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88. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte

07.11.2015, Mainz

Vision(en)2025 – GPS, Smartphone, Apps – Werden Langstock und Braille-Schrift abgelöst? Chancen in der Rehabilitation Blinder durch neue Technologien

Meeting Abstract

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  • Jürgen Nagel - BLISTA Marburg

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte. 88. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte. Mainz, 06.-07.11.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15rma48

doi: 10.3205/15rma48, urn:nbn:de:0183-15rma485

Veröffentlicht: 6. November 2015

© 2015 Nagel.
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Gliederung

Text

Mit der Brailleschrift und dem Langstock wurden zwei herausragende Konzepte entwickelt, die den Alltag und die Perspektiven von Menschen mit Blindheit weltweit verändert haben.

Bildung und Mobilität waren nunmehr in bis dahin ungeahntem Ausmaß möglich - Teilhabe wurde von der Vision zur Realität.

An der künftigen Bedeutung der Brailleschrift, insbesondere der Kurzschrift gibt es Zweifel, denn Sprachausgaben bieten schnellen Zugang zum Bildschirminhalt, aber nur eine elektronische Braillezeile erlaubt es, das (selbst) Geschriebene auch zu lesen. In den vergangenen 35 bis 40 Jahren wurden zudem elektronische Hilfsmittel (z.B. Sonic Guide, Pathfinder, Siemensbrille, Ultra Body Guard, Lasercane, etc.) als zusätzliche Hilfen für die Orientierung und Mobilität entwickelt, insbesondere um eine ergänzende Schutzfunktion für den Kopf- und Oberkörperbereich zu gewährleisten.

In der Fortentwicklung gibt es immer wieder Ideen und Ansätze neue Technologien zu entwickeln und zu integrieren, um z. B. Orientierungs- und sicherheitsrelevante Informationen akustisch oder taktil zugänglich zu machen.

2007 stellte die Firma Apple ihr erstes Smartphone mit einem Multi Touch Bildschirm vor, ein barrierefrei bedienbarer Taschen PC, der den Nutzer verstehen kann und mit ihm spricht.

Vor einigen Jahren äußerte ein blinder Referent bei der Sight City in Frankfurt, dass dasI-Phone für ihn das wichtigste Hilfsmittel überhaupt sei.

Was konkret bietet diese neue Technologie Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung? Eine ganze Reihe von Apps ist bereits barrierefrei bedienbar, wie z.B. Geldscheinerkennung mit Hilfe von Money Reader, Farberkennung durch Color-Visor, Texterkennung bzw. Vorlesen von Texten (z.B. Beipackzettel von Medikamenten, Straßenschilder) mit Hilfe des KNFB-Readers, Objekterkennung durch TapTapSee, Produkt- und Information durch QR- und Barcode-lese-Apps und Orientierung durch Navigationmit allgemeinen und spezifischen Kartenwerken, wie z.B. Blind-Square etc.

Parallel dazu erfolgt mehr und mehr eine barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raums und Verkehrsraums. Durch Leitsysteme und akustische Ampeln wird persönliche Orientierung und Mobilität nicht nur erleichtert sondern an vielen Orten, wo Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung sonst auf fremde Hilfe angewiesen wären, erst ermöglicht. Werden neue Technologien die traditionellen Konzepte in den nächsten Jahren überflüssig machen? Steht ein Verzicht der Brailleschrift auf der Agenda? Wäre dies gleichbedeutend damit, sehenden Kindern keine Handschrift mehr zu vermitteln und gedruckte Bücher durch Hörbücher zu ersetzen? Hat der Langstock in naher Zukunft ausgedient, weil alternative Technologien ihn ersetzen, oder weil er für den herkömmlichen Zweck nicht mehr benötigt wird?