gms | German Medical Science

Symposium Idiopathische Intracranielle Hypertension (Pseudotumor cerebri)

07.10.2017, Düsseldorf

Gerinnung und venöser Stent, Thrombose und Blutungsrisiko

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Rainer Zotz - Institut für Laboratoriumsmedizin, Blutgerinnungsstörungen und Transfusionsmedizin, Düsseldorf

Symposium Idiopathische Intracranielle Hypertension (Pseudotumor cerebri). Düsseldorf, 07.-07.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17siih10

doi: 10.3205/17siih10, urn:nbn:de:0183-17siih101

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/siih2017/17siih10.shtml

Veröffentlicht: 30. November 2017

© 2017 Zotz.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Idiopathische intrazerebrale Hypertension (IIH) und Sinusvenenthrombose können zu Sehstörungen führen, weswegen die Verdachtsdiagnose bei Vorliegen von Sehstörungen initial häufig durch den Augenarzt gestellt wird. Die Risikofaktoren beider Erkrankungen besitzen eine gemeinsame Schnittmenge: 1. Frauen vor der Menopause; 2. Einnahme weiblicher Hormone; 3. Thrombophile Risikofaktoren. Auf der Grundlage dieser Ähnlichkeiten liegt die Vermutung gemeinsamer pathophysiologischer Mechanismen nahe.

Die Risikofaktoren einer IIH sind Adipositas (gynäkoide Form/untere Körperhälfte) bzw. Gewichtszunahme auch ohne Adipositas, weibliches Geschlecht vor der Menopause, polyzystisches Ovarialsyndrom, Medikamente (Estrogene, Levonorgestrel, Tamoxifen, Tetrazykline u.a.), Schlafapnoe und Thrombophilie. Pathophysiologisch lässt diese Risikokonstellation auf einen Weg über hormonelle Veränderungen bei Adipositas und bei polyzystischem Ovarialsyndrom sowie auf das potentielle Vorliegen venöser Mikrothrombosen bei Thrombophiliepatienten schließen. Signifikante thrombophile Risikofaktoren, die auch das Risiko einer IIH erhöhten, sind Lupus antikoagulans, Faktor-VIII-Erhöhung, PAI-1, Lipoprotein(a)-Erhöhung, Protein-C- und –S- sowie Antithrombinmangel und die MTHFR-Mutation.

Zur Therapie der IIH wird ein abgestuftes Vorgehen empfohlen. Akut steht die rasche Senkung des Liquordrucks bzw. die Linderung des Papillenödems durch Lumbalpunktion im Mittelpunkt, um einem Visusverlust vorzubeugen. Die Optikusscheidenfensterung führt bei fast 90% der operierten Sehnerven zu einer anhaltenden Stabilisierung (empfohlen bei Patienten mit Papillenödem und starker Visusminderung, aber ohne oder nur mit schwachen Kopfschmerzen). Zur längerfristigen Normalisierung des Liquordrucks bietet sich eine interne Liquorableitung mittels Shunts an (empfohlen bei Patienten mit Papillenödem, Visusminderung und Kopfschmerzen, bevorzugt lumboperitoneale Shunts, ggf. mit lageabhängigen Schwerkraftventilen zur Prävention einer Überdrainage. Wenn fibröse (postthrombotische) Veränderungen oder Pacchioni’sche Granulationen den venösen Abfluss behindern und ein Druckgradient proximal der Stenose nachgewiesen werden kann, kann die endovaskuläre Stentangioplastie eine sinnvolle Alternative zur Liquorpunktion darstellen, wobei jedoch schwere, wenn auch seltene Komplikationen auftreten können. Die Erfolgsraten sind unterschiedlich hoch. In den meisten Studien erfolgte eine duale Plättchenhemmung mit ASS 325 mg und Clopidogrel 75 mg für 3-6 Monate. Hiernach erfolgte lediglich eine Antiaggregation mit ASS (aus Sicht des Autors vorzugsweise ASS 100 mg/die). Periinterventionell erfolgt zusätzlich die Gabe von unfraktioniertem Heparin (ca. 70 E/kgKG). Aufgrund der venösen Flussverhältnisse ist jedoch zusätzlich eine begrenzt fortgeführte Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (z.B. NMH 1x100 E/kgKG/die) über 2-3 Monate bis zur Endothelialisierung der Stents zu empfehlen (nach Meinung des Autors). Randomisierte Studien liegen hierzu nicht vor. Die duale Plättchenhemmung sowie die Heparinisierung steigern das Blutungsrisiko.

