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92. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte

02.11.2019, Darmstadt

Charakteristika und adäquate Dokumentation retinologischer Befunde bei misshandlungsbedingten Schädelhirnverletzungen im Säuglings- und Kindesalter

Meeting Abstract

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  • A. Decker - Saarbrücken
  • M. Ladewig - Saarbrücken

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte. 92. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte. Darmstadt, 02.-02.11.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc19rma06

doi: 10.3205/19rma06, urn:nbn:de:0183-19rma069

Veröffentlicht: 29. April 2020

© 2020 Decker et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Retinale Blutungen als unspezifische Befunde sind bei der Diagnosenstellung eines sog. Schütteltrauma- Syndroms ein wesentliches Indiz wenn der Verdacht auf Kindesmisshandlung im Säuglings- und Kleinkindesalter besteht. Die bestehende Relevanz für den praktischen Augenarzt im klinischen Umfeld untermauert die aktuelle Kinderschutzleitline. Bei Verdacht auf eine misshandlungsbedingte Schädelhirnverletzung bei Kindern <24 Monate ist eine zeitnahe, möglichst innerhalb <24h nach Vorstellung des Kindes zu erfolgende augenärztliche Untersuchung des Augenhintergrundes gefordert.

Methoden: Selektive Literaturrecherche hinsichtlich charakteristischer retinologischen Befunde beim Schütteltrauma als häufige syndromale Sonderform des nicht akzidentellen Schädel-Hirn-Traumatas sowie von Unterscheidungsmerkmalen zu möglichen Differentialdiagnosen und Darlegung der pathophysiologischen Grundlagen und Erfahrungen mit dem standardisierten SOS- Bogen zur Dokumentation.

Ergebnisse: Diagnostisch gesichert wird die Diagnose eines Schütteltraumas durch die typische Symtomkonstellation aus diffuser Hirnschädigung, Subduralblutung und retinaler Blutungen im Kontext einer oft komplett fehlenden oder inadäquaten und inkonsistenden Unfallanamnese. Die häufig zahlreichen bilateralen und typischerweise in verschiedenen Schichten bis zur Ora serrata lokalisierten retinalen Blutungen sind nicht spezifisch für ein Schütteltrauma. Bei den möglichen Differenzialdiagnosen finden sich jedoch nur selten massive intra-, sub- und präretinale Blutungen. Gleichzeitig schließt das Fehlen retinaler Blutungen die Diagnose eines Schütteltraumas nicht aus und selbst multiple Blutungen, die oberflächlich in der Retina liegen, können innerhalb von 24 Stunden resorbiert werden. Eine makuläre Retinochisis oder perimakuläre Netzhautfalten hingegen sind als pathognomische Befunde zu werten. Geburtsbedingte retinale Blutungen sind die häufigste Differentialdiagnose innerhalb der Neugeborenenperiode. Der erstellte SOS- Bogen erleichtert im Alltag entscheidend die adäquate Dokumentation der relevanten Befunde.

Schlussfolgerung: Retinologische Befunde können im interdisziplinären Dialog aus Kinderärzten und Rechtsmedizinern einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Diagnose eines nicht akzidentellen Schädel-Hirn-Traumatas darstellen. Dabei sollte einer genauen und zeitnahen standardisierten Dokumentation – wie sie die aktuelle Kinderschutzleitlinie auch einfordert – weiterhin eine hohe Aufmerksamkeit geschenkt werden. Da retinale Blutungen unspezifische Befunde darstellen, ist es nicht ausreichend die reine An- oder Abwesenheit zu beschreiben, sondern immer die Art, Anzahl, Ausprägung und die Verteilung genau zu dokumentieren. Der erstellte SOS-Bogen erleichtert im Alltag entscheidend die adäquate Dokumentation der relevanten Befunde.