gms | German Medical Science

7. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

11. November 2023, Witten

Schnittstellenkommunikation und Informationstransfer in der medizinischen Versorgung von Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung: qualitative Expert*inneninterviews

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Anne Mainz - Lehrstuhl für Gesundheitsinformatik, Universität Witten/Herdecke
  • Sven Meister - Lehrstuhl für Gesundheitsinformatik, Universität Witten/Herdecke
  • Helmut Budroni - Department für Pflegewissenschaft, Universität Witten/Herdecke
  • Martina Hasseler - Fakultät Gesundheitswesen, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfsburg
  • Peter Schmidt - Lehrstuhl und Abteilung für Behindertenorientierte Zahnmedizin, Universität Witten/Herdecke
  • Jörg Stockmann - Evangelisches Krankenhaus Hagen-Haspe
  • Andreas Schulte - Lehrstuhl und Abteilung für Behindertenorientierte Zahnmedizin, Universität Witten/Herdecke
  • Christine Kersting - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Achim Mortsiefer - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Alexandra Schmidt - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke. 7. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Witten, 11.-11.11.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23iamag01

doi: 10.3205/23iamag01, urn:nbn:de:0183-23iamag011

Veröffentlicht: 8. November 2023

© 2023 Mainz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland leben etwa 350.000 Menschen mit Störungen der geistigen bzw. intellektuellen Entwicklung. Bei Kontakt mit den Leistungserbringenden des Gesundheitswesens sind sie in der Regel auf Unterstützung angewiesen, welche meist von Angehörigen oder beruflich Betreuenden geleistet wird. Bekannte Barrieren in der medizinischen Versorgung resultieren häufig aus Problemen beim Austausch von Gesundheitsinformationen.

Zielsetzung/Fragestellung: Die Studie dient der Erfassung von Erfahrungen, Barrieren und Lösungsansätzen in der Schnittstellenkommunikation bei der Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen. Durch die Befragung von sowohl Versorgenden als auch Betreuenden soll eine möglichst multiperspektivische Sicht auf die Informationsweitergabe entstehen.

Methoden: Es wurden 13 semistrukturierte Expert*inneninterviews mit Personen geführt, die intensiv in die Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen involviert sind. Sechs Teilnehmer*innen waren Mitarbeitende aus dem Gesundheitssektor und sieben Angehörige oder Betreuende von Menschen mit geistiger oder mehrfachen Behinderungen. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet, transkribiert und nach der Auswertungsmethodik für Expert*inneninterviews nach Meuser und Nagel analysiert.

Ergebnisse: Der Informationstransfer in der Versorgung läuft sehr heterogen ab. Schriftliche Informationen, wie Anamnesen oder Überweisungsbriefe, enthalten wichtige Informationen und sind häufig so umfangreich, dass sie aus Zeitgründen nicht detailliert eingesehen werden können. Daher werden insbesondere auch über persönliche und telefonische Kanäle gesundheitsrelevante Details weitergegeben, diese enthalten oft subjektive oder auch fehlerhafte Schilderungen. Digitaler Informationstransfer wird in der Theorie insbesondere für die Vernetzung und für Notfallsituationen als Chance gesehen. Im praktischen Alltag mit den aktuellen technischen Voraussetzungen erscheint dieser als kaum praktikabel. Einfache Sprache wäre ein zentrales Werkzeug, um die Patient*innen selbst stärker in die Versorgung zu integrieren, auch mit digitalen Hilfsmitteln, allerdings sind die meisten Versorgenden kaum oder gar nicht in deren Verwendung geschult.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen aktuelle Barrieren und Fehlerquellen im Informationstransfer und den Bedarf nach Strukturierung, um die Versorgung sicherer und effektiver zu gestalten. Vor allem die Vernetzung der Akteure und die Inklusion der Patient*innen könnte mit Mitteln wie digitalen Lösungen und einfacher Sprache vorangetrieben werden, aber diese erfordern Schulungen der Versorgenden.

Take Home Message: Die Schnittstellenkommunikation in der Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen ist aktuell von heterogenen Informationswegen und subjektiv eingefärbter Informationsselektion geprägt. Eine Strukturierung mithilfe digitaler Unterstützung scheint jedoch aktuell implementierbar.