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Carnitintransporterdefekte: Diagnosestellung über das Neugeborenenscreening bei zwei Familien
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Veröffentlicht: | 10. April 2013 |
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Hintergrund: Der autosomal-rezessive Defekt des in der Plasmamembran lokalisierten Carnitin-Transporters (OCTN2), bei dem die Aufnahme von Carnitin aus dem Blutplasma und die Rückresorption in den Nieren gestört ist, wird auch als systemischer oder primärer Carnitin-Mangel bezeichnet.
Klinische Situation: Der zumeist milde Defekt des Carnitin-Trasnporters kann sich nur auf die Skelettmuskulatur beschränken und sich in Jugend oder frühem Erwachsenenalter mit chronischer Muskelschwäche und Schmerzen manifestieren. Gelegentlich kommt es auch schon im Neugeborenenalter, meist aber innerhalb der ersten Lebensmonate, zu einer Kardiomyopathie, Muskelschwäche, Lebervergrößerung, hypoketotischer Hypoglykämie, Azidose und Hyperammonämie. Asymptomatische Fälle sind ebenfalls beschrieben.
Diagnostik: Der Carnitintransporterdefekt gehört nicht zu den Zielerkrankungen des Neugeborenen-Screenings in Deutschland. Die (indirekte) Erfassung ist prinzipiell durch die niedrigen Blutspiegel an freiem Carnitin möglich.
Therapie: Die Behandlung der Wahl ist die Einnahme von L-Carnitin. Bei regelmäßiger Substitution besteht eine sehr gute Prognose.
Familien-Fallbeschreibung: Bei dem ersten Kind wurde im Neugeborenenscreening eine erniedrigte Konzentration an freiem Carnitin von 17 µM (Norm >20 µM) festgestellt und bei normalen Carnitin-Werten der Mutter eine Carnitin-Substitution eingeleitet, die vom Kinderarzt nach sechs Wochen beendet wurde. Im Verlauf dann sehr niedrige Carnitin-Werte und Wiederbeginn der Substitution, darunter normale Entwicklung. Keine Krisen oder Organfunktionsstörungen. In Hautfibroblasten deutlich verminderte Carnitin-Aufnahme (OCTN2).
In der zweiten Familie mit vier Kindern wurde bei dem jüngsten Mitglied im Rahmen des Neugeborenen-Screenings ein verminderter Carnitin-Wert (freies Carnitin 19 µM) festgestellt, bei normalem mütterlichen Carnitin-Status. Unter Carnitin-Substitution altersgemäße Entwicklung ohne Organdysfunktion. Die Verdachtsdiagnose eines Transporter-Defekts wurde durch eine Enzymdiagnostik an Fibroblasten bestätigt. Bei der Familienuntersuchung fanden sich auch bei der zwei Jahre älteren Schwester, die zuvor im Neugeborenen-Screening unauffällige Werte aufwies, erniedrigte Carnitin-Werte (freies Carnitin 17 µM).
Resümee: Erniedrigte Werte an freiem Carnitin im Neugeborenenscreening können zur Diagnose eines Carnitintransporterdefektes beitragen. Normale Werte schließen diesen nicht aus. Ob es ohne Carnitin-Substitution zu Symptomen gekommen wäre, bleibt offen.