Ausgehend von gemeinsamen Risikofaktoren der idiopathischen intrazerebralen Hypertension (IIH) und Sinusvenenthrombose sind gemeinsame pathophysiologische Mechanismen der beiden Krankheitsentitäten zu diskutieren, insbesondere das Vorliegen von kleineren, unerkannten zerebralen Thrombosen bzw. Mikrothrombosen bei der IIH. Hiermit ließe sich die typische thrombophile Risikokonstellation der IIH in Analogie zur Sinusvenenthrombose – einschließlich der bekannten Interaktion von Östrogenen und thrombophilen Risikofaktoren – erklären.

Die Sinusvenenthrombose und die idiopathische intrazerebrale Hypertension (IIH) können zu Sehstörungen führen, weswegen die Verdachtsdiagnose bei Vorliegen von Sehstörungen initial häufig durch den Augenarzt gestellt wird. Bei näherer Betrachtung zeigen beide Krankheitsentitäten gemeinsame Risikofaktoren (Thrombophilie und Hormoneinfluss), die einen Hinweis auf eine gleiche Kausalität darstellen könnten.

Sinusvenenthrombose

Die Sinusvenenthrombose – einschließlich der Thrombose der Hirnvenen und der größeren Sinus durae matris – ist eine in der Allgemeinbevölkerung seltene Erkrankung (Inzidenz ca. 1:100.000), die jedoch vermehrt bei Patienten <40 Jahren mit thrombophilen Risikofaktoren, in der Schwangerschaft oder im Rahmen einer Hormontherapie (Kontrazeption) auftritt [5].

Für die Sinusvenenthrombose sind verschiedene Risikofaktoren bekannt (für eine Zusammenfassung der wichtigsten Risikofaktoren s. Tabelle 1 [Tab. 1]). Zusätzlich wurde in einzelnen Studien auch eine Risikoerhöhung für die thrombophilen Risikofaktoren Hyperhomocysteinämie, für erhöhte Aktivität der Gerinnungsfaktoren VIII, IX und XI und des von-Willebrand-Faktors beobachtet [19]. Die stärksten Risikofaktoren stellen lokalisierte Infektionen (nachweisbar in 8-14% der Fälle), eine aktive Tumorerkrankung (3-10%), hormonelle Kontrazeption (10-77%) und Schwangerschaft/Postpartalphase (2-31%) sowie die folgenden thrombophilen Risikofaktoren dar: die Faktor-V-Leiden-Mutation als Ursache der Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C (APCR) (nachweisbar in 3-12% der Fälle), die Prothrombin-G20210A-Mutation (11-21%), ein positiver Antiphospholipidantikörpertiter (4-17%) und die Hyperhomocysteinämie (4-29%) [18]. Einer Metaanalyse zufolge erhöht eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation das relative Risiko auf 2,89, eine heterozygote Prothrombin-G20210A-Mutation auf 6,05, eine Hyperhomocysteinämie auf 2,99, ein Antithrombinmangel auf 3,75, ein Protein-C-Mangel auf 8,35 und ein Protein-S-Mangel auf 6,45 [15]. Nach einer weiteren Übersichtsarbeit ergeben sich relative Risiken für eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation von 2-5, für eine heterozygote Prothrombin-G20210A-Mutation von 5-27, für eine Hyperhomocysteinämie von 4-7 und für die Einnahme von Kontrazeptiva von 6-13 [19].

