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183. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

29.01. - 30.01.2021, Hagen (Online-Konferenz)

Vor einem halben Jahrhundert: Erstbeschreibung einer Berechnungsformel zur IOL-Stärke durch Gernet, Ostholt und Werner auf der 122. Versammlung der RWA

Meeting Abstract

  • Kristian Gerstmeyer - Minden
  • S. Scholtz - Homburg/Saar
  • T. Eppig - Homburg/Saar
  • A. Langenbucher - Homburg/Saar
  • F. Krogmann - Julius-Hirschberg-Gesellschaft, Wien/A

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. 183. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. Hagen, 29.-30.01.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21rwa026

doi: 10.3205/21rwa026, urn:nbn:de:0183-21rwa0268

Veröffentlicht: 29. Januar 2021

© 2021 Gerstmeyer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Harold Ridley implantierte 1949 die erste Intraokularlinse (IOL), deren Dimensionen nach Maßgabe des Gullstrand-Auges gefertigt wurde. In den Folgejahren beruhte eine Berechnung der IOL-Stärke bei aphaken Augen auf Bestimmung der präoperativen Refraktion und Gesetzen der physiologischen Optik. Bei der Versorgung phaker Augen oder bei verlegter Pupillaröffnung war dies nicht möglich, so dass basierend auf empirischen Operationsergebnissen und den Arbeiten von Gullstrand und Stenström oft fehlerbehaftete Schätzungen der zu implantierenden Linsenstärke mit sog. „Standard-IOLs“ oder „Idem-IOLs“ erfolgten. Alle Pioniere der IOL-Implantation waren auf diese Verfahren angewiesen, denn eine entscheidende Wende brachte erst die Etablierung von Ultraschallmessungen zur Bestimmung der axialen Augenlänge. Wir erinnern an die 1970 anlässlich der 122. Versammlung der Rheinisch-Westfälischen Augenärzte erstmalig präsentierte und später im Kongressband publizierte „GOW-70-Formel“, die in der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet war.

Methode: Selektive Literaturrecherche in Büchern und Artikeln via PubMed, Google Scholar und Google in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Experimentelle Ophthalmologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar und der Julius-Hirschberg-Gesellschaft.

Ergebnisse: In Zusammenarbeit mit Ostholt und Werner entwickelte Gernet in Münster eine IOL-Berechnungsformel, die vereinfacht annahm, dass sich Hornhaut und IOL als unendlich dünne Linsen beschreiben ließen. Die Autoren nutzten mit Ultraschall ermittelte Messwerte zur axialen Länge, die korneale Brechkraft nach Littmann, den Refraktionsindex von Kammerwasser und Glaskörper sowie eine Konstante für den Abstand Hornhautscheitel und vordere Linsenhauptebene. Dieser Kalkulationsformel folgte wenig später die „GOW 71“ zur Berechnung postoperativer Ametropien und hinterer Brennweiten- und Bildgrößenunterschiede. Eine nahezu identische Formel wie die „GOW 70“ hatten 1967 Fjodorov und Kolonko entwickelt, die jedoch statt einer Konstanten die postoperative Vorderkammertiefe aus den Hornhautradien und dem Hornhautdurchmesser berechneten.

Schlussfolgerungen: Die „GOW-Formel“ ermöglichte eine sehr viel genauere Berechnung der IOL-Stärke, die den individuellen Refraktionsbedürfnissen des Patienten entsprach, Ametropien und Aniseikonien vermied und neue therapeutische Optionen für die Katarakt- und refraktive Chirurgie eröffnete. Von Regressionsformeln abgesehen war sie, aber auch die Fjodorov-Formel, Grundlage späterer Kalkulationsformeln und wurde als „Mutter aller Formeln“ verstanden. Mit den Namen Fjodorov und Kolenko blieb überwiegend die Entwicklung der ersten IOL-Berechnungsformel verbunden. Die Autoren der „GOW-Formel“ sind eher in Vergessenheit geraten.