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97. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte

27. - 28.09.2013, Ludwigshafen

Behandlung traumatischer Trachealverletzungen: Präsentation eines seltenen Falles und Literaturübersicht

Management of traumatic tracheal injuries: Presentation of a rare case and review of the literature

Meeting Abstract

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Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. 97. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. Ludwigshafen, 27.-28.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13hnosw35

doi: 10.3205/13hnosw35, urn:nbn:de:0183-13hnosw357

Veröffentlicht: 12. September 2013

© 2013 Nordmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Traumatische Verletzungen des tracheobronchialen Systems sind selten und stellen für den Patienten häufig eine lebensbedrohliche Situation dar. Auch in großen Zentren in Deutschland werden in der Regel weniger als fünf Patienten pro Jahr gesehen [1], [2]. Die Letalität wird in der Literatur mit ca. 15–30% angegeben [3]. In der Pathogenese kann zwischen Art des Traumas, der Genese und der Lokalisation unterschieden werden. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der hohen Letalität sollte die Versorgung interdisziplinär in medizinischen Zentren erfolgen [3].

Methoden: Wir präsentieren den Fall eines 37-jährigen Patienten, welcher sich in suizidaler Absicht in alkoholisiertem Zustand zu erhängen versuchte. Dabei war anamnestisch das Seil gerissen. Bei Ankunft in unserer Klinik in notärztlicher Begleitung war der Patient wach, ansprechbar, suffizient spontan atmend und kardiopulmonal stabil. Er beklagte Dyspnoe sowie Schluckschmerzen und eine Dysphonie. Am Hals war eine horizontale Strangulationsmarke circa vier Querfinger unterhalb des Ringknorpels sowie ein rechtsbetontes zervikales Hautemphysem erkennbar. 70°-endoskopisch zeigte sich ein beidseitiger Stimmbandstillstand mit subglottischem Blutkoagel.

Zur Beurteilung des Verletzungsmusters, insbesondere bezüglich Ring-/Schildknorpel sowie der Trachea und zum Ausschluss einer HWS-Läsion, wurde ein Computertomogramm des Halses und der oberen Thoraxapertur mit Kontrastmittel durchgeführt. Hierbei zeigte sich ein Abriss der Trachea vom Ringknorpel mit einer Dehiszenz von mindestens vier Zentimetern sowie ein ausgeprägtes Weichteilemphysem des gesamten Halses, des oberen Thoraxbereiches, im Mediastinum sowie prävertebral.

Aufgrund der drohenden Atemwegsverlegung erfolgte eine sofortige operative Versorgung im OP.

Zunächst erfolgte hier eine transorale Laryngo-Tracheobronchoskopie durch die Anästhesie. Der distale Trachealstumpf konnte im Mediastinum sicher aufgefunden werden, so dass eine mühelose Intubation mit einem 6,5er Tubus gelang.

In der anschließenden Ösophagoskopie konnte eine Ösophagusläsion ausgeschlossen werden.

Es folgte eine horizontale Inzision zwischen Jugulum und distalem Ringknorpel sowie eine Präparation in die Tiefe, bis der liegende Tubus zu erkennen war. Hier zeigte sich ein Komplettabriss der Trachea am distalen Ringknorpel, wodurch die beidseitige Recurrensparese erklärbar war.

Anschließend erfolgte die Freilegung der Trachea, zunächst an der Vorderseite mit darauffolgender Separation vom Ösophagus. Nach Anteflexion des Kopfes konnte die weit ins Mediastinum dislozierte Trachea an das Ringknorpelniveau herangeführt werden. Nach Umkanülierung auf einen U-Tubus erfolgte die Rekonstruktion der Tracheahinterwand mit PDS 3.0 in submuköser Nahttechnik mit vorgelegten Fäden und sukzessive Adaptation der Hinterwand an die Ringknorpelhinterwand. Die Vorderwand wurde ebenfalls mit PDS 3.0 rekonstruiert. Insgesamt gelang eine zirkuläre, stabile End-zu-End-Anastomose zwischen distalem Ringknorpel und proximalem Trachealende.

Zuletzt wurde aufgrund der beidseitigen Recurrensparese eine endo-extralaryngeale Glottiserweiterung nach Lichtenberger mit rechtsseitiger Stimmbandlateralisation durchgeführt, da keine Einverständniserklärung zu einem primär glottiserweiterndem Eingriff vorlag.

Postoperativ erfolgte eine intensivmedizinische Überwachung mit Extubation am dritten Tag.

Im Verlauf klagte der Patient nach Extubation weiterhin über Dyspnoe, so dass bei weiterhin ungenügender Glottisweite sechs Tage nach dem ersten Eingriff eine posteriore Chordektomie und partielle Laserarytenoidektomie links durchgeführt wurde. Die Entscheidung zur Operation der Gegenseite wurde getroffen, da aufgrund einer Vernarbung im rechtsseitigen Stimmbandbereich hier nur ein geringer Effekt eines operativen Eingriffs zu erwarten war.