Pathophysiologisch betrachtet entsteht die Sinusvenenthrombose über zwei Mechanismen. Zunächst erhöht sich der venöse und kapillare Druck; dies bedingt Ischämien, Ödeme und Hämorrhagien. Als zweiter Faktor wird die zerebrospinale Flüssigkeit (Liquor) nicht ausreichend resorbiert, wodurch sich der intrakranielle Druck erhöht. Diese Vorgänge begründen die typische Symptomatik von Sehstörungen (häufig initial), Kopfschmerzen bei intrakranieller Hypertension, fokalen Defiziten, Krampfanfällen, Psychosyndromen und Bewusstseinstrübung. Die Symptomatik hängt von der Lokalisation ab: ist der Sinus sagittalis superior oder inferior betroffen, überwiegen motorische Defizite und Krampfanfälle; bei Affektion des Sinus rectus überwiegen motorische Defizite und Bewusstseintrübung; istder Sinus transversus involviert, überwiegen intrakranielle Hypertension mit Kopfschmerz, Tinnitus, Lähmungen der Hirnnerven und Aphasie (bei Befall der sprachdominanten Hemisphäre; eine Thrombose des Sinus cavernosus provoziert orbital lokalisierte Schmerzen, Chemosis, Exophthalmus und Lähmungen der Hirnnerven III-VI; bei einer Thrombose der Vena jugularis interna schließlich überwiegen Halsschmerzen, Tinnitus und Lähmungen der Hirnnerven [22].

Zur schnellen und verlässlichen Diagnostik der Sinusvenenthrombose ist eine CT-Venografie möglich, da die Kontrastverstärkung auch subakute oder chronische Sinusvenenthrombosen erfasst[14, 16]. Die sensitivste Methode in der Diagnostik von Sinusvenenthrombosen in der akuten, subakuten und chronischen Phase ist jedoch die Magnetresonanztomographie (MR) mit T2-Gewichtung und die MR-Venografie; mit ihr können auch Parenchymläsionen, die mit Sinusvenenthrombosen assoziiert sind, am besten dargestellt werden [3], [24].

Bezüglich der Prognose von Sinusvenenthrombosen ist zu sagen, daß die durchschnittliche Mortalität über 30 Tage bei 6% liegt. Haupttodesursache ist hierbei die Herniation durch schwere venöse Blutungen. Neurologischerseits genesen die meisten Patienten vollständig oder teilweise; 10% haben jedoch bei Nachuntersuchungen nach 12 Monaten noch bleibende neurologische Defizite. Das Rezidivrisiko der Sinusvenenthrombose ist mit 3% eher niedrig; allerdings ist die Inzidenz von Thrombembolien in der Folge erhöht (6%), von denen die meisten im ersten Jahr nach der Sinusvenenthrombose auftreten [8], [20]. Eine weitere Publikation schätzt das Rezidivrisiko einer Thrombembolie nach einer Sinusvenenthrombose bei schwerer Thrombophilie (Antithrombin-, Protein-C- oder Protein-S-Mangel, Antiphospholipidantikörper, Kombinationsdefekte) auf 6,50%/Jahr (1,35%/Jahr bei Patienten ohne Thrombophilie) [17].

