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Ergebnisse des HTA-Berichts "Die Masern-Mumps-Röteln-Impfung aus gesundheitspolitischer und ökonomischer Sicht"
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Veröffentlicht: | 12. Oktober 2007 |
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Gliederung
Abstract
Hintergrund: Masern-Mumps-Röteln sind hoch ansteckende Infektionskrankheiten, die trotz einer im Normalfall durchaus guten Prognose zu teils schweren Komplikationen führen können und damit eine – vermeidbare – Belastung des Gesundheitssystems bedeuten. Die wichtigste und effektivste medizinische Präventionsmaßnahme ist die Impfung.
Fragestellung: Welchen Nutzen – auch im Sinn eines ökonomischen Nutzens – hat die MMR-Impfung für Deutschland und welche Anstrengungen zum Erreichen der gewünschten MMR-Durchimpfungsquote von über 95% müssen unternommen werden?
Methodik: Aus einer systematischen Suche in 29 Literaturdatenbanken wurden insgesamt 200 Volltexte zur Berichtserstellung herangezogen. Diese Literatursuche musste – insbesondere für epidemiologische Daten und Informationen zu Impfprogrammen – durch eine umfangreiche Handsuche sowie mündliche und schriftliche Anfragen bzw. Experteninterviews ergänzt werden.
Ergebnisse: In den neuen Bundesländern ist mit einer Maserndurchimpfungsquote von 96,7% (Stand: 2004) für die erste Masernimpfung das WHO-Ziel der Herdenimmunität (~ 95% Durchimpfungsquote) bereits erreicht; der größte Bedarf zur Erhöhung der Durchimpfungsquoten besteht in den alten Bundesländern (mit einer Durchimpfungsquote von 92,2%; (Stand: 2004). Zu den Inzidenzen können nur für Masern Aussagen getroffen werden, da für Mumps und Röteln keine Daten vorliegen. Deutschland hat das WHO-Ziel von jährlich weniger als einem neuen Erkrankungsfall pro 100.000 Einwohner mit 2,8 Ansteckungen (pro 100.000) 2006 nicht erreicht. Außerdem bestehen große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Zur Laborsurveillance von Masern lässt sich sagen, dass 2005 lediglich 32% der übermittelten Masernfälle durch einen Laborbefund validiert und 45% klinisch-epidemiologisch gesichert sind, damit ist das WHO-Ziel einer validierten Laborsurveillance von mindestens 80% nicht erreicht.
Das Beispiel der Masernausbrüche in Deutschland zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen einer niedrigen Durchimpfungsquote und einer höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit. Auch die Gegenüberstellung der Maserndurchimpfungsquoten und -inzidenzen in den einzelnen EU-Ländern bestätigt diesen Zusammenhang. So weisen die Länder mit einer hohen Durchimpfungsquote vor allem über einen längeren Zeitraum betrachtet wesentlich niedrigere Inzidenzen auf als die Länder mit einer niedrigeren Durchimpfungsquote (Abbildung 1 [Abb. 1]).
Trotz der Anstrengungen zum Erreichen der Herdenimmunität, die Deutschland in den letzten Jahren unternommen hat, bestehen nach wie vor Defizite: So sind die regionalen Unterschiede in einigen deutschen Bundesländern groß, was die Verbreitung von Infektionskrankheiten in einzelnen Regionen wahrscheinlicher macht, wie die jüngsten Masernausbrüche zeigten. In Bezug auf die Umsetzung der WHO-Ziele weisen die interviewten Experten darauf hin, dass Vereinbarungen über Kontrolle und Maßnahmen fehlen, wenn Ziele nicht erreicht werden. Grundsätzlich stellt das Fehlen von Impfzielen in Deutschland ein großes Manko dar.
Es lag nur eine ökonomische Untersuchung vor, die nicht nur die Masernimpfung, sondern das gesamte MMR-Impfprogramm evaluiert. Sie ermittelt für die USA ein Kosten-Nutzen-Verhältnis für das MMR-Impfprogramm von 1 : 14,2 (Gesundheitswesen) bzw. 1 : 26,0 (Gesamtgesellschaft) im Vergleich zur Alternative „kein Impfprogramm“. Für Deutschland liegt keine vollständige ökonomische Untersuchung vor. Eine internationale Studie zu den durchschnittlichen Krankheitskosten pro Masernfall zeigt eine Bandbreite von 163 Euro (Spanien) und 373 Euro (Dänemark) auf; Deutschland liegt mit 263 Euro etwa im Mittelfeld.
Schlussfolgerungen: Trotz aller Bemühungen, die Durchimpfungsquote zu erhöhen, ist das WHO-Ziel einer 95%igen Durchimpfungsquote bis 2007 bei Masern und einer Eliminierung der Masern- und Rötelnerkrankungen bis 2010 in Deutschland (noch) nicht erreicht. Um die Ziele zu erreichen ist die Entwicklung eines bundesweit verbindlichen Impfprogramms, ein Plan zur Umsetzung mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten, ein gut funktionierendes „Surveillance-System“ sowie Kommunikation und Überzeugungsarbeit bei Ärzten und Eltern und regelmäßige Evaluation der gesetzten Maßnahmen erforderlich.