Der weitere Verlauf war komplikationslos, die Wundheilung erfolgte per primam und eine i.v.-Antibiose mit Cefuroxim und Metronidazol wurde durchgeführt. Es wurde eine psychiatrische Mit- und Weiterbehandlung eingeleitet, die Entlassung des Patienten mit Übernahme in eine psychiatrische Abteilung konnte nach insgesamt acht Tagen erfolgen.

Im Rahmen einer ambulanten Kontrolluntersuchung drei Wochen postoperativ präsentierte sich der Patient in gutem Allgemeinzustand und ohne Anhalt für Dyspnoe oder Aspiration.

Ergebnisse: Trachealverletzungen sind schwerwiegende und mit einer hohen Letalität verbundene Krankheitsbilder. Die meisten tracheobronchialen Verletzungen sind Folge eines stumpfen oder penetrierenden Traumas. Andere Ursachen sind iatrogene Verletzungen, Strangulationen wie in unserem Fall oder Inhalationstraumata [1].

Bei der Versorgung eines Patienten mit vermuteter tracheobronchialer Verletzung steht die Sicherung der Atemwege an erster Stelle. Diagnostische Schritte sollten parallel zur Stabilisierung des Patienten erfolgen.

Die häufigsten Symptome mit einem Anteil von 76–100% sind Dyspnoe und respiratorische Insuffizenz. Weitere häufige Symptome sind Heiserkeit und Dysphonie, ein Weichteil- oder Mediastinalemphysem, ein Pneumothorax oder Hämoptysen. Die klinische Trias aus Zyanose, Weichteil- oder Mediastinalemphysem und Dysphonie ist hochgradig verdächtig auf eine tracheobronchiale Verletzung [1].

Die Symptome können unmittelbar posttraumatisch oder nach einem freien Intervall auftreten. Selbst schwerwiegende Verletzungen können primär unerkannt bleiben, wenn die Kontinuität des Atemweges durch peribronchiales oder peritracheales Gewebe erhalten ist und somit eine ausreichende Ventilation bestehen bleibt. Diese Fälle werden häufig erst bis zu vier Wochen später durch Atemwegsstenosierungen klinisch manifest [1].

Daher ist eine frühzeitige umfassende Diagnostik mittels Röntgen Thorax/HWS, Computertomographie, Angiographie, Tracheobronchoskopie sowie ggf. Ösophagogastroskopie oder Röntgenbreischluck von Bedeutung. Hinsichtlich der Reihenfolge und Wertigkeit dieser diagnostischen Maßnahmen und der zwingenden Notwendigkeit einer chirurgischen Exploration werden verschiedene Modelle diskutiert. Einigkeit herrscht bezüglich der Wichtigkeit der Detektion einer ösophagealen Begleitverletzung, da diese in Form von Mediastinitis oder Fistelbildung schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann [4].

Die optimale Therapiestrategie muss aufgrund der geringen Fallzahlen noch definiert werden. Eine chirurgische Versorgung ist traditionellerweise die Vorgehensweise der Wahl, wobei insbesondere bei iatrogenen Verletzungen auch konservative Vorgehensweisen zunehmend an Bedeutung gewinnen [2]. Typischerweise werden Verletzungen im proximalen Teil der Trachea transzervikal angegangen, tiefer gelegene Läsionen in der Regel über eine rechtsseitige Thorakotomie. Die Adaptation erfolgt nach Freilegung und Anfrischung der Ränder klassischerweise durch Einzelknopfnaht mit einem resorbierbaren monofilen Faden der Stärke 3.0 oder 4.0. Bei großen Substanzdefekten im Bereich der Pars membranacea kann als Ersatzmaterial autologes Pericard oder ein Muskellappen verwendet werden [1].

Eine Antibiotikaprohylaxe sollte stets frühzeitig eingeleitet werden.

Ein möglicher Behandlungspfad bei Patienten mit Verdacht auf tracheobronchiale Verletzung wurde von Veit et al vorgeschlagen [4].

Schlussfolgerung:

  • Tracheobronchiale Verletzungen sind selten, jedoch häufig lebensbedrohlich
  • Eine rasche Diagnostik und Therapie ist von großer Bedeutung, da auch bei relativ geringer Beschwerdesymptomatik ein ausgeprägtes Verletzungsmuster vorliegen kann
  • Die Therapie der Wahl ist meist chirurgisch, nur bei iatrogenen Verletzungen ist in ausgewählten Fällen eine konservative Herangehensweise möglich

Literatur

1.
Palade E, Passlick B. [Surgery of traumatic tracheal and tracheobronchial injuries]. Chirurg. 2011;82(2):141-7.
2.
Carretta A, et al. Conservative and surgical treatment of acute posttraumatic tracheobronchial injuries. World J Surg. 2011;35(11):2568-74.
3.
Cassada DC, et al. Acute injuries of the trachea and major bronchi: importance of early diagnosis. Ann Thorac Surg. 2000;69(5):1563-7.
4.
Veit JA, Metternich F. [Management of traumatic tracheal injuries: presentation of a rare case and review of the literature]. Laryngorhinootologie. 2008;87(4):270-3.