Ziele der Antikoagulation sind die Verhinderung einer Ausbreitung des Thrombus, die Rekanalisation des thrombosierten Sinus und der Hirnvenen sowie die Verhinderung thromboembolischer Komplikationen. Unfraktioniertes Heparin war hierbei der Gabe von Placebo überlegen [10]. In einer späteren Studie ergab sich ein nicht signifikanter Vorteil für niedermolekulares Heparin (Nadroparin) gegenüber einem Placebo[6]. Eine Metaanalyse bestätigte den nicht-signifikanten Vorteil von Heparin (unfraktioniert und niedermolekular) für die Reduktion des Risikos für Tod oder Behinderung (OR 0,46) [25]. Obwohl Antikoagulation generell das Risiko einer intrakraniellen Blutung erhöht, ergaben zwei randomisierte Studien, dass unter Antikoagulation keine neuen Hirnblutungen auftreten und sich die bestehende Blutung nicht ausweitet. Dieses unerwartete Ergebnis lässt sich am ehesten damit erklären, dass die Antikoagulation den venösen Abfluss verbessert und damit den venösen und kapillären Druck reduziert, wodurch das Risiko einer weiteren Blutung sinkt [22]. Bei risikoassoziierter Sinusvenenthrombose sollte die Antikoagulation über 3-6 Monate durchgeführt werden; bei spontaner Sinusvenenthrombose sollte sie 6-12 Monate dauern. Eine Langzeitantikoagulation wäre bei rezidivierenden Sinusvenenthrombosen oder bei Sinusvenenthrombosen im Rahmen einer schweren Thrombophilie angezeigt [24]. Als schwere Thrombophilie sind die folgenden Befunde zu werten: Faktor-V-Leiden- oder Prothrombin G20210A-Mutation homozygot , Mangel an Antithrombin, Protein C, Protein S, kombinierte Defekte und Antisphospholipid-Antikörper.

Bei Patienten, deren Sinusvenenthrombose sich trotz Antikoagulation im Verlauf verschlimmert, wird eine Katheter-Fibrinolyse in Betracht gezogen. Während kleine Fallzahlen einen möglichen klinischen Nutzen in schweren Fällen andeuten, schätzen systematische Reviews die Rate an intrakraniellen Blutungen bei Fibrinolyse auf 17% und die Mortalität auf 8%. In der wissenschaftlichen Stellungnahme der AHA/ASA 2011 wird die Katheter-Fibrinolyse daher auf erfahrene Zentren und Patienten, die sich im Verlauf trotz intensiver Antikoagulation verschlimmern, beschränkt (Class IIb, Level of Evidence C) [4], [9], [22].

Die operative Thrombektomie kann in seltenen Fällen mit starker klinischer Verschlimmerung trotz maximaler medikamentöser Therapie in Betracht gezogen werden. Bei Patienten mit Sinusvenenthrombose und großer Parenchymläsion mit Herniation ist der dekompressive Eingriff (Kraniektomie oder Hämatomausräumung) mit einem verbesserten klinischen Ausgang assoziiert [24], [11], [22].

Idiopathische intrazerebrale Hypertension (IIH)

Die IIH wird über folgende Symptome definiert, von denen die ersten vier zutreffen müssen: 1. Papillenödem; 2. unauffällige neurologische Untersuchung, außer Anomalien der Hirnnerven; 3. bildgebende Verfahren: normales Hirnparenchym ohne Nachweis eines Hydrocephalus, struktureller Läsionen oder einer abnormalen meningealen Kontrastmittelanreicherung im MRT (bei typischen Patienten: weiblich, adipös) bzw. im MRT mit oder ohne Gadolinium und Magnetresonanzvenografie (bei anderen Patienten); 4: normale Liquorbefunde; 5. erhöhter Liquor-Eröffnungsdruck bei korrekt durchgeführter Lumbalpunktion (=250 mmH2O bei Erwachsenen und nicht-adipösen Kindern ohne Sedierung; =280 mmH2O bei allen anderen Kindern). Sofern kein Papillenödem vorliegt, ist die Diagnose gesichert, wenn Kriterien 2-5 zutreffen und eine ein- oder beidseitige Lähmung des Nervus abducens vorliegt. In Abwesenheit eines Papillenödems und einer Lähmung des Nervus abducens kann die Diagnose angenommen werden, wenn Kriterien 2-5 und zusätzlich mindestens drei der folgenden Kriterien zutreffen: 1. leere Sella turcica/“Ausdünnung“ der Hypophyse; 2. posteriore Abflachung des Bulbus oculi; 3. Erweiterung des perioptische,n subarachnoiden Raums mit oder ohne Tortuosität des Sehnervs; 4. Stenose des Sinus transversus [12].

