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62. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e. V.

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e. V.

22.-25.06.2022, Koblenz

Ist die kurative Therapie des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms der Harnblase in der Schwangerschaft möglich?

Meeting Abstract

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  • J. Dobelmann - Lahn-Dill-Kliniken Wetzlar-Braunfels
  • V. Garlonta - Lahn-Dill-Kliniken Wetzlar-Braunfels
  • I. Cerovac - Lahn-Dill-Kliniken Wetzlar-Braunfels

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e.V.. 62. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e.V.. Koblenz, 22.-25.06.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV4.2

doi: 10.3205/22swdgu031, urn:nbn:de:0183-22swdgu0318

Veröffentlicht: 10. Mai 2022

© 2022 Dobelmann et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die cisplatinhaltige Kombinationschemotherapie ist seit den 1980er-Jahren im neoadjuvanten, adjuvanten und palliativen Zustand des Urothelkarzinoms der Harnblase die Therapie der Wahl. Bei etwa der Hälfte der Patienten kann die cisplatinhaltige Chemotherapie aufgrund von vorbestehenden, meist altersassoziierten Komorbiditäten und wegen der kumulativen Toxizität von Cisplatin nicht verabreicht werden. Eine weitere Kontraindikation besteht bei Schwangerschaft der Patientin. Tritt ein fortgeschrittenes Urothelkarzinom in der Schwangerschaft auf, dann ist ein standardisiertes Vorgehen bezüglich der Chemotherapie nicht mehr möglich, es entsteht ein Gewissenskonflikt zwischen der Heilung der Mutter und dem Leben des Fötus. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine schwangere Patientin im Alter von 32 Jahren bei der ein lokal fortgeschrittenes und lymphogen metastasiertes Urothelkarzinom der Harnblase festgestellt wurde. Die inzwischen zugelassene Erstlinien-Immuntherapie bei Cisplatin-ungeeigneten Patient*innen mittels Pembrolizumab ist in der Schwangerschaft ebenfalls kontraindiziert. Am häufigsten werden Anthracyclin-haltige Therapien (z.B. Epirubicin und Cyclophosphamid), teilweise auch Taxane (vor allem Paclitaxel) eingesetzt. Inwieweit zielgerichtete Therapien auch für Schwangere geeignet sind, ist derzeit noch unklar. Im vorliegenden Fall entschied man sich für eine Kombination von Paclitaxel und Carboplatin. Laut Studienlage ist eine Chemotherapie ab dem zweiten Trimenon ohne Nachteile für Mutter und Kind durchführbar.

Methode: Fallbeispiel und Literaturrecherche zu Effizienz und Sicherheit der Chemotherapie in der Schwangerschaft sowie bei fortgeschrittener Erkrankung

Ergebnisse: In der 35. Schwangerschaftswoche kam es zur erfolgreichen Schnittentbindung, das Neugeborene kam gesund zur Welt. Kurz darauf erfolgte eine erneute Staging-Untersuchung mittels Computertomografie des Körperstamms durch uns, welche eine peritoneale und hepatische Metastasierung nachweisen konnte. Somit ist die kurative Therapie des Urothelkarzinoms nicht mehr möglich. Nach Vorstellung in der Tumorkonferenz wurde die palliative Kombinationschemotherapie mit Gemcitabin/Cisplatin empfohlen und der 1. Zyklus im Februar 2022 initiiert.

Schlussfolgerung: Eine Krebserkrankung in der Schwangerschaft trifft etwa eine von 1.000 schwangeren Frauen, meist handelt es sich um gynäkologische oder hämatologische Tumoren. Die zytostatische Therapie ist durchaus in der Schwangerschaft – mit Abstrichen – möglich, allerdings nicht immer leitliniengerecht und möglicherweise weniger effektiv. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Urologen, Gynäkologen und idealerweise auch Medizinethikern ist für eine gute Betreuung der Schwangeren unabdingbar. Die Alternative des Schwangerschaftsabbruchs und einer aggressiven, leitliniengerechten, zytostatischen Therapie stößt auf eine hochkomplexe ethische Problematik.