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72. Tagung der Vereinigung Norddeutscher Augenärzte

02. - 03.06.2023, Osnabrück

Zirkadiane Rhythmik und Glaukom

Meeting Abstract

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  • Erik Chankiewitz - Städtisches Klinikum Braunschweig

Vereinigung Norddeutscher Augenärzte. 72. Tagung der Vereinigung Norddeutscher Augenärzte (VNDA). Osnabrück, 02.-03.06.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23vnda28

doi: 10.3205/23vnda28, urn:nbn:de:0183-23vnda287

Veröffentlicht: 1. Juni 2023

© 2023 Chankiewitz.
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Gliederung

Text

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde“ (Prediger Salomo 3, 1–8) – diese Bibelworte werden zur Bedeutung von Zeit und Rhythmik des Lebens in einen wissenschaftlichen Kontext mit Sehen, Glaukom und Erblindung gestellt. So trägt vor allem das Eingangssignal, der tageszeitliche Wechsel von Licht zu Dunkelheit dazu bei, den menschlichen Organismus zu synchronisieren. Während fast in jeder menschlichen Zelle Uhrengene autark Rhythmen generieren, ist es so dem visuellen System über den retinohypothalamischen Trakt, dem Nucleus suprachiasmaticus und noradrenergen Fasern zur Glandula pinealis mit der Produktion des Neurohormons Melatonin möglich, den Takt im Körper vorzugeben.

Ein synchronisierter Organismus ist durch weit mehr als einen guten Schlaf-Wachrhythmus gekennzeichnet, nämlich auch durch eine erhöhte Stabilität des Hormonhaushalts, Metabolismus, Verdauungs- und Immunsystems sowie der Psyche. Natürlich können auf die einzelnen Systeme vielfältige Signale rhythmisch einwirken und deren Untersuchungen sind im Menschen auf Grund der vielen veränderbaren Variablen komplex.

Auch gibt es spezielle tageszeitliche Schwankungen, wie beispielsweise des intraokularen Druckes, deren Ursprung bis heute nicht vollends verstanden wird. Ebenso gilt dies für die bekannte Zunahme der Amplituden des intraokularen Drucks bei der Glaukomerkrankung. In den letzten Jahren nehmen jedoch die Hinweise auf einen Einfluss des Nucleus suprachiasmaticus als Taktgeber für die Kammerwasserproduktion zu.

Das Glaukom ist durch eine Neurodegeneration der retinalen Ganglienzellen charakterisiert. Dabei werden, je nach Schwere, auch die nicht-Bild-generierende Fasern des retinohypothalamischen Traktes betroffen, was die Synchronisation der inneren Uhren insgesamt beeinträchtigen kann. So wurden bei stark betroffenen Glaukompatienten erniedrigte Melatonin-Werte gefunden und es gibt Symptome für Desynchronisationen. Völlig erblindete Patienten weisen sehr häufig einen anomalen Rhythmus auf. Als freilaufender Rhythmus wird dabei ein unsynchronisiertes Durchlaufen der inneren Uhr bezeichnet, der dadurch zustande kommt, dass die Uhr keinen exakten 24-Stunden-Rhythmus durchläuft, also nur „circa“-dian ist. Dabei kann der Shift ein völliges Vertauschen der Tag-Nacht-Empfindung verursachen und den Patienten stark beeinträchtigen. Eine externe Synchronisierung kann mit Melatonin oder speziellen Derivaten gelingen; außerdem kann Melatonin als Radikalfänger eine zusätzlich positive Wirkung auf die Neuroprotektion beim Glaukom haben.

Zirkadianer Rhythmus und Glaukom verdienen unsere klinische Beachtung, da ein gut synchronisierter Organismus im Zusammenhang mit Unversehrtheit und Wohlbefinden steht, wie auch das hebräische Wort: šālôm.