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Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen
2. Tagung des Förderschwerpunktes "Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess"

25. bis 27.03.2004, Freiburg

Shared Decision Making bei Brustkrebspatientinnen : qualitative Untersuchung zur gemeinsamen Entscheidungsfindung bei der Therapie des Mammakarzinoms

Meeting Abstract

  • corresponding author C. Caspari - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München
  • A. Vodermaier - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München
  • J. Köhm - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München
  • I. Bauerfeind - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München
  • S. Kahlert - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München
  • M. Untch - Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Marchioninistr. 15, 81377 München

Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen. 2. Tagung des Förderschwerpunktes "Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess". Freiburg, 25.-27.03.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04pat18

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/pat2004/04pat18.shtml

Veröffentlicht: 15. Juni 2004

© 2004 Caspari et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Dass Patienten sich an ihrer Therapie beteiligen wollen, zeigt eine aktuell abgeschlossene onkologische Studie (PASQOC), in der über 3000 ambulante Nachsorgepatienten zu ihrer Arzt-Patienten-Beziehung befragt wurden. Demnach sind zwar die Mehrzahl mit dieser Beziehung zufrieden, fühlen sich jedoch von der Therapieplanung ausgeschlossen. Konkret bemängelten 34,4 % der Patienten die unsensible Mitteilung der Diagnose. Die Aufklärung der einzelnen Behandlungsoptionen empfindet ein Viertel der Befragten als unzureichend. Größter Kritikpunkt ist jedoch, dass keine gemeinsame Behandlungsplanung mit den Patienten stattfindet (55,4%). Die meisten Patienten wünschen sich mehr Informationen über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten [1]. Gerade Brustkrebspatientinnen legen besonderen Wert auf die Arzt-Patienten-Kommunikation. So stellte Kerr et al. [2] fest, dass eine unzureichende Kommunikation mit dem Arzt den zweithöchsten Belastungsfaktor für die Frauen darstellt.

Neben einer prospektiv randomisierten Interventionsstudie, die den Effekt von SDM auf das Entscheidungsverhalten, der Zufriedenheit mit der Entscheidung, Mitbeteiligungswünsche und Lebensqualität erhebt, wird in einer qualitativen Untersuchung das Konstrukt auf Kontextbedingungen und seine Umsetzbarkeit hin untersucht.

Methode

Die dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Analyse von 12 Videoaufnahmen, 13 Interviews mit brustkrebserkrankten Frauen, fünf Interviews mit behandelnden Ärzte und sieben Experteninterviews (Gesprächsgruppenleiter, Onkologen), die mit dem qualitativen Auswertungsprogramm atlas-ti nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet werden.

Ergebnis

Als Ergebnis der qualitativen Auswertung zeigen sich vor allem die Kontextbedindungen für eine Patientenmitbeteiligung als relevant:

• Erkrankungsdauer: akut vs. chronisch

• Erkrankungsart: lebensbedrohlich vs. nicht lebensbedrohlich

• Setting: stationär vs. ambulant

• Therapie: medizinische Leitlinien vs. Therapievielfalt

Auf der deskriptiven Ebene nehmen folgende Themen Einfluss auf den Shared Decision Making Prozess: lebensbedrohliche Erkrankung, Diagnoseschock, Angst als handlungsleitendes Motiv, defizitäre Vorinformation, Verantwortungsübernahme und inwieweit die Aushandlungsprozesse Sicherheit bzw. Unsicherheit vermitteln.

Diskussion

Die Brustkrebsbehandlung wird heutzutage zunehmend individuell mit der Patientin geplant. Dazu bietet sich ein Vorgehen nach SDM als Verfahren zur Vermittlung von evidenz-basierten Medizin an. Zur Implementierung müsste man zudem die Kontextbedingungen miteinbeziehen, um die als lebensbedrohenden empfundenen Situation der Patientinnen mit zu berücksichtigen. Je nach Ausprägung der genannten Kontextbedingungen gestaltet sich der Zugang unterschiedlich, z.B. rückt bei akuten Patienten die Information in den Vordergrund, chronische hingegen haben häufig ein immenses Wissen. Bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung spielt die Verantwortungsübernahme und die Themen Sicherheit/Unsicherheit eine zentrale Rolle. Im ambulanten Setting wird SDM auf einer gewachsenen Arzt-Patienten-Beziehung hergestellt, wohingegen stationär der Patient meist mit einem Behandlungsteam konfrontiert wird und andere Kompetenzen von ihm erwartet werden (Vertrauensvorschuss).


Literatur

1.
Runge, C.; Tews, J.-T.; Ruprecht, Th.: Hoeing, M.; Kuhlmann, A.; Kleeberg, U.R.; Areas of improvement in ambulatory oncological care - the patient perspective. Support Care Cancer, 11:405, 2003
2.
Kerr, J.; Engel, J.; Schlesinger-Raab, A.; Sauer, H. & Hölzel, D. Communication, quality of life and age: results of a 5-year prospective study in breast cancer patients. Annals of Oncology, 14:421-427, 2003.