gms | German Medical Science

2. Kooperationsforum Intelligente Objekte und Mobile Informationssysteme im Gesundheitswesen

Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS

03.05. - 04.05.2011, Erlangen

RFID – Radio Frequency Identification: Anwendung im Gesundheitswesen und der Medizintechnik

Meeting Contribution

Suche in Medline nach

2. Kooperationsforum Intelligente Objekte und Mobile Informationssysteme im Gesundheitswesen. Erlangen, 03.-04.05.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc11iis01

doi: 10.3205/11iis01, urn:nbn:de:0183-11iis017

Veröffentlicht: 3. Mai 2012

© 2012 Stamminger et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Das Wachstum der Medizintechnikbranchen in Deutschland ist seit fünfzehn Jahren enorm und beschleunigt sich in immer stärker (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Dies ist maßgeblich dadurch bedingt, dass sich die Globalisierung und Industrialisierung positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung von ehemaligen Schwellenländern auswirkt. Neben steigenden Gehältern wächst dadurch der Wunsch nach einer adäquaten Gesundheitsversorgung, einhergehend mit dem Bedarf an Importen von hochwertigen Medizingütern aus Deutschland. Von 1998 bis 2008 stieg der Umsatz für medizintechnische Exporte aus Deutschland um fast 280% auf rund 12 Mrd. Euro, der Inlandsumsatz stieg um 30% auf circa 6,7 Mrd. Euro. Die deutsche Medizintechnik – mit einem Weltmarktanteil von 20% – verfügt über hervorragende Grundvoraussetzungen die Leitbranche des 21. Jahrhunderts zu werden.

Die globalisierte Welt verlangt von deutschen Unternehmen immer schneller, kostengünstiger, wettbewerbsfähiger, arbeitsreduzierter und kundenorientierter zu produzieren und zu funktionieren. Mit geringem Aufwand soll der höchste Ertrag in der kürzesten Zeit mit größtmöglicher Qualität und den niedrigsten Kosten erreicht werden. Auch der Erfolgsfaktor Flexibilität gewinnt neben Effizienz und Zuverlässigkeit immer mehr an Bedeutung.

In vielen Dienstleistungsbereichen, in der Beschaffungs- und Distributionslogistik, im Handel, in kunststoffverarbeitenden Produktionsbetrieben und Materialflusssystemen haben automatische Identifikationsverfahren (Auto-ID) in den letzten Jahren große Verbreitung gefunden. Die Bereitstellung von Informationen zu Rohstoffen, Gütern und Waren ist Aufgabe und Ziel der Auto-ID. Durch den steigenden Wettbewerbsdruck müssen die Prozesse im und außerhalb des Unternehmens, auch über die gesamte Lieferkette hinweg optimiert werden. Weiterhin gibt es durch die heutzutage zur Verfügung stehende leistungsfähige Technologie die Möglichkeit Transparenz in die logistischen Netze zu bringen. Deshalb gewinnt die RFID immer mehr an Bedeutung, da diese Technologie die technischen Voraussetzungen bietet, Prozesse zu optimieren und neu zu gestalten.

Besonders das Thema Radio Frequency Identification (RFID) erfährt eine steigende Aufmerksamkeit (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Zum Einen müssen die Prozesse im und außerhalb des Unternehmens, auch über die gesamte Lieferkette hinweg, optimiert werden. Zum anderen kann durch die leistungsfähige Technologie, besonders im medizintechnischen Bereich, mehr Transparenz in die logistischen Netze gebracht werden. Auf dem Markt befinden sich viele unterschiedliche RFID-Systeme, die sich durch die jeweilige Transponder-Bauform, die Energie- und Datenübertragung, die Übertragungsfrequenz und die Reichweite unterscheiden. Je nach Anwendung, Produkt und Verpackungsmaterial kommen unterschiedliche Transponder, Reader und Antennen zum Einsatz. Welche Systeme, die man käuflich erwerben kann, die passenden für das firmeneigene Portfolio sind, ist oftmals nur durch eine spezifische Beratung bestimmbar. In der Regel empfehlen wir von senetics passgenaue Systeme, die modular auf die tatsächlichen Bedürfnisse angepasst sind.