Ein Kommentar zur zitierten Arbeit [12] weist darauf hin, dass der intrakranielle Druck über den Tag verteilt starken Fluktuationen unterliegt, weshalb er als Diagnosekriterium nicht über-, jedoch auch nicht unterschätzt werden darf [7]. Eine weitere Arbeit setzt keinen erhöhten Grenzwert des Liquor-Öffnungsdrucks bei Kindern an (=250 mmH2O bei allen Patienten) und erkennt die Diagnose bei Nichtvorliegen eines Papillenödems nicht an [21].

Aktuelle Leitlinien setzen ebenfalls keinen erhöhten Grenzwert des Liquor-Öffnungsdrucks bei Kindern an (=250 mmH2O; ggf. =200 mmH2O bei Normalgewichtigen) und fügen als weitere Kriterien „keine relevante Medikation und keine andere identifizierbare endokrine oder metabolische Ursache außer Adipositas“ und den Ausschluss einer vaskulären Läsion in MRT und MRV hinzu. Ferner betonen sie, dass es durch das Papillenödem häufig zu Sehstörungen kommt [26].

Andere Arbeiten stützen sich auf die sogenannten Dandy-Kriterien in Kombination mit den 4 o.g. Zusatzkriterien: 1. Anzeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, transiente Sehstörungen, Papillenödem); 2. keine lokalisierten, fokalen neurologischen Symptome (außer ein- oder beidseitiger Lähmung des sechsten Hirnnerven); 3. Liquor-Öffnungdruck von =250 mmH2O ohne zytologische oder chemische Anomalien; 4. ein normaler Befund für neurologische bildgebende Verfahren zum Ausschluss einer Zentralvenenthrombose (MRT, häufig zusätzlich CT oder MR-Venografie) [2].

Risikofaktoren einer IIH sind Adipositas (gynäkoide Form/untere Körperhälfte) bzw. Gewichtszunahme auch ohne Adipositas, weibliches Geschlecht vor der Menopause, polyzystisches Ovarialsyndrom, Medikamente (Estrogene, Levonorgestrel, Tamoxifen, Tetrazykline u.a.), Schlafapnoe und Thrombophilie [2]. Pathophysiologisch lässt diese Risikokonstellation auf einen Weg über hormonelle Veränderungen bei Adipositas und bei polyzystischem Ovarialsyndrom sowie auf das potentielle Vorliegen venöser Mikrothrombosen bei Thrombophiliepatienten schließen. Signifikante thrombophile Risikofaktoren, die auch das Risiko einer IIH erhöhten, sind Lupus antikoagulans (Odds Ratio (OR) 4,25), Faktor-VIII-Erhöhung (OR 16,17), PAI-1 (OR 6,91), Lipoprotein(a)-Erhöhung (OR 3,54), Protein-C- und –S- sowie Antithrombinmangel und die MTHFR-Mutation (OR 3,93) [13].

Aktuelle Leitlinien [26] empfehlen bezüglich der Therapie der IIH ein abgestuftes Vorgehen. Akut steht die rasche Senkung des Liquordrucks bzw. die Linderung des Papillenödems im Mittelpunkt, um einem Visusverlust vorzubeugen. Bei schwerer oder rasch progredienter Visusminderung sind initial zusätzlich invasive Maßnahmen indiziert: Eine Lumbalpunktion hat nicht nur diagnostischen, sondern häufig auch therapeutischen Wert, da sie u.a. kurzfristig den Druck senkt und den venösen Abfluss verbessert. Die Optikusscheidenfensterung führt bei fast 90% der operierten Sehnerven zu einer anhaltenden Stabilisierung (empfohlen bei Patienten mit Papillenödem und starker Visusminderung, aber ohne oder nur mit schwachen Kopfschmerzen [2]). Zur längerfristigen Normalisierung des Liquordrucks bietet sich eine interne Liquorableitung mittels Shunts an (empfohlen bei Patienten mit Papillenödem, Visusminderung und Kopfschmerzen [2], bevorzugt lumboperitoneale Shunts, ggf. mit lageabhängigen Schwerkraftventilen zur Prävention einer Überdrainage. Wenn fibröse (postthrombotische) Veränderungen oder Pacchioni’sche Granulationen den venösen Abfluss behindern und ein Druckgradient proximal der Stenose nachgewiesen werden kann, kann die endovaskuläre Stentangioplastie eine sinnvolle Alternative zur Liquorpunktion darstellen, wobei jedoch schwere, wenn auch seltene Komplikationen auftreten können [26]. Die Erfolgsraten sind unterschiedlich hoch. In den meisten Studien erfolgte eine duale Plättchenhemmung mit ASS 325 mg und Clopidogrel 75 mg für 3-6 Monate. Hiernach erfolgte lediglich eine Antiaggregation mit ASS (aus Sicht des Autors vorzugsweise ASS 100 mg/die). Periinterventionell erfolgte zusätzlich die Gabe von unfraktioniertem Heparin (ca. 70 E/kgKG) [1], [23]. Aufgrund der venösen Flussverhältnisse ist jedoch zusätzlich eine begrenzt fortgeführte Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (z.B. NMH 1x100 E/kgKG/die) über 2-3 Monate bis zur Endothelialisierung der Stents zu empfehlen (nach Meinung des Autors). Randomisierte Studien liegen hierzu nicht vor.

