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48. Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie

19.05. - 21.05.2022, Lindau

Verändertes urologisches Harnwegsinfekt-Erregerspektrum durch die Covid-19-Pandemie? Ein Fallbericht am Beispiel Burkholderia multivorans

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Yves Grün - Klinik für Urologie, Klinikum St. Elisabeth, Straubing, Deutschland
  • Christian Gilfrich - Klinik für Urologie, Klinikum St. Elisabeth, Straubing, Deutschland
  • Johannes Moersler - Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Klinikum St. Elisabeth, Straubing, Deutschland
  • Doris Niklas - MVZ Labor, Klinikum St. Elisabeth, Straubing, Deutschland
  • Johann Lermer - Klinik für Urologie, Klinikum St. Elisabeth, Straubing, Deutschland

Bayerische Urologenvereinigung. Österreichische Gesellschaft für Urologie und Andrologie. 48. Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie. Lindau, 19.-21.05.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22urobay14

doi: 10.3205/22urobay14, urn:nbn:de:0183-22urobay140

Veröffentlicht: 18. Mai 2022

© 2022 Grün et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Covid-19-Pandemie hat das Leben fast aller Menschen weltweit verändert, auch indirekt in Bereichen, die überraschten. Hierzu gehört ein verändertes Harnwegsinfekterregerspektrum. Beispielhaft soll dies am Keim Burkholderia multivorans gezeigt werden, ein Erreger, der intrinsisch resistent gegen eine Vielzahl von Antibiotika ist und bei Gesunden bisher eine Rarität darstellte.

Methode: Ein 61-jähriger gesunder Mann ohne relevante Vorerkrankungen stellt sich mit typischer Harnwegsinfektsymptomatik (Dysurie, Pollakisurie, Fieber, erschwerte Miktion, Urge) hausärztlich vor. Hier wurde eine kalkulierte Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin 500 mg 1-0-1 verordnet mit im Verlauf klinischer Besserung.

In der urologischen Verlaufsvorstellung bei gutem AZ und Beschwerdefreiheit eine konsistenzvermehrte Prostata mit einem PSA von über 31 ng/ml sowie im TRUS der V.a. einen Prostata-Abszess. Bei blandem Infektlabor und blandem Urin erfolgte zunächst eine mpMRT der Prostata mit ebenfalls Bild eines Prostataabszesses links, zusätzlich ein suspekter PI-RADS-4-Befund rechts. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Klinik/Labor und Bildgebung erfolgte eine erneute kalkulierte Antibiose mit Ciprofloxacin (unter entsprechender Aufklärung) mit perinealer Biopsie bzw. Punktion in ausreichendem zeitlichen Abstand. Hier sonographisch der Abszess nicht mehr nachweisbar, kein Pus zu aspirieren, der PSA vor Biopsie auf 8 ng/ml gefallen.

Postinterventionell unter Ciprofloxacin Fieber bis 40°C mit Entzündungslabor. In der Blutkultur schließlich Nachweis eines Burkholderia multivorans, der intrinsisch auf multiple Antibiotika resistent ist, weshalb die Therapie entsprechend auf Cotrim umgestellt wurde, worauf sich Klinik und Labor schnell besserten.

Histologisch zeigte sich neben ASAP (atypical small acinar proliferations) eine akute, floride, granulozytäre Prostatitis, keine Mykobakterien. In zeitlichem Zusammenhang mit der initialen Prostatitisklinik wird Baden im eigenen Whirlpool angegeben, den sich der Patient in der Pandemie selbst gebaut hat und der nicht chloriert war.

Ergebnisse: Burkholderia multivorans ist ein opportunistisches Bakterium, das u.a. bei Zystischer Fibrose in Lungensekreten oder bei Immunschwäche als Erreger gefunden werden kann. Eine Übertragung erfolgt u.a. durch Erde oder Poolwasser. Harnwegsinfekte waren in der Literaturrecherche bisher Raritäten, eine Zunahme ist aber durch die steigende Zahl der privaten Pools und einer besseren Diagnostik zu erwarten.

Schlussfolgerung: Auch wenn die Covid-19-Pandemie hoffentlich bald abklingt, wird ein Teil des dadurch veränderten Erregerspektrums fortbestehen. Daher sollte die Anamnese angepasst werden und ggf. auch die kalkulierte Antibiotikatherapie bei diskrepanten Befunden. Durch modernere Identifikationsmethoden wird sich in Zukunft das Spektrum der nachgewiesenen Bakterien bei klinischen Harnwegsinfekten deutlich erweitern. Hierdurch sind weniger Fälle ohne Erregernachweis bei klinisch eindeutigem Harnwegsinfekt zu erwarten.