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Software-Architektur für eine KI-Unterstützung bei der ARDS Behandlung

Meeting Abstract

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  • Simon Fonck - Informatik 11 – Embedded Software, RWTH Aachen University; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative
  • Sebastian Fritsch - SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative; Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Universitätsklinikum RWTH Aachen; Jülich Supercomputing Centre, Forschungszentrum Jülich
  • André Stollenwerk - Informatik 11 – Embedded Software, RWTH Aachen University; SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiative

SMITH Science Day 2022. Aachen, 23.-23.11.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP5

doi: 10.3205/22smith17, urn:nbn:de:0183-22smith173

Veröffentlicht: 31. Januar 2023

© 2023 Fonck et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung und Zielstellung: Der Use Case ASIC zielt darauf ab, die Behandlung von Patienten mit akutem Lungenversagen (Acute respiratory distress syndrome, ARDS) zu verbessern. ARDS ist ein schweres Krankheitsbild, das mit einer massiven Störung des Gasaustauschs und Lungenschäden einhergeht. Die Letalität der Patienten liegt bei ca. 40%, was auch auf eine zu späte oder ausbleibende Diagnose zurückzuführen ist [1]. Mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz, welche mit intensivmedizinischen Sekundärdatenbanken trainiert werden können, sollen die behandelnden Ärzte beim Diagnose-Prozess unterstützt werden [2]. Bei der Integration von KI-Unterstützung ergeben sich viele Anforderungen und Herausforderungen. Hierbei befassen wir uns insbesondere mit der Datenschnittstelle, den Anforderungen an die KI-Methoden und die Darstellung der Ergebnisse für das medizinische Fachpersonal (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Methoden:

Datenschnittstelle: Beim Training von KI-Methoden spielt die Datengrundlage eine fundamentale Rolle. Es muss sichergestellt werden, dass eine ausreichende Datenqualität gegeben ist, um belastbare Einschätzungen und Ergebnisse zu erhalten. Hierbei wird die harmonisierte Definition von Kahn et al. genutzt, welche die Kernkriterien Vollständigkeit, Konformität und Plausibilität herausstellt [3]. Darauf aufbauend werden verschiedene Algorithmen entwickelt, um diese Kriterien, insbesondere die Datenplausibilität, automatisiert zu überprüfen. Unser Fokus liegt auf der Erkennung von Dateninkonsistenzen (sog. „Novelties“).

Anforderungen an KI-Methoden: In der Literatur werden viele verschiedene Methoden und Modelle veröffentlicht, welche zur (Früh-) Erkennung und Prädiktion von ARDS entwickelt wurden. Viele dieser Methoden werden nur mit einzelnen Datensätzen trainiert und evaluiert. Durch die Nutzung von heterogenen Datensätzen aus verschiedenen Kliniken und Ländern werden robuste KI-Methoden erstellt. Im Kontext von ARDS muss zudem eine Analyse von routinemäßig aufgezeichneten Vitaldaten sowie Röntgenaufnahmen implementiert werden, um alle Kriterien der Berlin-Definition abzubilden [4]. Zudem werden mit den zur Verfügung stehenden Datenbanken verschiedene Methoden und Modelle implementiert und miteinander verglichen.

Nutzerschnittstelle: Bei der Nutzung einer KI-Unterstützung ist die Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit sehr wichtig, um eine kontinuierliche Transparenz zu gewährleisten. Viele Machine Learning-Verfahren stellen eine „BlackBox“ dar, bei denen der genaue Weg zum Ergebnis nicht mehr nachvollziehbar ist. In der Literatur werden verschiedene Möglichkeiten veröffentlicht, um die Ergebnisse erklärbar und nachvollziehbar zu gestalten – eine klare Definition gibt es hier jedoch nicht, sodass diese Methoden mit Einbindung des Fachpersonals hinsichtlich ihrer Erklärbarkeit evaluiert werden müssen.

Ergebnisse: Um die Bewertung und den Vergleich der vorliegenden Sekundärdatenbanken zu ermöglichen wurde ein auf den Anwendungsfall ASIC angepasstes Datenqualitäts-konzept entworfen.

Zur Visualisierung und Annotation von intensiv-medizinischen Patientendaten wurde ein Analysesystem (NDAS – „Novelty Detection Analysis System“) entwickelt. Mit diesem wurde ein Datensatz generiert, in dem Dateninkonsistenzen wie Sensorfehler und Zustandsveränderungen von Fachärzten annotiert wurden. Dieser Datensatz dient der Implementierung und Evaluation von Novelty-Erkennungsalgorithmen. Im NDAS können diese Algorithmen effizient miteinander verglichen werden.