Pharmakotherapeutisch vermindert Acetazolamid (2x250mg/die, max. 2000mg/die; Kinder: 15-25(-100)mg/kgKG/die in 3 Einzeldosen; off-label) (in einer anderen Arbeit: 1-2g/die [2]) die Liquorproduktion; alternativ kann auch Topiramat (50-200mg/die; Kinder: eher zurückhaltend) eingesetzt werden, dessen Wirkung zwar schwächer ist und das zur Einschränkung kognitiver Fähigkeiten führen , das aber zusätzlich einen erwünschten Gewichtsverlust herbeiführen kann. Diese Medikamente können mit Furosemid (30-80mg/die; Kinder: 0,3-0,6mg/kgKG/die) kombiniert werden (Cave: ein deutlicher Abfall des systemischen Blutdrucks kann das Papillenödem verstärken). Steroide sollten nicht eingesetzt werden; bei Versagen der o.g. Maßnahmen und drohendem Visusverlust kann jedoch eine hochdosierte Steroidtherapie mit Dexamethason 4x8mg/24h vor oder zur Überbrückung bis zu einer invasiven Maßnahme versucht werden. Ggf. kann auch Octreotid die Symptome lindern [26].

Langfristig ist die Gewichtsreduktion das wichtigste therapeutische Mittel; sie ist entweder durch Diät oder durch Adipositaschirurgie zu erreichen (Cave: Resorptionsstörungen mit konsekutivem Vitaminmangel nach Chirurgie) [26]. Oftmals reicht schon eine Reduktion um 5-10% des ursprünglichen Körpergewichts aus, um die Symptome deutlich zu verringern; starke Fluktuationen des Körpergewichts sollten jedoch auch in der Folge zur Sekundärprophylaxe vermieden werden [2].

Faktoren, die unabhängig voneinander mit einem schlechteren ophthalmologischen Ausgang assoziiert sind, sind: 1. männliches Geschlecht; 2. dunkelhäutige Patienten; 3. Adipositas permagna; 4. Anämie; 5. obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom; 6. akutes Einsetzen der Symptome eines erhöhten intrakraniellen Drucks (fulminante IIH) [2].

Gemeinsamkeiten Sinusvenenthrombose und IIH

Aus den Einzelbetrachtungen der Risikofaktoren/-konstellationen für Sinusvenenthrombosen und für IIH ergibt sich eine gemeinsame Schnittmenge an Risikofaktoren für beide Erkrankungen: 1. Frauen vor der Menopause; 2. Einnahme weiblicher Hormone; 3. Thrombophilie. Damit sind zumindest partiell gemeinsame pathophysiologische Mechanismen der beiden Krankheitsentitäten zu diskutieren, insbesondere das Vorliegen von kleineren, unerkannten zerebralen Thrombosen bzw. Mikrothrombosen bei der IIH. Hiermit ließe sich die typische thrombophile Risikokonstellation der IIH in Analogie zur Sinusvenenthrombose – einschließlich der bekannten Interaktion von Östrogenen und thrombophilen Risikofaktoren – erklären.


