gms | German Medical Science

7. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

11. November 2023, Witten

Arztbesuch ohne Krankenversicherung? Eine explorative Querschnittsstudie zur gesundheitlichen Lage und medizinischen Versorgung von Betroffenen in Deutschland

Meeting Abstract

  • Anke Dickmann - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Minatalla Mohammed - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf; Sektion Global Health, Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Bonn
  • presenting/speaker Milena Kriegsmann-Rabe - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Barbara Baltzer - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Norbert Biedermann - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Guo Yang - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Judith Rau - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Simone Weyers - Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Sabrina Kastaun - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Jacqueline Warth - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke. 7. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Witten, 11.-11.11.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23iamag02

doi: 10.3205/23iamag02, urn:nbn:de:0183-23iamag024

Veröffentlicht: 8. November 2023

© 2023 Dickmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Trotz der geltenden Krankenversicherungspflicht sind einige Menschen in Deutschland nicht oder eingeschränkt krankenversichert. Dazu zählen etwa Bevölkerungsgruppen wie EU-Bürger:innen ohne feste Anstellung, Wohnungslose, Menschen ohne Papiere sowie Personen mit Beitragsschulden bei der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung. Laut internationaler Studien kann eine fehlende Krankenversicherung negative Folgen für die Gesundheit haben, z.B. durch Chronifizierung von Krankheiten. Kenntnisse über die gesundheitliche Lage Betroffener in Deutschland fehlen bislang.

Fragestellung: Wie ist der Gesundheitszustand von Menschen ohne bzw. mit eingeschränkter Krankenversicherung? Inwiefern nehmen sie medizinische Versorgung in Anspruch?

Methode: Im Rahmen des Projekts MoveCitizenS wurde eine mehrsprachige, anonyme Querschnittsbefragung durchgeführt. Befragt wurden Volljährige, die von Februar bis August 2023 eine Beratungsstelle für Menschen ohne bzw. mit eingeschränkter Krankenversicherung (Bielefeld, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden) aufgesucht haben. Basierend auf teils validierten Messinstrumenten wurde ein Fragebogen im multiprofessionellen Team entwickelt, nach TRAPD-Methode in fünf Sprachen übersetzt und nach Pretests mittels kognitiver Interviews finalisiert. Die Stichprobendaten werden mit repräsentativen Daten der deutschen Allgemeinbevölkerung (GEDA 2019/2020-EHIS) verglichen, um Zusammenhänge zwischen Krankenversicherungsstatus und Gesundheitszustand bzw. Inanspruchnahme medizinischer Versorgung mittels Regressionsanalysen zu untersuchen. Die Prävalenz chronischer Erkrankungen, psychischer und körperlicher Beschwerden, der allgemeine Gesundheitszustand, Impfquoten und Inanspruchnahme medizinischer Versorgung werden mittels deskriptiver Darstellung von prozentualen Häufigkeiten beschrieben.

Ergebnisse: Insgesamt umfasst die MoveCitizenS-Stichprobe 126 Teilnehmende (Ø 43 Jahre ± 12,8, 23–75; 43,9% männlich). Ein Anteil von 15,1% (n=19) besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, 11,1% (n=14) sind EU-Bürger:innen, 65,1% (n=82) sind Drittstaatsangehörige. Ein Anteil von 64,3% (n=81) gibt einen mäßigen bis sehr schlechten subjektiven allgemeinen Gesundheitszustand, 55,6% (n=70) geben mindestens eine chronische Erkrankung an. 41,3% zeigen Symptome einer Depression und/oder einer generalisierten Angststörung (PHQ2 und/oder GAD2 ≥3P). Ein Anteil von 31,0% (n=39) hat noch nie einen Hausarzt in Deutschland aufgesucht, 42,9% (n=54) haben noch nie eine fachärztliche Versorgung in Anspruch genommen.

Diskussion: Durch die zielgruppenspezifische Erhebung werden erstmalig umfassende Kenntnisse über konkrete Gesundheitsbedarfe der betroffenen Bevölkerungsgruppen gewonnen. Diese können Aufschluss über Unterschiede im Gesundheitszustand und Zugangsbarrieren hinsichtlich des Krankenversicherungsstatus geben.

Take Home Message: Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf einen deutlichen Bedarf an zugänglicher Gesundheitsversorgung für Menschen ohne bzw. mit eingeschränkter Krankenversicherung hin.