Für die Erkennung von ARDS-Patienten wurden mit den im Use Case ASIC gesammelten sowie vorliegenden Sekundärdaten verschiedene Klassifikationsalgorithmen entwickelt. Methoden, wie ein Bayes’sches Netzwerk und ein Random-Forest Algorithmus zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse. Ebenfalls wurde mit Hilfe von Transfer-Learning ein Deep Learning Modell trainiert, welches bilaterale Lungeninfiltrate in Röntgenbildern erkennen kann. Diese Ergebnisse werden in weiteren Studien und insbesondere Nutzerstudien bei medizinischen Fachpersonal auf Ihre Nachvollziehbarkeit überprüft.

Diskussion: In der Literatur werden viele Methoden zur Erkennung und Prädiktion von ARDS bei Intensivstationspatienten veröffentlicht. Die wenigsten dieser Methoden wurden allerdings durch einen prospektiven Einsatz in der klinischen Praxis validiert. Dies muss in zukünftigen Projekten adressiert werden, um das Ziel – valide Vorhersagen und einen möglichst frühen Therapiebeginn – zu gewährleisten. Die aus unseren Arbeiten resultierende Software-Architektur soll hierzu als Grundlage dienen und diese Validierung unterstützen. Durch die Einbindung von Fachpersonal, welches die KI-Methoden in der Zukunft konsultieren soll, soll deren Nachvollziehbarkeit und somit das Vertrauen in diese gefördert werden.

Zusammenfassung: Um die Patientenbehandlung von ARDS-Patienten zu verbessern, sollen zukünftig KI-Methoden bei der Diagnose und Prognose unterstützend herangezogen werden. Ziel ist hierbei, durch eine auf diesen Anwendungsfall angepasste Software-Architektur die Einbindung in den Prozess zu erleichtern. Dabei sollen die Erfahrung und Fähigkeiten des behandelnden Fachpersonals weiterhin maßgebend sein, um letztlich über die Therapie zu entscheiden.


Literatur

1.
Bellani G, Laffey JG, Pham T, Fan E, Brochard L, Esteban A, Gattinoni L, van Haren F, Larsson A, McAuley DF, Ranieri M, Rubenfeld G, Thompson BT, Wrigge H, Slutsky AS, Pesenti A; LUNG SAFE Investigators; ESICM Trials Group. Epidemiology, patterns of care, and mortality for patients with acute respiratory distress syndrome in intensive care units in 50 countries. JAMA. 2016 Feb 23;315(8):788-800. DOI: 10.1001/jama.2016.0291 Externer Link
2.
Marx G, Bickenbach J, Fritsch SJ, Kunze JB, Maassen O, Deffge S, Kistermann J, Haferkamp S, Lutz I, Voellm NK, Lowitsch V, Polzin R, Sharafutdinov K, Mayer H, Kuepfer L, Burghaus R, Schmitt W, Lippert J, Riedel M, Barakat C, Stollenwerk A, Fonck S, Putensen C, Zenker S, Erdfelder F, Grigutsch D, Kram R, Beyer S, Kampe K, Gewehr JE, Salman F, Juers P, Kluge S, Tiller D, Wisotzki E, Gross S, Homeister L, Bloos F, Scherag A, Ammon D, Mueller S, Palm J, Simon P, Jahn N, Loeffler M, Wendt T, Schuerholz T, Groeber P, Schuppert A. Algorithmic surveillance of ICU patients with acute respiratory distress syndrome (ASIC): Protocol for a multicentre stepped-wedge cluster randomised quality improvement strategy. BMJ Open. 2021 Apr 8;11(4):e045589. DOI: 10.1136/bmjopen-2020-045589 Externer Link
3.
Kahn MG, Callahan TJ, Barnard J, Bauck AE, Brown J, Davidson BN, Estiri H, Goerg C, Holve E, Johnson SG, Liaw ST, Hamilton-Lopez M, Meeker D, Ong TC, Ryan P, Shang N, Weiskopf NG, Weng C, Zozus MN, Schilling L. A harmonized data quality assessment terminology and framework for the secondary use of electronic health record data. EGEMS (Wash DC). 2016 Sep 11;4(1):1244. DOI: 10.13063/2327-9214.1244 Externer Link
4.
Ranieri VM, Rubenfeld GD, Thompson BT, Ferguson ND, Caldwell E, Fan E, Camporota L, Slutsky AS; ARDS Definition Task Force. Acute respiratory distress syndrome: The Berlin Definition. JAMA. 2012 Jun 20;307(23):2526-33. DOI: 10.1001/jama.2012.5669 Externer Link