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69. Tagung der Vereinigung Norddeutscher Augenärzte

14.06. - 15.06.2019, Rostock

Pro und Contra der Atropin-Prophylaxe bei Schul-Myopie

Meeting Abstract

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  • Michael P. Schittkowski - Göttingen

Vereinigung Norddeutscher Augenärzte. 69. Tagung der Vereinigung Norddeutscher Augenärzte (VNDA). Rostock, 14.-15.06.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19vnda19

doi: 10.3205/19vnda19, urn:nbn:de:0183-19vnda197

Veröffentlicht: 12. Juni 2019

© 2019 Schittkowski.
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Gliederung

Text

Die Prävalenz der Myopie hat in den letzten Jahrzehnten weltweit zugenommen. In den südostasiatischen Metropolen werden inzwischen Raten von 80-90 % bei jungen Erwachsenen berichtet. Diese teilweise dramatische Zunahme wird vor allem den veränderten Lebensgewohnheiten (Zunahme der „Naharbeit“ wie Lesen, Smartphone etc.) zugerechnet. In Asien sind Myopie-bedingte Netzhautkomplikationen inzwischen die Hauptursache für Erblindung im Erwerbsalter. Insofern wird intensiv nach Möglichkeiten der Reduktion der Rate an hoher Myopie gesucht.

Seit mehr als 100 Jahren weiß man um die hemmende Wirkung des Atropins auf die Myopie-Progression. Obgleich der genaue Wirkungsmechanismus noch unbekannt ist, wurde in der letzten Dekade doch eine evidenzbasierte Behandlungsstrategie entwickelt. Atropintropfen können die Myopie-Progression bei asiatischen Kindern im Mittel um -0,54 Dioptrien (dpt)/Jahr und bei kaukasischen Kindern um -0,35 dpt/Jahr mildern. Zu beachten ist jedoch, dass von ca. 10% non-respondern auszugehen ist. Die Behandlung sollte nur bei Schulkindern (Alter ≥ 6 Jahre) mit einer nachgewiesenen Progressionsrate von -0,5 dpt im Vorjahr begonnen werden. Die zykloplegisch ermittelte Ausgangsrefraktion sollte zumindest -2 dpt (sphärisches Äquivalent) betragen. Empfohlen wird die Applikation 0,01%iger Tropfen 1× am Abend vor dem Schlafengehen in den Bindehautsack. Die Therapie mit 0,01% gilt als gut verträglich und nebenwirkungsarm. Die Behandlung wird zunächst über 2 Jahre durchgeführt, da zum Teil im 2. Jahr eine bessere Effektivität erzielt wurde. Ein halbjährliches Kontrollintervall während der Behandlung mit jeweiliger Bestimmung der Refraktion in Zykloplegie und Messung der Achsenlänge wird empfohlen. Anschließend kann ein Auslassversuch erfolgen, wenn die Progression unter -0,25dpt/Jahr im 2. Jahr gefallen ist. Auch nach Therapieende sind weitere Kontrollen angezeigt, wobei eine erneute Behandlung bei einem neuerlichen Ansteigen der Progression über -0,5 dpt/Jahr anzuraten ist. Ferner ist zu beachten, dass die Behandlung mit Atropin-Augentropfen eine off-label-Anwendung darstellt.