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Kompression mit Zinkleim – Die Renaissance einer alten Technik?
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Die Kompression wird schon seit vielen Jahrhunderten zur Behandlung von Ödemen und anderen venösen und lymphatischen Erkrankungen der unteren Gliedmaßen angewendet. Durch die Anwendung der Kompression im angemessenen Umfang verringert sich der Durchmesser der großen Venen; dies ist mittels Phlebographie und Duplex-Ultraschall nachweisbar. Dies führt dazu, dass sich das lokale Blutvolumen verringert, indem das Blut in Richtung auf die zentralen Körperregionen umverteilt wird.
Die klinische Bedeutung dieser Wirkungen richtet sich nach der Beziehung zwischen dem intravenösen hydrostatischen Druck und dem Umfang der im jeweiligen Fall angewendeten externen Kompression. Im Liegen reicht ein Druck von über ca. 10 mmHg oberhalb der Wade aus, um die Venostase, einen der wichtigsten Faktoren bei der Thrombusbildung, zu verringern, und zwar durch eine ausgeprägte Verringerung des Blutvolumens in den Unterschenkeln, die mit einer entsprechenden Zunahme der Blutflussgeschwindigkeit einhergeht. In der aufrechten Position schwankt der Druck in den Beinvenen beim Gehen zwischen 20–100 mmHg, weshalb auch ein höherer Kompressionsdruck erforderlich ist (z. B. 40–50 mmHg), um eine deutliche Wirkung auf den Blutfluss zu erzielen.
Durch die Anwendung der externen Kompression werden eine Vielzahl von komplexen physiologischen und biochemischen Wirkungen unter Beteiligung des Venen-, Arterien- und Lymphgefäßsystems ausgelöst. Unter der Voraussetzung, dass der Umfang der Kompression sich nicht ungünstig auf den arteriellen Blutfluss auswirkt und die richtigen Anwendungsverfahren und Materialien eingesetzt werden, können durch die Kompression dramatische Ergebnisse erzielt werden, wie Verringerung der Ödeme und Schmerzlinderung bei gleichzeitiger Förderung der Heilung von Geschwüren, die durch eine Veneninsuffizienz hervorgerufenen sind.
Der unmittelbar nach Anlegen eines Verbands erzeugte Druck wird vorwiegend durch die Spannung im Verband, die Anzahl der angelegten Verbandslagen und die Rundung (Krümmung) der betreffenden Gliedmaßen bestimmt. Die Merkmale Dehnbarkeit, Stärke, und Elastizität wirken sich darauf aus, wie viel Druck ein Verband ausübt und wie lange der Druck aufrechterhalten bleibt.
Unelastische, nur minimal dehnbare (Kurzzug-)Binden können sich nicht an Änderungen des Gliedumfangs anpassen, wenn sie fest angelegt sind. Daher nehmen die unter diesen Verbänden herrschende Druck in der Regel während des Gehzyklus zu, während der Wadenmuskel versucht, sich gegen den relativ steifen und nicht dehnbaren Textilverband auszuweiten. Daher verstärkt oder unterstützt dieser Verband die Wirkung der Wadenmuskelpumpe.
Diese Verbände üben normalerweise niedrigere Rest- oder Ruhedrucke aus als elastischere Verbände und sind daher für nicht mobile Patienten ungeeignet.
Zu den am wenigsten elastischen Binden zählen die Zinkleim-Binden, welche nach Austrocknung eine Dehnbarkeit von nahezu Null aufweisen. Die Zinkleimbinden sind adhäsive Binden, die entweder aus einem mit Zinkoxyd-Gelmasse beschichteten starren Mull oder aus einem elastischen Krepp-Gewebe bestehen.
Das Prinzip des Zinkleimverbands zur Kompressionstherapie wurde Ende des 19. Jahrhunderts von dem Hamburger Hautarzt Paul Gerson Unna entwickelt.
In der Traumatologie und Orthopädie ist der Zinkleimverband schon lange Zeit bekannt. Der Zinkleim wirkt während der Austrockungsphase kühlend, das wenig elastische Verbandsmaterial hemmt die Bildung von Ödemen. Bei Verletzungen, die im Wesentlichen zu Schwellungen führen und keine weiteren Folgen wie Ruptur oder Fraktur haben, wurde der Zinkleimverband als alleinige Therapie bereits lange Zeit eingesetzt. In der Phlebologie ist der Zinkleimverband ebenso lange Zeit bekannt zur Behandlung von z. B. Phlebitiden.
Der Fischerverband hat sich aus dem Zinkleimverband weiterentwickelt. Diese Verbandtechnik wurde von Heinrich Fischer im Jahre 1910 beschrieben. Die Anwendung des Zinkleimverbandes ist bei gehfähigen PatientInnen indiziert und eignet sich besonders zur Kompressionstherapie bei schweren Folgezuständen der chronisch venösen Insuffizienz, bei tiefen Beinvenenthrombosen und beim Ulcus cruris.
Die ambulante Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose mittels Kompressionsverbänden nach H. Fischer hat sich als hocheffiziente Alternative neben anderen Behandlungsformen wie Immobilisation, Lyse oder Thrombektomie seit Jahrzehnten in der wissenschaftlich fundierten Phlebologie etabliert.
Die Basis der „Fischerverbände“ ist der fixierte, nicht nachgiebige Unterschenkel-Kompressionsverband aus Zinkleim, der eigentliche Fischerverband: Der hauptsächliche Unterschied dieses Kompressionsverbandes zu anderen Verbänden liegt in der Technik der Anlage und seiner Tiefenwirkung. Durch seine nicht nachgiebige Eigenschaft wird der höchste Arbeitsdruck mit der mächtigsten Tiefenwirkung auf das subfasziale Unterschenkelödem erzielt. Entscheidend ist die starke und absolut gleichmäßige Einengung der tiefen Leitvenen. Dadurch werden vorhandene Thromben an die Gefäßwand angepresst und somit fixiert, die Blutströmung wird beschleunigt, das bedeutet besten Schutz gegen weitere Thrombosierung und Appositionsthromben und die Schlussfähigkeit der stauungsdilatierten Venenklappen wird wiederhergestellt und die Muskelpumpe (von Heinrich Fischer als »Saug-Druck-Pumpe« bezeichnet) wird aktiviert.
Zusammenfassend stellt der Zinkleimverband eine hochwirksame Methode dar, um bei mobilen Patienten eine sehr effektive und schnelle Reduzierung von Ödemen zu erreichen.