Dem unternehmerischen Trend folgend richten auch zunehmend Gesundheitsversorgungseinrichtungen wie Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Arztpraxen, zahntechnische Laboratorien, Apotheken, Sanitätshäuser und ähnliche Akteure im Gesundheitswesen auf die RFID-Technik um. Weiterhin ist in Medizintechnik- und Medizininformatikunternehmen, bei Pharmaherstellern sowie Produzenten von Heil- und Hilfsmitteln ein großer Einsatzbereich für RFID gegeben. Angefangen bei der Optimierung von Prozessabläufen in Kliniken, über die Überwachung von Blutkonserven, bis hin zur Steuerung personalisierter Patientenmedikation zum Schutz vor falschen Arzneimittelabgaben und gefälschten Medikamenten. Einige Einsatzbereiche in denen senetics aktiv ist, wollen wir näher beleuchten.

Identifikation von Patienten und Personal

Um eine Sicherheit für den Patienten zu gewähren, gewinnt neben der Optimierung und Standardisierung von medizinischen Prozessen auch das reibungslose Zusammenwirken der einzelnen Behandlungsschritte immer mehr an Bedeutung. Besonders wichtig ist hier, die genaue sowie schnelle Identifikation der zu Behandelnden bzw. die einwandfreie Zuordnung derer Daten in den Schnittstellenbereichen verschiedener Prozesse, um vor allem falsche medizinische Behandlungen zu vermeiden. Eine effiziente EDV-Erfassung und die Verwaltung der gesamten Daten kann durch ein RFID-basiertes System zur Patientenerkennung sichergestellt werden.

Messen und Kontrollieren von Daten

Neben der reinen Aufgabe zur Identifikation können Transponder auch zur Qualitätsüberwachung genutzt werden. So zum Beispiel auch für die Messdatenüberwachung der Vitalwerte von Patienten. In ein entsprechendes Notrufsystem integriert, wird bei Überschreitung des Grenzwertes sofort Alarm geschlagen. RFID kann hier etwa zur Kontrolle der Blutwerte von Diabetikern oder auch zur Überwachung von Herzinfarktpatienten eingesetzt werden.

Optimierte Reinigung von Klinikbetten

Neben Medikamenten können auch Einrichtungsgegenstände mit RFID-Chips gekennzeichnet werden. Dadurch ist eine schnellere Lokalisierung von bspw. Analysegeräten und Betten möglich. Der Einsatz von RFID lohnt sich vor allem im Bettenmanagement des Krankenhauses, da dies hochkompliziert und mit hohen Kosten verbunden ist. Durch den Einsatz der Radio Frequency Identification kann eine Optimierung des Reinigungsprozesses der Betten erzielt werden, wodurch sich eine Senkung der Kosten und Steigerung der Bettenauslastung ergibt.

Fälschungssicherheit und Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln

Fälschungssicherheit und Rückverfolgbarkeit spielen auch in der Pharmaindustrie eine immer wichtiger werdende Rolle. Aufgrund von Fälschungen entstehen den Arzneimittelherstellern Verluste in Milliardenhöhe und auch Tausende von Patienten in der Europäischen Union sowie auch weltweit sind dadurch gefährdet. Mittels des Einsatzes von RFID können Produktfälschungen verhindert sowie Qualitätskontrollen bei Pharmaunternehmen verbessert werden.

Vermeidung von Fehlmedikation

Für Patienten in einer Klinik ist neben einer guten Versorgung auch die schnelle Genesung wichtig. Eine falsche Vergabe noch Medikamenten kann hier jedoch zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führen, was weiterhin höhere Behandlungskosten zur Folge hat. Durch integrierte RFID-Systeme kann die Sicherheit im Krankenhausalltag verbessert und die Kosten gesenkt werden.

Prozessteuerung und Dokumentation

Mit Hilfe des Einsatzes von RFID kann auch im Bereich der Prozesssteuerung und Automatisierung von Dokumentationsabläufen ein großes Potenzial an Optimierung erlangt werden. Insbesondere in der Prozesssteuerung kann die Technologie dazu beitragen, vorhandene Abläufe besser zu gestalten und die regulatorisch geforderte Rückverfolgbarkeit dargestellt werden. Verbesserte Ressourcenverteilung, Optimierung der Krankenhauswarenlogistik oder effektivere Ausgabekontrollen sind weitere Vorteile, die der Einsatz von RFID mit sich bringen kann.