Literatur

1.
Ahmed RM, Wilkinson M, Parker GD, Thurtell MJ, Macdonald J, McCluskey PJ, Allan R, Dunne V, Hanlon M, Owler BK, Halmagyi GM. Transverse sinus stenting for idiopathic intracranial hypertension: a review of 52 patients and of model predictions. AJNR Am J Neuroradiol. 2011 Sep;32(8):1408-14. DOI: 10.3174/ajnr.A2575 Externer Link
2.
Biousse V, Bruce BB, Newman NJ. Update on the pathophysiology and management of idiopathic intracranial hypertension. J Neurol Neurosurg Psychiatr. 2012 May;83(5):488-94. DOI: 10.1136/jnnp-2011-302029 Externer Link
3.
Bousser MG, Ferro JM. Cerebral venous thrombosis: an update. Lancet Neurol. 2007 Feb;6(2):162-70. DOI: 10.1016/S1474-4422(07)70029-7 Externer Link
4.
Canhão P, Falcão F, Ferro JM. Thrombolytics for cerebral sinus thrombosis: a systematic review. Cerebrovasc Dis. 2003;15(3):159-66. DOI: 68833 Externer Link
5.
Coutinho JM, Zuurbier SM, Aramideh M, Stam J. The incidence of cerebral venous thrombosis: a cross-sectional study. Stroke. 2012 Dec;43(12):3375-7. DOI: 10.1161/STROKEAHA.112.671453 Externer Link
6.
de Bruijn SF, Stam J. Randomized, placebo-controlled trial of anticoagulant treatment with low-molecular-weight heparin for cerebral sinus thrombosis. Stroke. 1999 Mar;30(3):484-8.
7.
De Simone R, Ranieri A, Montella S, Friedman DI, Liu GT, Digre KB. Revised diagnostic criteria for the pseudotumor cerebri syndrome in adults and children. Neurology. 2014 Mar;82(11):1011-2. DOI: 10.1212/WNL.0000000000000200 Externer Link
8.
Dentali F, Gianni M, Crowther MA, Ageno W. Natural history of cerebral vein thrombosis: a systematic review. Blood. 2006 Aug;108(4):1129-34. DOI: 10.1182/blood-2005-12-4795 Externer Link
9.
Dentali F, Squizzato A, Gianni M, De Lodovici ML, Venco A, Paciaroni M, Crowther M, Ageno W. Safety of thrombolysis in cerebral venous thrombosis. A systematic review of the literature. Thromb Haemost. 2010 Nov;104(5):1055-62. DOI: 10.1160/TH10-05-0311 Externer Link
10.
Einhäupl KM, Villringer A, Meister W, Mehraein S, Garner C, Pellkofer M, Haberl RL, Pfister HW, Schmiedek P. Heparin treatment in sinus venous thrombosis. Lancet. 1991 Sep;338(8767):597-600.
11.
Ferro JM, Crassard I, Coutinho JM, Canhão P, Barinagarrementeria F, Cucchiara B, Derex L, Lichy C, Masjuan J, Massaro A, Matamala G, Poli S, Saadatnia M, Stolz E, Viana-Baptista M, Stam J, Bousser MG; Second International Study on Cerebral Vein and Dural Sinus Thrombosis (ISCVT 2) Investigators. Decompressive surgery in cerebrovenous thrombosis: a multicenter registry and a systematic review of individual patient data. Stroke. 2011 Oct;42(10):2825-31. DOI: 10.1161/STROKEAHA.111.615393 Externer Link
12.
Friedman DI, Liu GT, Digre KB. Revised diagnostic criteria for the pseudotumor cerebri syndrome in adults and children. Neurology. 2013 Sep;81(13):1159-65. DOI: 10.1212/WNL.0b013e3182a55f17 Externer Link
13.
Kesler A, Kliper E, Assayag EB, Zwang E, Deutsch V, Martinowitz U, Lubetsky A, Berliner S. Thrombophilic factors in idiopathic intracranial hypertension: a report of 51 patients and a meta-analysis. Blood Coagul Fibrinolysis. 2010 Jun;21(4):328-33. DOI: 10.1097/MBC.0b013e328338ce12 Externer Link
