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Patient Journey Modeling zur menschen- und maschinenlesbaren Operationalisierung unerwünschter arzneimittelbezogener Ereignisse am Beispiel des unerwünschten Ereignisses gastrointestinale Blutung

Meeting Abstract

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  • Daniel Neumann - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE), Universität Leipzig
  • Anna Böhmer - Pharmazeutisches Institut, Abteilung Klinische Pharmazie, Universität Bonn

SMITH Science Day 2022. Aachen, 23.-23.11.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP14

doi: 10.3205/22smith25, urn:nbn:de:0183-22smith250

Veröffentlicht: 31. Januar 2023

© 2023 Neumann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung und Zielstellung: Im Rahmen des POLAR-Projektes [1] wurden Ausleitungskampagnen durchgeführt, um in fünf definierten Teilprojekten diverse pharmakologisch-pharmazeutische Fragestellungen beantworten zu können. Jede Ausleitungskampagne bestand aus einer lokalen statistischen Auswertung und einer zentrenübergreifenden Meta-Analyse für jede Fragestellung. Im Rahmen der Durchführung wurden Diskrepanzen zwischen der erwarteten und der tatsächlich vorliegenden Datenstruktur, Datenqualität und dem Datenumfang aufgedeckt. Es hat sich im Laufe der Entwicklung des Projektes also gezeigt, dass eine normative Vorgabe der abgefragten Daten und der Relationen zwischen diesen besser kommuniziert werden muss. Dies ist notwendig, um an den Standorten eine bessere Interpretation der Daten und vor allem der zeitlichen Zusammenhänge zu ermöglichen. Es können zudem bisher longitudinale Abhängigkeiten auf Grund fehlender oder unscharf dokumentierter Zeitstempel nur schwer abgebildet und daher auch nur schwer kommuniziert werden. Um die Datenabfragen im Rahmen der Ausleitungskampagnen zu strukturieren und verständlicher zu machen [2], [3], haben wir BPMN [4] und DMN Modelle [5] erstellt, welche zugleich die erwartete Versorgungsdokumentation zu abzufragender FHIR-Variable definieren.

Methoden: Anhand der Beschreibungen einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin des POLAR-Projekts wurde der Aufenthalt einer Patientin/eines Patienten mit einer während des Krankenhausaufenthalts auftretenden gastrointestinalen Blutung in Form eines „Patient Journey“ (PJ)-Modells dargestellt (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]). Hierbei wird eine Patientin/ein Patient ins Krankenhaus aufgenommen. Bei der Aufnahme erfolgt eine Anamnese, wodurch die Medikation und die Erkrankungen des Patienten/der Patientin sowie gegebenenfalls Laborwerte erfasst werden. Durch die hierdurch anfallenden Daten kann der Patient bereits bei Aufnahme auf das Vorliegen einer Blutung überprüft werden. Während des Aufenthalts werden weitere Diagnosen gestellt (vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]), weitere Arzneimittel verabreicht und diverse Laborwerte bestimmt. Anhand der hierdurch anfallenden Daten erfolgt ein kontinuierliches Monitoring im Hinblick auf eine gastrointestinale Blutung anhand eines hierfür aufgestellten Algorithmus. Erkennt dieser Algorithmus eine Blutung, wird durch die behandelnden Ärzte abgeklärt, ob wirklich eine Blutung vorliegt. Hierdurch entstehen weitere Daten durch Laborwertbestimmungen, Eingabe von Diagnosen und Arzneimittelgaben. Die Patientin/der Patient wird so lange auf eine mögliche Blutung überwacht, bis sie/er entlassen wird.

Ergebnisse: Das durch die wissenschaftliche Mitarbeiterin beschriebene PJ-Modell konnte durch BPMN und DMN als Entscheidungsregel-Tabelle modelliert werden. Ein Mapping der abzufragenden Variablen des Algorithmus für gastrointestinale Blutungen auf die entsprechenden FHIR-Ressourcen konnte ebenfalls realisiert werden. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Algorithmen zur Detektion eines unerwünschten Ereignisses durch DMN-Modelle maschinenlesbar operationalisierbar sind.

Diskussion: Die Modellierung hat dabei geholfen, die logischen Abhängigkeiten inhaltlich zu strukturieren und die Identifikationsalgorithmen zur Detektion von unerwünschten Ereignissen auf ihre logische Fehlerfreiheit zu überprüfen. Der Export als strukturiertes und annotiertes XML ermöglicht zukünftig, die Datenabfragen inhaltlich unabhängig zu entwickeln und die inhaltliche Entwicklung den Domänenexperten, wie hier den Pharmakologen, zu überlassen.

Weiterführend wird für das maschinenlesbare Modell der DMN ein Wrapper entwickelt, der die XML-Struktur direkt als FHIR-Query einbinden kann. Hierfür wird es notwendig werden, dass schon im Modellierungsprozess die benötigten FHIR-Ressourcen und deren Befüllung annotiert werden. Dies bringt die Möglichkeit mit, Prozessmodelle, wie oben am Beispiel der Abfrage von Datenpunkten zur Erstellung von Risikomodellen, mit Hilfe von Process Mining Algorithmen auf longitudinale Validität zu überprüfen. Hierfür wird zukünftig die Verbindung zwischen den bestehenden Process Mining Ansätzen und dem normativen Modell anhand der FHIR-Annotationen in den BPMN-Events hergestellt. Dadurch können perspektivisch bereits bei der Aufnahme durch die Anamnese erfasste Informationen direkt in ein Risikomodell zur Vorhersage des unerwünschten (Arzneimittel-)Ereignisses einfließen. Hiermit könnten Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für solche bereits vorbeugend überwacht werden und anhand der Entscheidungsmodelle eine rechtzeitige Bemessung und Bewertung der Graduierung der Risikofaktoren stattfinden.


Literatur

1.
Scherag A, Andrikyan W, Dreischulte T, Dürr P, Fromm M, Gewehr J, Jaehde U, Kesselmeier M, Maas R, Thürmann PA, Meineke F, Neumann D, Palm J, Peschel T, Räuscher E, Schulze S, Thalheim T, Wendt T, Löffler M. POLAR – „POLypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken“ – Wie können Daten aus der stationären Krankenversorgung zur Beurteilung beitragen? Prävention und Gesundheitsförderung. 2022.
2.
Curry J, McGregor C, Tracy S. A communication tool to improve the patient journey modeling process. Conf Proc IEEE Eng Med Biol Soc. 2006;2006:4726-30. DOI:10.1109/IEMBS.2006.259481 Externer Link
3.
Halvorsrud R, Lund Lillegaard A, Røhne M, Jensen AM. Managing complex patient journeys in healthcare. In: Pfannstiel MA, Rasche C, eds. Service Design and Service Thinking in Healthcare and Hospital Management. Theory, Concepts, Practice. Cham: Springer; 2019. p. 329–46. DOI: 10.1007/978-3-030-00749-2_19 Externer Link
4.
Business Process Model and Notation (BPMN) [Internet]. Available from: https://www.omg.org/bpmn/index.htm Externer Link
5.
Decision Model and Notation(DMN) [Internet]. Available from: https://www.omg.org/dmn/ Externer Link