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Unerfüllter Kinderwunsch bei Männern
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Veröffentlicht: | 26. April 2024 |
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Einleitung: Die Prävalenz des unerfüllten Kinderwunschs bei Paaren in Deutschland beträgt ca. 10–15%. In ca. 50% der Fälle liegt ein männlicher Sterilitätsfaktor vor (in 20–30% als alleinige Ursache für die ungewollte Kinderlosigkeit; in ca. 20% finden sich gleichzeitig Faktoren bei Mann und Frau). Die Bundesärztekammer empfiehlt bei unerfülltem Kinderwunsch die urologisch/andrologische Beratung, die tatsächliche Inanspruchnahme ist jedoch gering (20%). Ziel dieser Querschnittsanalyse war es, in einem repräsentativen bevölkerungsbasierten Kollektiv von Männern die Lebenszeitprävalenz des unerfüllten Kinderwunsches und dessen Realisierung, sowie die Inanspruchnahme urologischer/andrologischer Abklärung zu erheben.
Methode: Die Daten für vorliegende Querschnittsanalyse an 50-jährigen Männern wurden im Rahmen der „Bavarian Men’s Health-Study“ erhoben. Die Gruppen (Männer mit/ohne unerfüllten Kinderwunsch bzw. Männer mit/ohne erfolgreicher Realisierung) wurden in Bezug auf soziodemographische (Alter, feste Partnerschaft, Anzahl der Kinder, Mehrlinge), klinische (Varikozele, Maldescensus testis, Hodentumor, Geschlechtserkrankungen, Hypertonus, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, Depression) und Lebensstil-Faktoren (Tabakkonsum, körperliche Aktivität, Body-Mass-Index, Taillenumfang), sowie bezüglich diagnostischer Maßnahmen im Rahmen der Ursachenabklärung (Spermiogramm, körperliche Untersuchung) und der Durchführung assistierter Reproduktionsmaßnahmen mittels Chi-Quadrat- bzw. Wilcoxon-Mann-Whitney-Test verglichen.
Ergebnisse: Etwa einer von fünf Männern (19,8%) gab einen aktuellen bzw. zurückliegenden unerfüllten Kinderwunsch an (1.148/5.855). Das Alter zu Beginn des unerfüllten Kinderwunschs lag bei 35,9±6,2 Jahren. Männer mit unerfülltem Kinderwunsch waren häufiger Exraucher verglichen mit Männern ohne unerfüllten Kinderwunsch und gaben häufiger das Vorliegen einer Varikozele oder eines Maldescensus testis an (alle p<0,001). Keine Unterschiede fanden sich bezüglich Alkoholkonsum, körperlicher Aktivität, Systemerkrankungen, Hodentumor oder Geschlechtskrankheiten. Knapp zwei Drittel der Männer (65,4%) konnte den unerfüllten Kinderwunsch realisieren, diese Männer waren jünger, nahmen häufiger reproduktionsmedizinische Maßnahmen in Anspruch und hatten häufiger Mehrlinge als Männer ohne erfolgreiche Realisierung (alles p<0,001).
Im Rahmen der Ursachenabklärung wurde bei einem Großteil der Männer (83,7%) ein Spermiogramm durchgeführt; bei 1/3 (35,7%) der Männer erfolgte eine umfassende urologische/andrologische Abklärung.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen eine hohe Lebenszeitprävalenz von unerfülltem Kinderwunsch (19,8%) und damit in Zusammenhang stehende urologische Ursachen (Varikozele/Maldescensus testis). Gleichzeitig wurde nur bei 1/3 der Männer mit unerfülltem Kinderwunsch eine umfassende urologische/andrologische Abklärung im Rahmen der Fertilitätsabklärung durchgeführt. Das kann dazu führen, dass urologische Probleme und veränderbare Risikofaktoren nicht ausreichend identifiziert werden. Die urologische/andrologische Anbindung von Männern mit unerfülltem Kinderwunsch stellt eine entscheidende Möglichkeit dar, um neben reproduktionsmedizinischen Anliegen weitere Aspekte der Männergesundheit berücksichtigen zu können.