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185. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

27.01. - 28.01.2023, Essen

Bedeutung der erweiterten molekulargenetischen Diagnostik bei der Leber’schen hereditären Optikusneuropathie (LHON)

Meeting Abstract

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  • Sema Kaya - Düsseldorf
  • B. Leube - Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Düsseldorf
  • H. Stöhr - Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Regensburg
  • R. Guthoff - Düsseldorf

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. 185. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. Essen, 27.-28.01.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23rwa15

doi: 10.3205/23rwa15, urn:nbn:de:0183-23rwa155

Veröffentlicht: 3. Februar 2023

© 2023 Kaya et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine seltene Mitochondriopathie mit akut bis subakut schmerzlos einsetzendem Sehverlust, der bevorzugt bei jungen männlichen Erwachsenen auftritt. LHON wird durch Punktmutationen der mitochondrialen DNA und in seltenen Fällen der nukleären DNA verursacht, welche die Funktion des Komplexes I der mitochondrialen Atmungskette beeinträchtigt.

Methode: Wir berichten über einen jungen Patienten mit beidseitiger progredienter Visusminderung.

Fallvorstellung: Ein 16-jähriger Patient mit konsanguiner Familienanamnese stellte sich wegen beidseitiger progredienter Visusminderung seit einem Monat vor. Die Sehschärfe betrug 1/40 am rechten Auge und 0,2 im amblyopen linken Auge. Im zentralen Gesichtsfeld zeigte sich beidseits ein Zentrozökalskotom. Funduskopisch und in der Fluoreszenz-Angiographie fanden sich jedoch keine Pathologien. Im VEP konnte keine Reizantwort nachgewiesen werde. Das EEG und cMRT waren altersentsprechend, serologisch ergaben sich keine Hinweise auf eine entzündliche oder infektiöse Ursache. Die bei Va. LHON eingeleitete molekulargenetische Untersuchung der drei häufigsten LHON-verursachenden Punktmutationen (MTND1-Gen, MTND4-Gen MTND6-Gen) ergab keine pathologischen Sequenzveränderungen. Vier Monate später verschlechterte sich der Visus links von 0,2 auf 1/15 und blieb rechts stabil. Klinisch bestand nun der Verdacht auf eine Optikusatrophie. Korrespondierend fand sich ein im Verlauf vermindertes Papillenvolumen in der OCT rechts von 2,9 auf 2,2mm³ und links von 2,9 auf 2,8 mm³. Eine erweiterte molekulargenetische Analyse bestätigte schließlich die DNAJC30-assoziierte autosomal rezessiv vererbte LHON, woraufhin sofort eine Therapie mit Idebenon eingeleitet wurde. Das DNAJC30-Gen kodiert für ein Protein der inneren mitochondrialen Membran, welches im mitochondrialen Komplex-1-Reparaturmechanismus involviert ist.

Schlussfolgerung: Bei anfänglich unauffälligem Befund kann die klinische Verlaufskontrolle, unterstützt durch eine Fotodokumentation und Papillenvolumenmessung mittels OCT, schließlich die klinische Verdachtsdiagnose einer LHON begründen. Für eine gezielte Diagnosestellung ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Humangenetikern und Augenärzten von besonderer Bedeutung. In einem ungeklärten LHON-Verdacht sollte neben den bekannten mtDNA-Mutationen auch die seltene DNAJC30-Mutation berücksichtigt werden, da eine frühzeitige genetische Diagnose wertvolle Auswirkungen auf die Prognoseberatung und Behandlungsentscheidungen hat.