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48. Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie

19.05. - 21.05.2022, Lindau

Hypofraktionierte Bestrahlung beim Prostatakarzinom – ist weniger wirklich mehr? Der unterschätzte „Wolf im Schafspelz“

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Michael Abenhardt - Salzburger Landesklinik, Salzburg, Österreich

Bayerische Urologenvereinigung. Österreichische Gesellschaft für Urologie und Andrologie. 48. Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie. Lindau, 19.-21.05.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22urobay35

doi: 10.3205/22urobay35, urn:nbn:de:0183-22urobay355

Veröffentlicht: 18. Mai 2022

© 2022 Abenhardt.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die bildgesteuerte (IGRT), sowie intensitätsmodulierte (IMRT), externe Bestrahlung der Prostata inklusive Samenblasen gilt als leitliniengerechte Alternative zur radikalen Prostatektomie beim lokal begrenzten oder lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom. Die hypofraktionierte Radiatio könnte hierbei als modernes Bestrahlungsschema die konventionelle Radiatio ablösen. Sie zeichnet sich durch eine höhere Einzeldosis bei deutlich weniger Bestrahlungssitzungen aus. Dies soll die Effektivität der Radiatio bei vergleichbarem Nebenwirkungsprofil erhöhen und die Therapie für den Patienten bequemer und zugänglicher machen.

Methode (Case): Bei dem ca. 60-jährigen Herrn D. zeigt sich in der Re-Biopsie 04/2020 unter Active Surveillance ein Gleason 6 Prostatakarzinom in 8/12 Stanzen, sodass vom niedergelassenen Urologen eine Radiatio empfohlen wird. Vor Bestrahlungsbeginn werden 4 Goldmarker in die Prostata sowie ein Gel-Spacer zwischen Prostata und Rektum implantiert. Die moderat hypofraktionierte Radiatio der Prostataloge mit 21 x 3 Gy erfolgt schließlich vom 04.08. bis zum 01.09.2020 in IMRT-, sowie IGRT-Technik.

Ergebnisse (Verlauf): Bereits 6 Monate nach der Radiatio kommt es zu einem therapieresistenten Harnwegsinfekt und einer ausgeprägten Dysurie mit einem IPSS von 25/35. In der urodynamischen Untersuchung zeigt sich eine neurogene Blasenfunktionsstörung mit hypotonem Detrusor und einer Restharnbildung von ca. 260 ml. Auf Grund der obstruktiven Komponente erfolgt eine SPDK-Versorgung und am 17.05.2021 eine sparsame TUR-P.

Eine Spinalkanalstenose auf Höhe L2/3 wird am 12.07.2021 operativ versorgt. Bei progredienten linksseitigen Leisten- und Adduktorenschmerzen wird am 11.08.2021 ein postoperativer Abszeß mittels MRT- LWS und eine Bursitis mittels Sonographie ausgeschlossen. Am 13.08.2021 wird eine erneute DK-Versorgung bei Harnverhalt notwendig.

Auf Grund der progredienten Schmerzen in der linken Leiste und bei unklarem Infekt erfolgt schließlich am 15.09.2021 eine Fokussuche mittels FDG-PET. Hierbei wird ein postradiogener Senkungsabszeß im Sinne einer Urinfistel von der Prostataloge zur Oberschenkelinnenseite links diagnostiziert.

Ohne suffiziente Besserung nach Abszeßinzision unter i.v. Antibiose mit Linezolid und Meropenem wird schließlich am 17.12.2021 die Harnblase robotisch entfernt und ein Ileum-Conduit angelegt.

Schlussfolgerung: Im Sinne einer Nightmare- Session präsentieren wir einen Case Report, um auf einen negativen Therapieverlauf nach einer modernen Radiatio zu sensibilisieren.

Die Datenlage bzgl. der Effektivität und Sicherheit der hypofraktionierten Radiatio bezieht sich auf ein medianes Follow-Up von unter 6 Jahren. Die aktuelle EAU-Leitlinie sieht diesen kurzen Zeitraum als kritisch und bekräftigt, dass ein adäquates Follow Up von 10–15 Jahren abzuwarten gilt.

In unserem Fall weisen wir auf die nicht zu verachtende Kurzzeittoxizität einer modernen Radiatio hin. Postradiogene Fisteln sind schwierig zu diagnostizieren, noch anspruchsvoller zu therapieren und nehmen für den Patienten häufig einen traumatisierenden Verlauf.