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86. Versammlung der Vereinigung Rhein-Mainischer Augenärzte

Vereinigung Rhein-Mainischer Augenärzte

01.11. - 02.11.2013, Gießen

Aniridie: Klinik und Besonderheiten im Verlauf

Meeting Abstract

  • B. Käsmann-Kellner - Homburg/Saar
  • D. Toews-Henning - Aniridie-WAGR-Selbsthilfe AWS, Michelau
  • B. Seitz - Homburg/Saar

Vereinigung Rhein-Mainischer Augenärzte. 86. Versammlung der Vereinigung Rhein-Mainischer Augenärzte. Gießen, 01.-02.11.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13rma14

doi: 10.3205/13rma14, urn:nbn:de:0183-13rma149

Veröffentlicht: 30. Oktober 2013

© 2013 Käsmann-Kellner et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Bei der Aniridie handelt es sich um eine genetisch bedingte angeborene schwere Sehbehinderung mit einem hohen Erblindungsrisiko aufgrund Komplikationen durch eine Stammzellinsuffizienz der Augengewebe. Aniridie ist PAX6-Gen assoziiert, weitere nicht-okuläre Einflüsse von PAX6 werden vermutet (ZNS, Endokrinum).

Klinik der Aniridie: Obgleich „Aniridie“ genannt, handelt es sich bei der Aniridie um eine panokuläre Erkrankung mit häufiger komplikationsbedingter Progression zur Erblindung. Aniridie und die ebenfalls vorliegende Makulahypoplasie sowie die Optikushypoplasie führen zu einer angeborenen schweren Sehbehinderung mit Nystagmus. Okulär stellen sich oft drei assoziierte Pathologien ein: früh beginnende Katarakt, Glaukom sowie eine zunehmende Hornhautdekompensation, bedingt durch die PAX6-bedingte Stammzellinsuffizienz der limbal liegenden Stammzellen. Die „aniridia-related keratopathy“ AAK bedingt zunächst eine höhere Hornhautdicke, später zeigt die AAK eine progressive Pannusbildung von peripher nach zentral, ein pathologische Einwachsen von Blutgefäßen in die klare Hornhaut sowie eine zunehmende Schädigung des Epithels der Hornhaut. Die Aniridie-Hornhaut kann aufgrund der Limbusstammzellinsuffizienz ihre Klarheit sowie ihre Stabilität und ihre Schutzfunktion nicht aufrecht erhalten, es kommt somit typisch zu einem weiteren Abfall des Sehvermögens als auch zu ständig wiederkehrenden Schmerzen durch rezidivierende Epithelläsionen.

Operative Eingriffe bei der Aniridie haben ein deutlich höheres Komplikationsrisiko aufgrund des „aniridic fibrosis syndrome“ AFS, welches bei intraokularen Eingriffen (Katarakt, Glaukom) zu einer Ausbildung traktiver fibrotischer retrolentaler und / oder retrocornealer Membranen mit nachfolgender Linsen- oder IOL-Subluxation und subakuter Hornhautdekompensation führen kann ( Aniridie ist eine profibrotische Erkrankung).

WAGR- oder WAGRO-Syndrom: Die Aniridie kann auch als Teil des WAGR/O-Syndroms (Wilms tumor-aniridia-genital anomalies-retardation/obesity- syndrome) auftreten. Das WAGR-Syndrom wird durch eine Deletion 11p13 verursacht, die neben PAX6 auch das angrenzenden WT1(Wilms-Tumor)-Gen umfasst. Kinder mit einer 11p13-Deletion (PAX6 und WT1) haben ein Risiko von bis zu 50%, ein malignes Nephroblastom = Wilms-Tumor zu entwickeln. Noch seltener findet sich die Aniridie bei dem Gillespie-Syndrom vergesellschaftet mit zerebellär bedingten motorischen Problemen sowie einer Lern- bis Geistesbehinderung.

Lebensqualität von Personen mit Aniridie und Möglichkeiten zur Optimierung: Aniridie-Patienten sind nicht mit anderen Patienten mit angeborener Sehbehinderung (z.B. Albinismus, Achromatopsie) zu vergleichen, da die Erkrankung im Gegensatz zu anderen angeborenen Sehbehinderungen keine Stabilität aufweist und okuläre Komplikationen mit funktionellen Verschlechterungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Die Seltenheit der Aniridie führt zudem dazu, dass auch an Universitätskliniken Operationen bei Aniridie selten durchgeführt werden. Über die Etablierung eines deutschlandweiten Aniridie-Registers und die Entwicklung einer standardisierten Befundklassifikation von Ausgangsbefunden und Komplikationen kann trotz der niedrigen Patientenzahlen eine Optimierung der frühen Förderung, der Erkennung von Komplikationen und der Therapie umgesetzt werden. Wesentlich ist hier zum einen die Intensivierung der Arbeit mit limbalen Stammzellen als auch die interuniversitäre Kooperation, um die visusbedrohenden Komplikationen durch AFS und ARK zu minimieren.