14.
Khandelwal N, Agarwal A, Kochhar R, Bapuraj JR, Singh P, Prabhakar S, Suri S. Comparison of CT venography with MR venography in cerebral sinovenous thrombosis. AJR Am J Roentgenol. 2006 Dec;187(6):1637-43. DOI: 10.2214/AJR.05.1249 Externer Link
15.
Lauw MN, Barco S, Coutinho JM, Middeldorp S. Cerebral venous thrombosis and thrombophilia: a systematic review and meta-analysis. Semin Thromb Hemost. 2013 Nov;39(8):913-27. DOI: 10.1055/s-0033-1357504 Externer Link
16.
Linn J, Ertl-Wagner B, Seelos KC, Strupp M, Reiser M, Brückmann H, Brüning R. Diagnostic value of multidetector-row CT angiography in the evaluation of thrombosis of the cerebral venous sinuses. AJNR Am J Neuroradiol. 2007 May;28(5):946-52.
17.
Martinelli I, Bucciarelli P, Passamonti SM, Battaglioli T, Previtali E, Mannucci PM. Long-term evaluation of the risk of recurrence after cerebral sinus-venous thrombosis. Circulation. 2010 Jun;121(25):2740-6. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.109.927046 Externer Link
18.
Martinelli I, De Stefano V. Extra-abdominal venous thromboses at unusual sites. Best Pract Res Clin Haematol. 2012 Sep;25(3):265-74. DOI: 10.1016/j.beha.2012.07.003 Externer Link
19.
Martinelli I, Franchini M, Mannucci PM. How I treat rare venous thromboses. Blood. 2008 Dec;112(13):4818-23. DOI: 10.1182/blood-2008-07-165969 Externer Link
20.
Miranda B, Ferro JM, Canhão P, Stam J, Bousser MG, Barinagarrementeria F, Scoditti U; ISCVT Investigators. Venous thromboembolic events after cerebral vein thrombosis. Stroke. 2010 Sep;41(9):1901-6. DOI: 10.1161/STROKEAHA.110.581223 Externer Link
21.
Mollan SP, Markey KA, Benzimra JD, Jacks A, Matthews TD, Burdon MA, Sinclair AJ. A practical approach to, diagnosis, assessment and management of idiopathic intracranial hypertension. Pract Neurol. 2014 Dec;14(6):380-90. DOI: 10.1136/practneurol-2014-000821 Externer Link
22.
Piazza G. Cerebral venous thrombosis. Circulation. 2012 Apr;125(13):1704-9. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.111.067835 Externer Link
23.
Puffer RC, Mustafa W, Lanzino G. Venous sinus stenting for idiopathic intracranial hypertension: a review of the literature. J Neurointerv Surg. 2013 Sep;5(5):483-6. DOI: 10.1136/neurintsurg-2012-010468 Externer Link
24.
Saposnik G, Barinagarrementeria F, Brown RD Jr, Bushnell CD, Cucchiara B, Cushman M, deVeber G, Ferro JM, Tsai FY; American Heart Association Stroke Council and the Council on Epidemiology and Prevention. Diagnosis and management of cerebral venous thrombosis: a statement for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke. 2011 Apr;42(4):1158-92. DOI: 10.1161/STR.0b013e31820a8364 Externer Link
25.
Stam J, De Bruijn SF, DeVeber G. Anticoagulation for cerebral sinus thrombosis. Cochrane Database Syst Rev. 2002;(4):CD002005. DOI: 10.1002/14651858.CD002005 Externer Link
26.
Wüllner U. S1-Leitlinie: Idiopathische intrakranielle Hypertension. 2012.