostengünstiger als Kymographiekameras, daher kommen erstere vermehrt in Praxen zur Anwendung.

Der M. orbicularis oris besteht aus zwei separaten Einheiten, der entwicklungsgeschichtlich älteren Pars marginalis (Sphinkter, wichtig für die Nahrungsaufnahme) und der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Pars peripheralis (einstrahlende mimische Gesichtsmuskeln, wichtig für Artikulation, Mimik, Gestik und Ästhetik) [2]. Die morphologische Intaktheit dieser Lippenmuskulatur (Ruptur? Narbe?) kann sonographisch gut eingeschätzt werden.

Diskussion: All diese nicht-invasiven bildgebenden Verfahren sind relevant zur Beurteilung der Arbeits- und Berufs(un)fähigkeit professioneller Blechbläser (z. B. im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren). Sowohl eine „Druckschädigung der Nerven“ als auch eine Fokale Dystonie/Ansatzdystonie [3] kann im Bereich der Mundlippen bei Blechbläsern als Berufskrankheit anerkannt werden.

Die routinemäßige Anwendung der o.g. Ansatzuntersuchungen wird daher für Blechbläser in Musikermedizinischen Sprechstunden empfohlen.


Literatur

1.
Mauersberger R, Muth T, Massing T, Angerstein W. Lip vibrations in brass musicians – Paper No ISMRA2016-81. In: Procedings of the International Symposium on Musical and Room Acoustics (ISMRA); 2016 Sep 11–13, La Plata, Argentina. Available from: http://ica2016.org.ar/ismra2016proceedings/ismra2016/ISMRA2016-81 Externer Link
2.
Lefarth F, Prescher A, Angerstein W. Vergleichende sonographische und histomorphologische Untersuchungen der Lippen. HNO. 2014;62:879. DOI: 10.1007/s00106-014-2918-1 Externer Link
3.
Rozanski VE, Rehfuess E, Bötzel K, Nowak D. Aufgabenspezifische Dystonie bei professionellen Musikern. Ein systematisches Review zur Bedeutung des intensiven Musizierens als Risikofaktor. Dtsch Ärztebl. 2015;112 (51–52): 871-7. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0871 Externer Link