Textilidentifikation in Wäscherein

Schon seit Jahren wird die Mietwäsche in Kliniken mit RFID gekennzeichnet und auch die Prozesse der Krankenhauswäschereien werden mit Hilfe von RFID gesteuert. Aber auch für Alten- und Pflegeheime stellt der Einsatz von RFID eine Erhöhung der Arbeitseffektivität dar. So setzen Krankenhauswäschereien auf einen RFID gestützten Wäschereiprozess. Durch die Beschleunigung und Automatisierung erfolgt das Vorsortieren der Wäsche schneller, da nicht mehr jedes Wäschestück wie früher beim Barcodelesen per Hand sortiert werden muss. Dies bringt zusätzlich eine Verbesserung der Arbeits- und Hygienebedingungen mit sich.

Industrielle Fertigung

Im Bereich der industriellen Fertigung nutzen Hersteller verstärkt RFID. Selbst bei kleinsten Serien und Einzelstücken können Materialflussfehler durch den Einsatz der Technologie verhindert werden. Um ihren Fertigungsprozess zu optimieren, haben bspw. auch verschiedene Hersteller von Medizinprodukten damit angefangen, RFID-Lösungen zu prüfen und anzuwenden. Aufgrund der Anwendung von RFID ist es nun den Herstellern möglich, verschiedene Varianten eines Produktes zur gleichen Zeit und automatisiert in einer Linie zu fertigen.

Ergänzend zu der beratenden Funktion von senetics bei der Einführung von RFID-Systemen in den Healthcare-Branchen war es eine interessante Frage, inwieweit medizinische Einrichtungen und produzierende Unternehmen die RFID-Technik bereits einsetzen. Dazu wurde 2009 von senetics und Dr. Wolfgang Sening in Zusammenarbeit mit der Hochschule Ansbach (Prof. Dr. Jochem Müller) eine grossangelegte Studie durchgeführt. Diese sollte Einsatzvoraussetzungen, Anwendungsfelder und Nutzenerwartung von RFID im medizinischen und produzierenden Umfeld klären. Deutschlandweit wurden 300 Firmen und Institutionen angefragt (Rücklaufquote 16,7%; n=50). Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (29 Firmen) beschäftigte sich bereits mit dem Thema RFID, 18% haben die Technologie bereits seit 1–2 Jahren impliziert. 24% der Studienteilnehmer planen die Etablierung von RFID in den kommenden Jahren.

Als zukünftiges Anwendungsgebiet wurde sehr häufig die Lokalisierung von Gegenständen oder Personen sowie das Berechtigungsmanagement und die Authentifizierung genannt. Die Navigation von Putzrobotern, RFID-Inmould zur Optimierung der Supply-Chain, automatische Systemerkennung und die Geräteentwicklung, z.B. für die Identifizierung von Test Devices, Chargencode, Kalibrationskurven, User Identifizierung, waren weitere avisierte Anwendungsfelder (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Dies deckt sich mit unseren Erfahrungen bei der Beratung. Auch die Steuerung von medizinischen und logistischen Prozessen sowie die Überwachung von Messdaten sind derzeitige bzw. geplante Einsatzbereiche von RFID.

Die teilnehmenden Firmen und Institutionen stehen dem Thema RFID in den nächsten Jahren sehr offen gegenüber und messen der Einführung der Technologie eine hohe Bedeutung zu. Unsere Erfahrung von senetics bei der Beratung zur Integration von RFID im Bereich Klinik, Seniorenheime und Produzierendes Gewerbe und die aufgezeigten Ergebnisse der empirischen Analyse lassen deutlich erkennen, dass die RFID-Technologie bereits eine wesentliche Markt-Aufmerksamkeit gefunden hat.

Derzeitig wird sie in vielen Institutionen und Unternehmen eingesetzt oder ein zukünftiger Einsatz ist avisiert. Generell sollte man den neuen Möglichkeiten, die RFID-Systeme bieten, nicht zurückhaltend gegenüberstehen. RFID in der Produktion und der Klinik eröffnet umfangreiche Möglichkeiten zur Kosteneisparung, sowie der Verbesserung von Qualität, Logistik und Prozeßsicherheit.